Autofreie Mobilität in der Region durch Bus und flexible Angebote

Busse und nachfragebasierte Mobilitätsangebote schaffen ein flächendeckendes öffentliches Mobilitätsangebot auch in den Regionen und sind Zubringer zu überregionalen Verbindungen. Beim integrierten Takt von Bus und Bahn und bei der Anschlusssicherheit gibt es noch Verbesserungsbedarf. Pilotregionen zeigen jedoch vor, wie ein lückenloses Angebot gelingt.

Guter regionaler Busverkehr ist ein Leistungsträger der regionalen Mobilitätsversorgung in der Fläche und ebenso wie ärztliche Versorgung ein Element der Daseinsvorsorge.54 Im Nahverkehr erbringen Regionalbusse in Österreich mit 44 Prozent fast die Hälfte der gesamten Angebotskilometer.89 Busse sind auf keine gesonderte Infrastruktur angewiesen. Durch sie lässt sich daher rasch und kostengünstig das Angebot des Öffentlichen Verkehrs ausdehnen – auch kurzfristige Anpassungen oder zusätzliche Verkehre wie Schibusse oder Shuttledienste bei Veranstaltungen sind realisierbar. Auch die Verfügbarkeit verschiedener Busgrößen erhöht die Flexibilität. Wendige Kleinbusse sind auf den schmäleren Straßen peripherer Gebiete oft im Vorteil. Mit unterschiedlich großen Bussen kann zudem auf variierende Nachfrage reagiert werden. Am Wochenende etwa können, wenn vorhanden, kleinere Modelle zum Einsatz kommen als an Werktagen. Im niederösterreichischen Traisental fahren etwa auf der Linie 691 an den Wochenenden Kleinbusse. Das ist möglich, da die Kleinbusse der Zubringerlinie 694 am Wochenende nicht fahren.

Die Grafik zeigt, dass Regionalbusse eine wichtige Rolle im österreichischen Mobilitätsangebot spielen
Regionalbusse werden oft unterschätzt, erbringen aber fast die Hälfte des öffentlichen Mobilitätsangebots im Nahverkehr.

Besseres Busangebot erhöht die Nachfrage

Systemisch betrachtet ist ein gutes Angebot an Linienverkehr jedoch oft auch dann sinnvoll, wenn die Linien an Randzeiten wenig ausgelastet sind. Denn Fahrgäste, die über Randzeiten für den Öffentlichen Verkehr gewonnen werden, nutzen diesen oft auch an Hauptzeiten. Fehlt an Randzeiten und Wochenenden ein komfortables Angebot öffentlicher Verkehrsmittel, weichen viele auf den Pkw aus und nutzen diesen gewohnheitsmäßig auch werktags bei gutem Angebot. Ein gutes Angebot an Randzeiten erhöht somit auch die Nutzung in der Hauptverkehrszeit.65

Solche Nachfragesteigerungen bei substanziell besserem Angebot lassen sich oft beobachten. Auf der Linie 550 von Hainburg nach Wien fahren seit einer Taktverdichtung im Jahr 2021 um die Hälfte mehr Personen. Auch die Fahrgastzahlen im Stadtbus Krems stiegen binnen zwei Jahren um 50 Prozent auf rund 525.000. Vorausgegangen war ebenfalls eine Intervallverdichtung und die Ausdehnung von vier auf sieben Linien.75 Beim Citybus Traun verdreifachte sich sogar die Zahl der Fahrgäste vom Jahr 2017 bis 2021 nach Einführung dichterer Intervalle und der Ausdehnung der Betriebszeiten auf das Wochenende.153

Busse als leistungsfähige Schnellverbindungen

Entlang von Hauptverkehrsrouten zwischen Ballungsräumen oder zwischen Bahnstrecken verlaufen die Linien des hochrangigen Busverkehrs. Hauptmerkmale sind direkte Linienführung, Taktfahrplan und ein täglich oder zumindest werktäglich vorhandenes Angebot. Sogenannte Express- oder Schnellbusse pendeln mit nur wenigen Zwischenstopps zwischen zentralen Orten oder dienen als Zubringer aus der Region in wirtschaftliche Zentren. Zum Einsatz kommen sie oft bei fehlenden Bahnverbindungen. Von Wien aus erstreckt sich ein Schnellbusnetz in zahlreiche Orte in Niederösterreich und dem Burgenland, von Graz aus ein weiteres in steirische Gemeinden und in St. Pölten enden die „Wieselbusse“ aus allen Teilen Niederösterreichs.172,186 Schnellbusse nutzen auch Autobahnen und Schnellstraßen. Zur Beschleunigung dürfen seit August 2023 Linienbusse auf der Mühlkreisautobahn A7 bei Stau auch den Pannenstreifen nutzen, wovon etwa 50 Busse pro Tag Gebrauch machen.102 Seit Beginn der Tunnel-Sanierungen im September 2023 dürfen Busse auch auf der Tauernautobahn A10 den Pannenstreifen nutzen.104  Eigene Busspuren auf Autobahnen gibt es seit dem Jahr 2019 in Nordirland auf den Autobahnen M1 und M2, welche die Region mit Belfast verbinden, oder auch zwischen Bocholt und Antwerpen in Belgien.37,180

