VCÖ-Factsheet: Arbeitswege in Österreich auf Klimakurs bringen
Arbeitswege sind der häufigste Wegzweck und werden großteils mit dem Pkw zurückgelegt. Sie sind ein wichtiger Hebel, um die Klimabilanz zu verbessern. Gefordert sind Politik und Unternehmen, es braucht stärkere Anreize für ein klimaverträgliches Mobilitätsverhalten.
Rund 98 Millionen Personenkilometer werden in Österreich jeden Werktag zurückgelegt, um in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, 70 Millionen Personenkilometer davon mit dem Pkw fahrend oder mitfahrend. 57 Prozent der Arbeitswege sind kürzer als 10 Kilometer. 39 Prozent der von Österreichs Bevölkerung an Werktagen gefahrenen Pkw-Kilometer entfallen auf den Arbeitsweg, weitere 14 Prozent verursachen Dienstfahrten. Allein die Autofahrten am Arbeitsweg verursachen jährlich mehr als drei Millionen Tonnen CO2. Der Verkehr ist der größte Problembereich beim Klimaschutz. Statt zu sinken sind die CO2-Emissionen des Verkehrs in Vorjahr zum 5. Mal in Folge gestiegen.
Aufbrechen von Mobilitätsroutinen funktioniert
Arbeitswege sind geprägt von eingeübten Routinen. Wer mit dem Pkw zur Arbeit fährt, nutzt zudem den Pkw gewohnheitsmäßig auch für andere Wege öfter. Lebensumbrüche wie der Wechsel des Wohnorts oder Berufs, sind gute Gelegenheiten, um Mobilitätsroutinen zu verändern. Vor allem bei jüngeren Menschen ist das Potenzial groß. So gaben mehr als die Hälfte der unter 29-Jährigen, die in den vorangegangenen fünf Jahren Pkw-Fahrten auf die Bahn verlagert haben, bei einer repräsentativen Umfrage an, dass der Wechsel des Wohnorts oder Arbeitsplatzes auf die Verkehrsmittelwahl großen oder sehr großen Einfluss hatte.
Insgesamt ist der Anteil der Autofahrten am Arbeitsweg besonders hoch. Während insgesamt 47 Prozent der Alltagswege in Österreich hinter dem Autolenkrad sitzend zurückgelegt werden, sind es am Arbeitsweg 60 Prozent. Auch die Zahl der Fahrgemeinschaften ist sehr gering. Nur fünf Prozent der Beschäftigten fahren am Arbeitsweg im Auto mit. Nur der Anteil des Öffentlichen Verkehrs istmit 20 Prozent auf den Arbeitswegen etwas höher als im Schnitt. Und obwohl 37 Prozent der Wege zur Arbeit kürzer als fünf Kilometer und damit in Radfahrdistanz sind, werden nur sieben Prozent tatsächlich mit dem Fahrrad gefahren. Der Trend zum Elektro-Fahrrad vergrößert das Potenzial der aktiven Mobilität am Arbeitsweg. In Österreich gibt es bereits mehr als 600.000 E-Fahrräder, und damit rund 20 Mal so viele wie E-Pkw. Gehen und Radfahren sind zudem eine gute Ergänzung zum Öffentlichen Verkehr. Deshalb ist es wichtig, dass Haltestellen und Bahnhöfe optimal zu Fuß und mit dem Fahrrad erreichbar sind und über ausreichend wettergeschützte und sichere Abstellplätze für Fahrräder verfügen. Auch bei den Pendlerinnen und Pendlern, also jenen Erwerbstätigen, die außerhalb ihrer Wohngemeinde arbeiten, ist das Potenzial für den Radverkehr groß. 20 Prozent von ihnen wohnen weniger als zehn Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt. Insgesamt arbeiten in Österreich 53 Prozent der 4,2 Millionen Erwerbstätigen außerhalb ihrer Wohngemeinde. Fast die Hälfte hat einen Arbeitsweg von weniger als 20 Kilometer.
