VCÖ-Factsheet: Wie der Anteil der Bahn am Gütertransport zu erhöhen ist
Angesichts der Klimakrise steht der Güterverkehr vor großen Herausforderungen. Die CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs haben sich seit dem Jahr 1990 mehr als verdoppelt. Die Klimaziele im Verkehr sind nur mit einem höheren Anteil des Schienengüterverkehrs zu erreichen.
Im Jahr 2019 wurden auf Österreichs Schienennetz 102 Millionen Tonnen Güter transportiert. Mit Lkw waren in Österreich mit 598 Millionen Tonnen fast sechsmal so viele Güter unterwegs. Die Bahn transportiert Güter vor allem auf längeren Distanzen. Deshalb waren die Tonnenkilometer der Lkw mit 54,5 Milliarden nur rund zweieinhalbmal so hoch wie jene der Bahnen mit 21,7 Milliarden Tonnenkilometer. In den vergangenen Jahren hat der Straßengüterverkehr in Österreich und ebenso in der EU stärker zugenommen als der Gütertransport auf der Schiene. Ein zentraler Grund dafür ist die fehlende Kostenwahrheit beim Lkw-Transport.
Anteil der Schiene ist stark zu erhöhen
Die Klimaziele sind nur erreichbar, wenn der Güterverkehr seinen CO2-Ausstoß stark reduziert. Neben der Vermeidung von Transporten und dem Einsatz effizienterer Technologien kommt der Verlagerung auf die Schiene eine zentrale Rolle zu. Pro Tonnenkilometer verursachen Lkw-Sattelzüge im Schnitt 20 Mal so viel CO2 wie die Bahn in Österreich. Werden zehn Milliarden Tonnenkilometer von Lkw-Sattelzügen auf die Bahn verlagert, dann können 631.000 Tonnen CO2 vermieden werden. Für einen höheren Anteil der Schiene braucht es auch attraktive, zuverlässige Produkte der Bahn. Diese lassen sich nur umsetzen, wenn in der EU technische Hürden abgebaut und die Infrastruktur verstärkt ausgebaut wird
Die sich verschärfende Klimakrise macht durch die starke Zunahme extremer Wetterereignisse deutlich, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Treibhausgas-Emissionen deutlich zu reduzieren. Österreichs Bundesregierung hat folgerichtig das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 beschlossen. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn der Güterverkehr seine Emissionen massiv reduziert. Für die CO2-Emissionen im heimischen Güterverkehr ist fast zur Gänze der Lkw-Verkehr verantwortlich. Die klimaschädlichen CO2- Emissionen des Lkw-Verkehrs sind in Österreich seit dem Jahr 1990 mit 112 Prozent sogar noch stärker gestiegen als jene des Autoverkehrs mit 77 Prozent. Im Jahr 2019 verursachte der Straßengütertransport mit 8,8 Millionen Tonnen bereits mehr CO2-Emissionen als der gesamte Gebäudesektor. Im Jahr 1990 war es noch umgekehrt, die Gebäude verursachten damals sogar dreimal so viel CO2 wie der Lkw-Transport.
Vermeiden – verlagern – verbessern
Die grundlegende Strategie heißt auch im Güterverkehr: vermeiden, verlagern und verbessern. Mit dieser Prioritätsreihung sind Maßnahmen in diesen drei Bereichen nötig, um den Güterverkehr auf Klimakurs zu bringen. Durch eine verstärkte Regionalisierung der Wirtschaft, durch klare gesetzliche Vorgaben und durch die Berücksichtigung des Verursacherprinzips bei den Preisen, können viele Transporte vermieden werden. Das Reduktionspotenzial zeigt auch der hohe Leerfahrtenanteil in Österreich. Im Jahr 2019 waren von den insgesamt rund 54 Millionen Lkw- Fahrten von Transportunternehmen aus Österreich 45 Prozent Leerfahrten. In Österreich ist der Leerfahrtenanteil um ein Viertel höher als in der Schweiz. In der Schweiz sind externe Kosten in der Lkw-Maut inkludiert, die Lkw-Maut gilt nicht nur auf Autobahnen und Schnellstraßen, sondern am gesamten Straßennetz und Diesel wird nicht steuerlich begünstigt. Ein zentraler Hebel für die notwendige Verbesserung der Klimabilanz des Güterverkehrs ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Nach vermeiden und verlagern ist die dritte Säule für die Klimastrategie im Güterverkehr die sukzessive Umstellung der Fuhrparks auf emissionsfreie Transporter.