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Per Schnellbus aus dem Südburgenland nach Graz und Wien

Mangels leistungsfähiger Schieneninfrastruktur ist die Anbindung des Südburgenlands an Wien und Graz mit Öffentlichem Verkehr hauptsächlich über Schnellbusse sichergestellt. Seit der Einrichtung der Schnellbuslinien B1 und B2 im Jahr 2021 dauert eine Fahrt aus den Bezirksstädten Güssing und Oberwart nach Graz jeweils 90 Minuten, eine Reduktion der Fahrzeiten um rund ein Viertel gegenüber davor. Seit September 2023 werden zusätzliche Fahrten angeboten. An Sonn- und Feiertagen wurde das Angebot auf vier Fahrten pro Tag und Richtung verdoppelt, an Samstagen mit vier Verbindungen neu eingeführt und an Werktagen von acht auf neun erhöht. Mit der Linie B01 (G1 bis Anfang September 2023) sind die Fahrgäste in nur zweieinhalb Stunden von Güssing über Oberwart in Wien. Die Schnellbuslinien verkehren im Tarifverbund des VOR.

Auch abseits von Autobahnen können Busspuren den regionalen Busverkehr beschleunigen. Auf der Mattseer Landesstraße zwischen Elixhausen und Ursprung in Salzburg entsehen bei bis zu 15.000 Fahrzeugen pro Tag oft Staus. Seit dem Jahr 2018 umfahren die Busse aus dem Flachgauer Seenland in die Stadt Salzburg diese Staus via Busspur, errichtet von Gemeinde und Land über einen Mobilitätsvertrag. Auf dem nur 900 Meter langen Abschnitt gewinnen die Busse bis zu zehn Minuten, seither gibt es kaum Verspätungen und das Fahrgastaufkommen ist deutlich gestiegen. Die Gemeinde Elixhausen führt den Zuwachs zum Teil auf das attraktiver gewordene Tarif- und Ticketsystem im Bundesland zurück, betont aber vor allem auch den Effekt, dass den Stau bildende Autofahrerinnen und Autofahrer durch die zügig vorbeifahrenden Busse zum Umstieg animiert werden. Vorarbeiten für eine Verlängerung der Busspur sind daher bereits im Laufen.13,103,132

Auch intelligente Ampelanlagen können den Busverkehr beschleunigen. In der Tiroler Gemeinde Aldrans verschafft an einer ansonsten ungeregelten Kreuzung eine Ampel sich nähernden Bussen Vorrang.84 In Salzburg-Mayrwies an der Strecke aus dem Flachgau in die Stadt Salzburg sendet der Bus ein Signal an die Ampel am Ende der Busspur und kann sich anschließend rasch wieder in den Kfz-Verkehr einordnen.11

Verknüpfung von Bus und Bahn optimieren

Attraktiver Busverkehr zeichnet sich auch durch optimale Verknüpfung mit dem Bahn-Angebot aus. Fahrgäste müssen sich auf das Funktionieren der gesamten Mobilitätskette verlassen können.

Mindeststandard für eine gute Bahn-Bus-Verknüpfung ist eine gute Ausschilderung und kurze Wege zu den einzelnen Verkehrsmitteln. Optimale Verhältnisse liegen dann vor, wenn Bushaltestelle und Bahnhof eine barrierefreie bauliche Einheit bilden – sei es mit Busterminal direkt neben den Gleisen wie am Bahnhof Seefeld in Tirol oder mittels gemeinsam von Bus und Bahn genutztem Fahrgaststeig samt Wartebereich wie an der Haltestelle Kammer-Schörfling in Oberösterreich.82,136 Die organisatorische Verknüpfung von Bahn und Bus erfolgt durch ein gemeinsames Tarifsystem, ein integriertes Taktsystem sowie eine institutionalisierte Anschlusssicherung. Das gemeinsame Tarifsystem ist in Österreich weitgehend umgesetzt, bereits seit den 1980er-Jahren existieren regionale Verkehrsverbünde mit Einheitstarifen und wechselseitiger Ausgabe und Anerkennung von Tickets. Die ÖBB haben ebenfalls in den 1980er-Jahren begonnen, Taktfahrpläne auf den wichtigsten Bahnstrecken einzuführen. Einen integrierten Takt zwischen Bahn und Bus – mit ebenfalls getakteten Bussen – gibt es aber bis heute nicht. Anders in der Schweiz. Dort verkehren die Bahn sowie die Überlandbusse der Post seit dem Jahr 1982 im sogenannten „integralen“ Taktfahrplan.55

