Einfache Nutzung durch integriertes Gesamtangebot ermöglichen
Über das Smartphone ermöglichen Mobilitätsplattformen einen einfachen Zugang zu integrierten Mobilitätsangeboten, bestehend aus Öffentlichem Verkehr und neuen Mobilitätsdienstleistungen. Mobilitätszentralen sind vor allem für Regionen attraktive Eingangstore und Anlaufstellen für öffentlich zugängliche Mobilitätsangebote. Mobilitätsstationen bündeln Angebote räumlich und werten Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs auf.
Klassischer Öffentlicher Verkehr mit Bahn oder Bus ist allgemein zugänglich, nach einem Fahrplan auf definierten Linien mit festen Haltestellen und zu fixen Tarifen unterwegs.114 Auch in ländlichen Regionen erfüllt dieses Angebot das Grundbedürfnis an überörtlicher Mobilität für Menschen ohne Zugang zu einem Privatauto.
Klassisches Bus- und Bahnangebot durch flexible Mobilitätsangebote ergänzen
In dünn besiedelten Gebieten und zu Schwachlastzeiten kann es im klassischen Linienbetrieb zu geringen Auslastungen bis hin zu Leerfahrten kommen.80 Eine rein betriebswirtschaftliche Logik sähe vor, das Angebot in Schwachlastzeiten zu reduzieren, um Betriebskosten zu sparen. Im Gesamtsystem hat eine solche Logik jedoch oft zur Folge, dass der Öffentliche Verkehr aufgrund eines reduzierten Angebots insgesamt an Attraktivität verliert und weitere Fahrgäste sich nach Alternativen umsehen – was zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale führt. In Folge verringert sich die Auslastung weiter, was wiederum in einer weiteren Ausdünnung des Angebots mündet. Personengruppen, die besonders auf den Öffentlichen Verkehr angewiesen sind – etwa ältere Menschen oder Kinder und Jugendliche – werden dadurch in ihrer Mobilität stark eingeschränkt.114
Um trotz phasenweise niedriger Nachfrage ein attraktives Angebot aufrecht erhalten zu können, bieten sich für manche Regionen flexible Bedienformen, wie etwa Anrufsammeltaxis oder Rufbussse, als Ergänzung zum klassischen Taktlinienverkehr an. Diese sollen auch in Schwachlastzeiten ein attraktives Angebot bei vertretbaren Betriebskosten bieten, um aus dem Teufelskreis der Ausdünnung des Angebots besonders in stark zersiedelten Regionen auszubrechen. Als Sammelbegriff für derartige lokale und regionale Angebote, welche auch die Anbindung an die klassischen Bahn- und Buslinien sicherstellen, hat sich die Bezeichnung Mikro-ÖV etabliert.114
Bahnhof Lienz als Mobilitätsdrehscheibe für Osttirol
Der Bahnhof Lienz wurde in den Jahren 2019 bis 2022 zu einem Mobilitätszentrum für die Region umgestaltet. Dank einer barrierefreien Unterführung für Gehende und Radfahrende sowie einer neuen Brücke über die Drau in den südlichen Teil von Lienz hat sich die Erreichbarkeit des Bahnhofs erheblich verbessert. Ein neu errichteter Bahnsteig dient als Radbahnsteig und erleichtert mit ebenerdigem Zugang direkt vom Drauradweg den rund 150.000 Radfahrgästen pro Sommer den Umstieg. 270 Radabstellplätze, davon 140 in einer überdachten Bike-and- Ride-Anlage sowie ein Radverleihzentrum runden das Angebot für Radfahrende ab. Auch der Umstieg zwischen Bahn und Bus wurde deutlich attraktiver. Der Busbahnhof wurde näher an den Bahnhof gerückt, die Busse sind nun nur noch wenige Meter von den Bahnsteigen entfernt. Eine Überdachung der Busterminals ist für die Fahrgäste ein Witterungsschutz und ermöglicht zudem Stromerzeugung durch Photovoltaik.