Schienen-Infrastruktur ausbauen
Um das Ziel eines klimaneutralen Verkehrs im Jahr 2040 zu erreichen, ist der Anteil der Schiene sowohl beim Personenverkehr als auch im Güterverkehr zu erhöhen. Auf der Schiene müssen daher deutlich mehr Züge unterwegs sein können als derzeit. Zukünftig kann mit Hilfe der digitalen automatischen Kupplung und moderner Zugsicherungssysteme auf derzeit bereits hoch frequentierten Abschnitten die Kapazität erhöht werden. Zudem braucht es den forcierten Ausbau der Schieneninfrastruktur, um Engpässe zu vermeiden. Bis zum Jahr 2026 werden in Summe 17,5 Milliarden Euro in Ausbau und Modernisierung der Bahn-Infrastruktur investiert. So wird der Abschnitt Linz – Wels bis zum Jahr 2027 viergleisig ausgebaut, ebenso zwischen Wien-Meidling und Mödling bis zum Jahr 2034. Auch die Phyrnachse und Nordbahn werden ausgebaut. Ein weiterer Ausbau ist im Bereich des Brenner-Nordzulaufs, im Ballungsraum Wien sowie zwischen Salzburg und Neumarkt nötig.
Betriebliche Gleisanschlüsse forcieren
In Österreich gibt es insgesamt 950 sogenannte Anschlussbahnen, davon sind aber nur 579 in Betrieb. Über die betrieblichen Gleisanschlüsse werden rund zwei Drittel des Transportaufkommens abgewickelt. Zur Verlagerung des Güterverkehrs ist zum einen der Schienenzugang für Unternehmen zu erleichtern sowie Errichtung und Betrieb von Anschlussbahnen höher zu fördern. Das Land Salzburg hat im Sommer 2020 ein innovatives Modell für die Revitalisierung von Anschlussbahnen gestartet. Zudem soll bei Betriebsansiedlungen künftig die Möglichkeit für Bahnzugang verpflichtend geprüft und berücksichtigt werden. Der wachsenden Bereitschaft von Betrieben und Unternehmen Güter klimaverträglicher zu transportieren, steht oft fehlendes Know-How für die Umsetzung gegenüber. Während es öffentliche Förderungen für Schienengüterverkehr, betriebliche Gleisanschlüsse und kombinierten Verkehr gibt, fehlt ein umfassendes Beratungsangebot, um Unternehmen bei ihrem Bemühen zu unterstützen, ihren Gütertransport klimaverträglicher abzuwickeln. Eine wichtige Bedeutung haben dabei auch die Einzelwagenverkehre, die im Jahr 2019 rund 1,8 Millionen Lkw-Fahrten vermieden haben.
Technische Standards in der EU vereinheitlichen
Mit ein und demselben Fahrzeug Güter quer durch Europa von Rotterdam ans Schwarze Meer zu transportieren ist bei Lkw selbstverständlich, bei der Bahn derzeit unmöglich. Aufgrund unterschiedlicher technischer Systeme muss auf der Strecke von den Niederlanden bis Rumänien innerhalb der EU fünfmal die Lok gewechselt werden. Zudem fehlt im Bahnsektor eine einheitliche Betriebssprache, von den Lokführerinnen und Lokführern werden für jeden Mitgliedstaat Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 verlangt. Diese Hürden führen zu Zeitverzögerungen und verteuern den Bahntransport. Es braucht eine rasche weitere Vereinheitlichung der technischen Standards. Zudem ist das Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen, um Abläufe zu beschleunigen und vorhandene Kapazitäten effizienter zu nutzen, etwa durch die europaweite einheitliche Einführung der digitalen automatischen Kupplung.