Anschlusssicherung flächendeckend umsetzen

Wenig etabliert ist in Österreich bislang eine Anschlusssicherung, die den Fahrgästen ein pünktliches Erreichen des Fahrziels gewährleisten soll. Die Fahrgäste sollen dabei trotz etwaiger Verspätungen zeitnah weiterkommen können.181

Rufbussystem und Linienverkehr gemeinsam planen

Unter dem Namen VOR Flex Mostviertel West betreibt der Verkehrsverbund Ost-Region seit Juli 2023 in 13 Gemeinden im niederösterreichischen Bezirk Amstetten ein flexibles Mobilitätsangebot mit fünf batterie-elektrischen Kleinbussen. Fahrgäste können an 400 Sammelstellen ein- und aussteigen, auch an den Haltestellen der regionalen Linienbusse. Auf Wunsch steuern die Busse auch umliegende Bahnhöfe, Krankenhäuser und andere Sammelstellen außerhalb des eigentlichen Bediengebiets an. Die Rufbusse verkehren montags bis samstags zwischen 5:30 und 20 Uhr und können zwischen 30 Tagen und 60 Minuten vor Abfahrt telefonisch oder via App zum regulären VOR-Tarif gebucht werden. Auch das Klimaticket und andere Zeitkarten sind gültig, ansonsten ist die Bezahlung bar, mit Karte oder in der App möglich. Die App bietet zudem gemeinsame Routenplanung von Rufbus und Linienverkehr und zeigt ab 30 Minuten vor Abfahrt den aktuellen Standort des Busses.

Voraussetzung ist eine gute Kooperation zwischen  Bahn- und Busunternehmen. Es gibt zwar Schritte in diese Richtung, wie integrierte Informationsplattformen und gemeinsame Monitoranzeigen an Haltestellen, am Kernelement einer garantierten Reisekette mangelt es jedoch zumeist. Vorreiter bei der Anschlusssicherung ist der Verkehrsverbund Vorarlberg, der bereits Anfang der 2000er-Jahre erste Versuche unternommen hat. Mittlerweile wird bei der Fahrplangestaltung das Umsteigen mitgeplant. Soweit möglich soll die Wartezeit gering ausfallen, die für den Umstieg benötigte Zeit jedoch nicht zu knapp sein. Da das im Gesamtsystem nicht widerspruchsfrei möglich ist, werden jene Umstiege mit vielen Fahrgästen priorisiert. Zusätzlich gibt es eine elektronische Anschlussüberwachung von Bus zu Bus in Echtzeit. Die Lenkerinnen und Lenker sehen so, ob Zubringer verspätet sind und können rückfragen, ob sich darin Personen mit Umsteigewunsch befinden. Abhängig von Verspätung, Verkehrslage und Intervalldichte wartet dann der Anschlussbus.10

Der Verkehrsverbund Ost-Region ist ebenfalls bemüht, ein System der Anschlusssicherung aufzubauen. Beginnend im Jahr 2020 mit den Linien der Regionen Mostviertel, Neunkirchen, St. Pölten Regional, Waldviertel und Wienerwald werden die Standorte von Zügen und Bussen in Echtzeit erfasst. Das Fahrpersonal erhält am Bordcomputer Informationen über Verspätungen von Zubringern und wartet mit der Abfahrt bis zu zehn Minuten auf das verspätete Fahrzeug.171

Die Grafik zeigt, dass es bereits viele flexible Angebote in Österreich gibt
In allen Bundesländern Österreichs gibt es bereits nachfragebasierte Mobilitätsangebote. Der Großteil fährt sowohl zeitlich als auch räumlich flexibel nach Bedarf, rund ein Viertel verkehrt zwischen Haltestellen und orientiert sich an Fahrplänen.