Vom Öffentlichen Verkehr zu öffentlich zugänglichen Mobilitätsangeboten
Nicht zuletzt durch die fortschreitende Digitalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten und Angebote in der Mobilität, etwa in den Bereichen Car-, Bike- oder Scootersharing. Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen traditionellem Öffentlichen Verkehr und individueller Mobilität zunehmend. Individuelle Mobilität wird durch das gemeinsame Nutzen von Fahrzeugen sowie geteilte Fahrten öffentlicher, der Öffentliche Verkehr hingegen wird durch neue, nachfragebasierte Angebote individueller.49. Der Wandel in Richtung größere Vielfalt an öffentlich zugänglichen Mobilitätsangeboten kann insbesondere auch in den Regionen außerhalb der Ballungszentren einen wichtigen Beitrag zu einem effizienten und klimaverträglichen Verkehrssystem leisten. Voraussetzung dafür ist, dass dieses An-
gebot niederschwellig und einfach zu nutzen ist.
Digitale Mobilitätsplattformen als Voraussetzung für integriertes Gesamtangebot
Grundvoraussetzung für die Akzeptanz integrierter Mobilitätsangebote ist die niederschwellige Nutzbarkeit. Das beinhaltet alle Angebote, die es ermöglichen, unterschiedliche Verkehrsmittel je nach Bedarf zu nutzen, ohne diese selbst besitzen und fahrbereit halten zu müssen. Mobilität wird somit zur Dienstleistung. Wichtige Elemente dafür sind universelle digitale Buchungssysteme, die Echtzeit-Routenplanung und den Kauf von Tickets über das Angebot einzelner Betreiber und Verkehrsverbünde hinweg ermöglichen.86,190 Dank der Digitalisierung können Kundinnen und Kunden mittlerweile vielerorts aus einem breiten Mobilitätsangebot aus Bus und Bahn, Anrufsammeltaxis und Rufbussen sowie unterschiedlichen Leihfahrzeugen auswählen.49 Dadurch rückt das Nutzen beziehungsweise Befriedigen von Mobilitätsbedürfnissen anstelle des Fahrzeugbesitzes in den Mittelpunkt. Mit welchem Verkehrsmittel oder Verkehrsunternehmen die Nutzung geschieht, wird zweitrangig. Wichtiger sind Servicedesign, Komfort und Preis. Bei entsprechender Qualität kann das Konzept von Mobilität als Dienstleistung daher für viele Menschen den Besitz eines eigenen Pkw überflüssig machen.
Bleiben Sie auf dem Laufenden
Sharing und Shuttle via App in Baden
Die Stadt Baden bietet seit September 2022 in Kooperation mit der Plattform ÖBB 360° ein Bündel an Leihfahrzeugen. Zentrales Element aller Angebote ist die App „wegfinder“. Im ersten Jahr legten die in 40 Abstellzonen zur Verfügung stehenden 70 E-Scooter mehr als 66.000 Kilometer zurück. Zusätzlich gibt es 30 Citybikes, die Hälfte davon mit Elektro-Antrieb, und vier E-Pkw. In einer Bike Lounge können zudem tageweise (E-)Mountainbikes und E-Treckingbikes für Ausflüge und touristische Zwecke geliehen werden. Ebenfalls via wegfinder-App können Gäste einen Shuttledienst zwischen den Badener Hotels und den Bahnhöfen Baden, Wiener Neustadt und Wien Hauptbahnhof sowie dem Flughafen Wien buchen. Ähnliche Kooperationen mit ÖBB 360° gibt es auch in Korneuburg, Waidhofen/Ybbs, Bad Ischl und Leoben.
Mobilitätszentralen als regionale Einstiegstore zu öffentlich zugänglichen Mobilitätsangeboten
Mobilitätszentralen sind bereits länger etablierte Bestandteile der Mobilitätsplanung. Sie sind Serviceeinrichtungen, die Informationen und Dienstleistungen rund um die Mobilität im persönlichen Kontakt anbieten und übergreifend alle verfügbaren Verkehrsmittel bündeln.56 Die erste Mobilitätszentrale entstand im Jahr 1997 in Graz, heute gibt es insgesamt neun in allen Bundesländern außer in Wien und Vorarlberg. Gegenüber einfachen Kundencentern bieten Mobilitätszentralen ein vielfältigeres Angebot und vor allem im ländlichen Raum dienen sie als Einstiegstor zu integrierten Mobilitätsdienstleistungen. So versteht sich etwa die Mobilitätszentrale Burgenland seit dem Jahr 2006 sowohl als Informationszentrale für öffentlich zugängliche Mobilitätsangebote, als auch als allgemeine Servicestelle für klimaverträgliche Mobilität und Radverkehrskoordination. Darüber hinaus bietet sie Unterstützung beim Thema Mobilitätsmanagement für Gemeinden, Schulen und Betriebe sowie Projektmanagement für grenzüberschreitende EU-Mobilitätsprojekte. Mit der „Mobilinfo“ in Eisenstadt gibt es ein physisches Kundencenter, die Einrichtung einer zweiten Anlaufstelle in Oberwart zur besseren Abdeckung des südlichen Burgenlands ist in Kooperation mit den Verkehrsbetrieben Burgenland in Vorbereitung.2
Mobilitätsstationen bieten mehr Möglichkeiten
Mobilitätsstationen werten Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs durch zusätzliche Angebote auf und verknüpfen öffentliche und private Mobilität.18 Sie sollten gut erreichbar sein und einfaches Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr ermöglichen. Eine einfache Form sind Park-and-Ride- und Bike-and-Ride-Anlagen an Bahnhöfen oder Bikesharing an Haltestellen.