Großes Verlagerungspotenzial von Autofahrten auf die Bahn
Für Niederösterreich und das Burgenland wurde das Verlagerungspotenzial des Pendelverkehrs auf die Bahn berechnet. Rund 167.000 Personen fahren zur Arbeit nach Wien. Umgekehrt fahren rund 57.000 Personen aus Wien für die Arbeit ins Umland. Von diesen insgesamt 224.000 Erwerbstätigen verwenden rund 60.000 Personen die Bahn. 93 Prozent der arbeitsbedingt nach Wien oder aus Wien ins Umland Fahrenden wohnen maximal neun Kilometer von einer der 459 Bahnhaltestellen in der Ostregion entfernt und damit im Einzugsgebiet einer Bahnverbindung. Fast zwei Drittel der Wohnstandorte befinden sich weniger als drei Kilometer von einem Bahnhof entfernt. Das Potenzial für die Bahn ist damit ungefähr doppelt so hoch wie die aktuelle Nutzung.
Verbessertes Angebot führt zum Umstieg auf Bus und Bahn
Die Inbetriebnahme der neuen Westbahnstrecke über das Tullnerfeld im Jahr 2012 mit häufigeren Verbindungen und kürzerer Fahrzeit und die in etwa zeitgleiche Ausweitung der Parkraumbewirt-schaftung im Westen Wiens führte im Korridor St. Pölten zu einer Reduktion der nach Wien einpendelnden Pkw um zwölf Prozent. Umgekehrt nahm im Korridor Gänserndorf nach dem Ausbau der Wiener Außenring Schnellstraße S1 die Anzahl der einpendelnden Pkw um 58 Prozent zu.
Weniger Krankenstandtage durch Radfahren zur Arbeit
In vielen Regionen und Städten können mit aktiver Mobilität die Arbeitswege abgekürzt und Stressbelastung der Beschäftigten reduziert werden. Sowohl die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als auch das subjektive Wohlbefinden sinken, je länger der Arbeitsweg ist. Zeit am Arbeitsweg im Öffentlichen Verkehr wird zu 97 Prozent produktiv für berufliche oder private Tätigkeiten genutzt. In Deutschland und Dänemark zeigte sich, dass Beschäftigte, die regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, im Durchschnitt um ein bis zwei Tage pro Jahr seltener im Krankenstand sind, als ihre Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig mit dem Pkw oder dem Öffentlichen Verkehr zur Arbeit fahren. Ein Krankenstandtag kostet Unternehmen in Österreich im Durchschnitt 200 Euro. Hochgerechnet auf ein Jahr ergäbe sich dadurch für ein Unternehmen mit 50 Beschäftigten eine potenzielle Kosteneinsparung von rund 20.000 Euro alleine aufgrund der reduzierten Krankenstandtage, wenn die Beschäftigten aktiv mobil den Arbeitsplatz erreichen.
Betriebliches Mobilitätsmanagement wirkt
Viele Beispiele zeigen, dass mit Mobilitätsmanagement der Autoverkehr zum Arbeitsplatz erfolgreich reduziert werden kann, zum Nutzen der Beschäftigten, der Betriebe sowie der Städte und Gemeinden. Ähnlich wie die Vorlage eines Energieausweises in Österreich seit dem Jahr 2012 verpflichtend ist, sollte auch Mobilitätsmanagement für Betriebe ab 50 Beschäftigten vorgeschrieben werden. Bei Neuansiedlung oder Erweiterung von Betriebsgeländen sollte eine adäquate Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz Voraussetzung sein. In Frankreich etwa gibt es eine Nahverkehrsabgabe für Unternehmen, deren Höhe vom Betriebsstandort und dem erzeugten Verkehrsaufwand abhängt. Werden betriebliche Mobilitätsmaßnahmen umgesetzt, reduziert sich die Höhe der Nahverkehrsabgabe. Wirksam sind auch sogenannte Mobilitätsverträge zwischen Kommunen und Bauträgern oder Betrieben. Anstatt einer Pkw-Stellplatzvorgabe können darin Maßnahmen zur Förderung klimaverträglicher Mobilität vereinbart werden. Im Jahr 2011 wurden von der Stadt Graz, dem Land Steiermark, der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft und der Medizinischen Universität Graz insgesamt 44 Maßnahmen zur Förderung klimaverträglicher Mobilität der täglich rund 14.000 Beschäftigten, Patientinnen und Patienten sowie Besucherinnen und Besucher beschlossen. Bis Jänner 2019 kamen in Graz bereits 28 Mobilitätsverträge zustande.