Flexible Angebote als Zubringer und Ergänzung

Insbesondere dünn besiedelte und zersiedelte Regionen sind durch den Öffentlichen Verkehr nur lückenhaft erschlossen. Rund die Hälfte der Bevölkerung sieht eingeschränkte Betriebszeiten an Randzeiten und Wochenenden als große Barriere bei dessen Nutzung.77 Nachfragebasierte Mobilitätsdienstleistungen können jedoch den klassischen Linienverkehr ergänzen, um das öffentliche Angebot auch zu diesen Zeiten sicherzustellen. Rufbusse etwa fahren zwar nach Fahrplan und steuern Haltestellen zu festen Zeiten an, verkehren jedoch nur, wenn sie davor von Fahrgästen angefordert werden. Gibt es keinen angemeldeten Bedarf, fällt die Fahrt aus.19 Rufbusse gibt es etwa an den dünner besiedelten Rändern Wiens, auch Gerasdorf in Niederösterreich ist via Rufbuslinie 25B an das Netz der Wiener Linien angebunden.177 Im Gegensatz dazu sind Anrufsammeltaxis meist unabhängig von Linien und Haltestellen und kommen an alle Adressen innerhalb definierter Bedienzonen. In der Praxis werden beide Konzepte oft miteinander kombiniert und die Grenzen verschwimmen. So funktionieren die Anrufsammeltaxis des Verkehrsverbunds Tirol wie Rufbusse, der „Ruf:Mi“ Rufbus in Mittelkärnten wie ein Anrufsammeltaxi.130,174 Die Bedarfsanmeldung erfolgt üblicherweise 30 bis 60 Minuten vor dem gewünschten Fahrtantritt entweder online oder per Telefon, bei den Wiener Rufbussen reichen 15 Minuten. In Wien sind auch Daueraufträge für konkrete Fahrten des Rufbusses möglich.178

Um die Vorteile voll zu entfalten, sollten solche flexiblen Mobilitätsangebote als integrale Bestandteile des Öffentlichen Verkehrs geplant und finanziert werden. Rufbusse und Anrufsammeltaxis sollten in den üblichen Tarif-, Ticket- und Beauskunftungssystemen integriert sein. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren sind umfangreiche Betriebszeiten sowie die Qualität und Ausstattung der eingesetzten Fahrzeuge. Das „Gmoa-Bus“ genannte Anrufsammeltaxi im burgenländischen Breitenbrunn am Neusiedler See ist etwa auch für Personen mit Rollstuhl barrierefrei nutzbar. Auch das Vorhandensein von Kindersitzen und die mögliche Mitnahme von Fahrrädern oder Gepäck erhöhen die Attraktivität.20,21

Rechtsrahmen für Integration flexibler Mobilitätsangebote verbessern

Flexible Mobilitätsangebote weisen gegenüber dem Linienverkehr in gewissen Regionen und Kontexten Vorteile auf und können als Instrument für ein flächendeckendes Zusatzangebot auch in dünn besiedelten Regionen genutzt werden. Der rechtliche Rahmen hinsichtlich Bedarfsverkehr als Teil des Öffentlichen Verkehrs spiegelt die gängige Praxis und aktuelle Entwicklungen nur unzureichend wider. Die unterschiedlichen Regelungen im Bedarfs- und Linienverkehr bezüglich Fahrzeuggrößen, Fahrberechtigungen, Konzessionen und weiteren Aspekten erschweren derzeit oft eine kombinierte Planung und Umsetzung.35 Für das Ziel eines integrierten Gesamtsystems ist die Weiterentwicklung bestehender Angebote notwendig. Dabei sind Erfahrungen aus Pilotprojekten sowie Interessen verschiedener Stakeholder und Verkehrsunternehmen zu berücksichtigen.157 Eine Erhebung von Herausforderungen und Sammlung von Lösungsansätzen erfolgt aktuell im Rahmen des Projekts „SlimMobility“.106 Gute Beispiele der Integration von flexiblen Angeboten in den Öffentlichen Verkehr sind das „Loigom Shuttle“ in Leogang und VOR Flex-Angebote in Niederösterreich, insbesondere für das westliche Mostviertel, wo eine kombinierte Ausschreibung für den regionalen Linien- und Bedarfsverkehr erfolgte.134,173

Lückenloses Angebot durch Busse

  • Regionalbusse sind Leistungsträger des Mobilitätsangebots in Regionen. Anschlusssicherung und ein Österreich-Takt sind wichtige Ausbauziele.
  • Schnellbusse verdienen mehr Beschleunigungsmaßnahmen und eigene Fahrspuren, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Staureduktion leisten.
  • Rufbus und Anrufsammeltaxi ergänzen Linienverkehre – und müssen als Teil eines integrierten Gesamtsystems organisiert und finanziert werden.