Mobilitätszentrale für den Pongau
Im Jahr 2001 gründeten die 25 Gemeinden des Pongaus in Salzburg die Mobilitätszentrale „Mobilito“. Das Kundencenter am Bahnhof Bischofshofen bietet persönliches Service mit Ticketverkauf für Bahn und Bus, Carsharing in Kooperation mit ÖBB Rail & Drive sowie ein Reisebüro. Mobilito koordiniert und bestellt zudem den Pongau-Takt, das regionale Netz aus 20 Buslinien und drei Taxilinien mit insgesamt rund 740.000 Fahrplankilometern pro Jahr. Innerhalb der Gemeinden Werfen, Pfarrwerfen und Werfenweng gibt es ein gemeinsames Anrufsammeltaxi von und zu jeder Adresse sowie dem Bahnhof Bischofshofen. Seniorinnen und Senioren erhalten Beratungen zu speziellen Angeboten oder für die Bedienung der Fahrkartenautomaten. Ein Mobilitätscoach berät die Betriebe im Bezirk beim Mobilitätsmanagement für die autofreie An- und Abreise von Angestellten, Kundinnen und Kunden sowie im Tourismus.
Mobilitätsstationen stellen jedoch zunehmend auch weitere Mobilitätsangebote zur Verfügung, etwa absperrbare Fahrradboxen, Scooter- und Carsharing sowie Ladesäulen für E-Fahrzeuge oder auch Platzierung von Paketstationen. Darüberhinaus können Mobilitätsstationen Informationen zum verfügbaren Angebot gebündelt vermitteln – in Kombination mit Mobilitätszentralen auch in Form persönlicher Ansprechpersonen.18
Ursprünglich waren Mobilitätsstationen ein eher städtisches Phänomen. Die deutsche Stadt Bremen eröffnete als Vorreiterin bereits im Jahr 2003 die ersten „mobil-Punkte“ genannten Mobilitätsstationen.18 In Wien wird das Angebot kontinuierlich ausgebaut, derzeit gibt es bereits mehr als 200 „WienMobil Stationen“.179 Mittlerweile hat sich die Einrichtung von Mobilitätsstationen auch auf Regionen ausgeweitet. Ein Beispiel dafür sind die regionalen Mobilitätsstationen des Mobility.Labs Niederösterreich. Im Projekt „Lisa.Weinviertel“ etwa arbeiten elf Gemeinden zusammen.e Entlang zweier neuer Regionalbuslinien verkehren batterie-elektrische Busse mit ganztägig dichtem Takt und ausgedehnten Betriebszeiten. Einige Bushaltestellen wurden zu Mobilitätsstationen mit einheitlichem Design aufgewertet. Sie sind beleuchtet, witterungsgeschützt und bieten Informationen zu den Angeboten. Je nach Standort gibt es zusätzlich erweiterte Radabstellplätze, mehr Sicherheit für Fahrräder durch verschließbare Radboxen, E-Carsharing-Stellplätze und Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge.