Förderungen für das Pendeln ökologisieren
Die direkte Förderung der Mobilität zur Arbeit lässt sich der Staat Österreich mehr als 1,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Zusätzlich zum Verkehrsabsetzbetrag gibt es noch Pendelpauschale, Pendeleuro und sechs Bundesländer fördern zusätzlich mit Pendelbeihilfen. Es fehlen ökologische Kriterien bei der Förderung des Pendelns. Im Gegenteil, wer keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung hat, erhält bereits bei einem Arbeitsweg ab zwei Kilometern Pendelpauschale. Damit wird das Pendeln mit dem Auto stärker gefördert als mit dem Öffentlichen Verkehr. Darüber hinaus profitieren Besserverdienende viel stärker vom Pendelpauschale als Wenigverdienende. Jene 25 Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen erhalten ein rund zwölfmal so großes Stück vom Pendelpauschale wie die 25 Prozent
Jobticket und Jobräder statt Firmenwagen
Insgesamt verursachen Autofahrten am Arbeitsweg rund 2,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Um die Klimaziele erreichen zu können, braucht es bei der Förderung der Fahrten zur Arbeit starke Anreize für ein klimaverträgliches Mobilitätsverhalten. Dazu zählt auch eine grundlegende Reform der Firmenwagen-Besteuerung. Derzeit wird die private Nutzung von Firmenwagen steuerlich begünstigt. Bieten Unternehmen Firmenwagen als Lohnbestandteil an, sparen sie Steuern, da die Anschaffungskosten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können und gleichzeitig niedrigere Lohnnebenkosten anfallen. Autofahren steuerlich zu begünstigen, ist in der Klimakrise nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen sollen bürokratische Hürden beim Öffi-Jobticket beseitigt und Jobräder forciert werden.
VCÖ-Empfehlungen
Förderungen für Arbeitswegmobilität ökologisieren
• Das derzeitige Pendelpauschale in seiner derzeitigen Form erschwert das Erreichen der Klimaziele und bevorzugt Besserverdienende. Es braucht eine grundlegende Reform nach ökologischen und sozialen Kriterien
• Auch die Besteuerung von Firmenwagen ist umfassend zu ökologisieren. Nötig sind stärkere Anreize, für eine geringere Nutzung von Firmenwagen sowie einen höheren Sachbezug für Pkw mit Verbrennungsmotor
Anreize für betriebliches Mobilitätsmanagement setzen
• Nahverkehrsabgabe einführen, die vom erzeugten Verkehrsaufwand und der Anzahl der zur Verfügung gestellten Pkw-Parkplätze abhängt
• Ähnlich wie der Energieausweis soll für Betriebe ab 50 Beschäftigten Mobilitätsmanagement verpflichtend vorgeschrieben werden
• Mobilitätsverträge statt Pkw-Stellplatzverpflichtung
Klimaverträgliches Mobilitätsangebot ausbauen und verbessern
• Da die Arbeitszeiten zunehmend flexibler werden, braucht es auch außerhalb der klassischen Pendelzeiten ein gutes öffentliches Verkehrsangebot
• Bahnhöfe und Haltestellen optimal mit Fahrrad und zu Fuß erreichbar machen, Anzahl von (wettergeschützten und sicheren) Fahrradabstellplätzen erhöhen
• Infrastruktur für den Radverkehr sowohl in den Städten als auch Regionen stark verbessern
Michael Schwendinger, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft
„Mobilität auf Arbeits- und Dienstwegen hat derzeit eine schlechte Klimabilanz. Mit starken Anreizen und regulativen Maßnahmen gelingt es, Arbeitswege auf Klimakurs zu bringen. Zahlreiche engagierte Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zeigen bereits, wie es geht.“
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