Fairen Wettbewerb im Gütertransport schaffen
Derzeit gibt es zahlreiche Wettbewerbsverzerrungen im Gütertransport. EU-weit verursacht der Lkw-Verkehr dreimal so hohe externe Kosten wie der Schienengüterverkehr, in Österreich sogar 3,6-mal so hohe, weil aufgrund des höheren Anteils erneuerbarer Energie die Klimabilanz des Bahnstroms besser als im EU-Schnitt ist. Im Jahr 2019 hat der Lkw-Verkehr in der EU fast 200 Milliarden Euro an externen Kosten verursacht. Externe Kosten werden nicht von den Verursachern bezahlt, sondern von der Allgemeinheit. Damit wurde der Straßengütertransport in der EU mit fast 200 Milliarden Euro indirekt subventioniert. Auch um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, ist die Verlagerung auf die Schiene wichtig. Allein im Vorjahr wurden in Österreich bei Verkehrsunfällen mit Lkw 51 Menschen getötet und 1.779 verletzt.
Einhaltung der Vorschriften im Lkw-Verkehr viel stärker kontrollieren
Während im Schienenverkehr alleine aus betrieblicher Notwendigkeit strenge Sicherheitsvorgaben und faire Arbeits- und Sozialstandards gelten und umgesetzt wurden, sind Sozial- und Lohndumping im Lkw-Transport weit verbreitet. Zudem werden immer wieder Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten, rund 90 Prozent der Lkw auf Österreichs Autobahnen fahren schneller als die erlaubten Tempolimits. Immer wieder werden grobe technische Mängel bei Lkw-Kontrollen entdeckt. All das verschafft dem Lkw-Transport einen Kosten- und damit Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn.
Quelle: VCÖ, „Güterverkehr auf Klimakurs bringen“, Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Wien 2020
VCÖ-Empfehlungen
Klimaverträglichen Gütertransport in der EU ausbauen
- Das „Europäische Jahr der Schiene“ 2021 nutzen, um technische und bürokratische Hürden für Bahntransporte innerhalb Europas rasch abzubauen.
- Kombination der europaweit einheitlichen Einführung der digitalen automatischen Kupplung mit der flächendeckenden Umsetzung der modernen Zugsicherung ETCS spätestens bis zum Jahr 2030 sicherstellen.
- Kapazitätsengpässe im europäischen Schienennetz durch Ausbau vermeiden, Finanzierung von Bahninfrastruktur-Projekten langfristig garantieren.
- Adaptierung der Anschlussbahnförderung, der Raumordnung und Umsetzung eines Beratungsangebots für Betriebe für die Verlagerung von Lkw-Transporten auf die Bahn.
Wettbewerbsverzerrung zwischen Lkw und Bahngüterverkehr beenden
- Kostenwahrheit durch Lkw-Maut inklusive aller externer Kosten verbessern. Mindest- statt Höchstmaut im Rahmen einer reformierten EU-Wegekostenrichtlinie umsetzen.
- Abschaffung des Dieselprivilegs in Österreich sowie Einführung einer CO2- Bepreisung im Rahmen der ökosozialen Steuerreform, um Diesel-Preisdifferenz zu Nachbarstaaten und somit Tanktourismus und Umwegtransit zu reduzieren.
- Lohn- und Sozialdumping im Lkw-Verkehr durch konsequente Anwendung der Entsende-Richtlinie verhindern. Mit häufigeren Lkw-Kontrollen sicherstellen, dass Sozialstandards und Lenkzeiten, Tempolimits und Höchstgewicht sowie die Regelungen zur Kabotage eingehalten werden.
Michael Schwendinger, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft
„Das Europäische Jahr der Schiene 2021 als Chance begreifen und nutzen, europäische Kooperation im Schienengüterverkehr durch
Standardisierung verbessern, Wettbewerbsverzerrung aufgrund von Sozialdumping und auf die Gesellschaft abgewälzte externe Kosten im internationalen Lkw-Transport reduzieren.“
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