Nach dem Vorbild von „tim Graz“ entstehen seit dem Jahr 2019 in den Bezirken Graz-Umgebung und Voitsberg die Mobilitätsstationen des Projekts „tim Steirischer Zentralraum“. Im Juli 2023 gab es in den beiden Bezirken bereits 15 Mobilitätsstationen in 13 Gemeinden. Die tim-Standorte verknüpfen Abstellplätze für Fahrräder und Pkw, E-Lastenrad- und E-Carsharing und öffentliche Ladesäulen für Elektro-Autos mit dem Öffentlichen Verkehr und Anrufsammeltaxis. Derzeit nutzen mehr als 500 Personen das Angebot, 60 Prozent davon sind zwischen 35 und 55 Jahre alt. Mehr als 80 Prozent der Nutzenden erreichen die Standorte gehend oder mit dem Fahrrad. Der in einer Befragung im Jahr 2021 am häufigsten angegebene Grund für die Nutzung war der Ersatz für einen Zweitwagen, knapp dahinter der Nichtbesitz eines eigenen Pkw. Insgesamt können an den 15 Standorten 18 E-Pkw und 10 E-Lastenräder entliehen werden. Die Zahl der Standorte soll weiter ansteigen, insbesondere sollen neue Mobilitätsstationen auch in Wohnbauprojekte integriert werden.12
Die Integration von Mobilitätsstationen in Wohnhaus- und Geschäftsanlagen betreibt der kommerzielle Anbieter Trafico in der Schweiz. Die sogenannten Trafikpoints werden entweder als Teil von Mobilitätskonzepten bei Neubauten oder im Auftrag von Unternehmen für Kundschaft oder auch exklusiv für Mitarbeitende errichtet. Sie dienen als Standplatz und Ladestation für E-Autos, E-Bikes, E-Lastenräder, E-Motorroller und E-Scooter des Betreibers, auch Fahrradpumpen sind vorhanden. Buchung und Zugang zu den Fahrzeugen erfolgen per App.154
Eine Karte für alle Mobilitätsangebote
Flexible Mobilitätsangebote an der Schnittstelle zwischen privatem und Öffentlichem Verkehr ergänzen zunehmend das klassische Angebot von Bus und Bahn. Mobilitätszentralen bilden attraktive Einstiegstore zu diesem vielfältigen Gesamtangebot. Mobilitätsstationen bündeln die Angebote örtlich und werten herkömmliche Haltestellen zu multifunktionalen Mobilitätsdrehscheiben auf. Digitale Mobilitätsplattformen als App oder Webanwendung ermöglichen den einfachen und integrierten Zugang zu Bus und Bahn, nachfragebasierten Fahrdiensten und verschiedenen Sharing-Angeboten. Ziel dieser zunehmenden Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel ist ein einfach nutzbares, integriertes Gesamtsystem aller öffentlich zugänglichen Mobilitätsangebote, das zukünftig mit einem Zugang oder einer Mobilitätskarte zur Verfügung steht.49
Der Verkehrsverbund Hannover begann bereits zum Jahrtausendwechsel als einer der ersten, nachfragebasierte Angebote sowie Sharing- und Taxidienste in eine Mobilitätskarte zu integrieren.49 Auch die Schweiz nimmt mit dem Projekt „SwissPass“ eine Vorreiterrolle ein.138 Mit der Option des SwissPass Plus sind neben dem Öffentlichen Verkehr auch Angebote von Partnerdiensten nutzbar. Er bietet Zugang zu Car- und Bikesharing, Parkgaragen für Fahrräder und Pkw sowie Ladestellen für Elektro-Autos. Zusätzlich lassen sich Angebote aus Kunst und Kultur, Ausflüge, Sport und Übernachtungen mit dem SwissPass Plus buchen und bezahlen.139 In Österreich hat der Verkehrsverbund Vorarlberg das im Jahr 2021 eingeführte Angebot des Klimaticket Vmobil um die Möglichkeit eines Mobilitätsguthabens für Radabstellboxen erweitert.176
Integriertes Gesamtangebot schaffen
- Wichtige Haltestellen durch Zusatzangebote zu Mobilitätsstationen mit einfachen Umsteigemöglichkeiten zu anderen Verkehrsmitteln aufwerten.
- Linienverkehr und nachfragebasierte Zusatzangebote sowie Sharing in digitalen Mobilitätsplattformen für einfache Nutzung integrieren.
- Regionale Mobilitätszentralen als Eingangstor und Koordinationsstelle für öffentliche Mobilitätsangebote und bewegungsaktive Mobilität ausbauen.
- Mobilitätskarte als Schlüssel zu integriertem Gesamtangebot schaffen.