Sharing als Teil des öffentlichen Mobilitätsangebots

Vielfältige Sharing-Angebote stellen einen wachsenden Markt in der Mobilität dar und können zur Reduktion der Anzahl privater Pkw und zu Synergieeffekten mit dem Öffentlichen Verkehr beitragen. Besonderes Potenzial für Sharing liegt in der Integration in den Wohnstandort und in der gesamthaften Betrachtung mit dem Öffentlichen Verkehr.

In Österreich nutzten im Jahr 2022 rund 440.000 Menschen Car- oder Bikesharing, 30.000 mehr als vor der Covid19-Pandemie.147 Bis zum Jahr 2027 könnte die Zahl auf 610.000 anwachsen. Typische Nutzende von Sharing sind jüngeren bis mittleren Alters, mit höherem Einkommen und höherem formalen Bildungsabschluss oder Personen mit multimodalem Mobilitätsverhalten aber ohne eigenen Pkw.64,92,131 In urbanen Gebieten sind mehr Sharing-Fahrzeuge verfügbar als in ländlicheren Regionen.41 Die Kombination flexibler Sharing-Angebote mit dem Öffentlichen Verkehr ist jedoch gerade in diesen weniger dicht besiedelten Regionen ein wichtiger Baustein zur Mobilität unabhängig vom Privat-Pkw.

Einige Städte und Gemeinden finanzieren eigene Fahrradverleihsysteme. Betrieben werden diese in Österreich großteils vom kommerziellen Anbieter Nextbike, der auch WienMobil Rad, City Bike Linz, Stadtrad Innsbruck und VVT Regiorad Tirol betreut. Österreichweit hat Nextbike im Jahr 2023 fast 5.300 Fahrräder in mehr als 30 Gemeinden im Einsatz. Die Schwerpunkte liegen in Wien mit 57 Prozent aller Leihräder und in Niederösterreich mit 20 Prozent. Es gibt aber auch mehr als 500 in Tirol, 450 in Linz und 230 in Klagenfurt.14 Auch das Teilen von Transporträdern verbreitet sich, etwa mittels smarter Verleihbox über Radverteiler.at, unter anderem in Mattersburg, St. Pölten, Salzburg oder Graz.123 Andere Plattformen für Transporträder sind fairvelo und Grätzlrad.

Stärkere Nutzung von Fahrrad und Öffentlichem Verkehr durch stationsbasiertes Carsharing

Das Potenzial für Effizienzgewinne durch Carsharing in Österreich ist hoch, denn es sind nie mehr als zehn Prozent der privaten Pkw gleichzeitig unterwegs.165 Der Umstieg auf Carsharing bewirkt, dass häufiger Wege mit dem Fahrrad und dem Öffentlichen Verkehr zurückgelegt werden. 15 Prozent von in Deutschland Befragten fahren demnach öfter, nur fünf Prozent seltener mit dem Fahrrad. Auch bei der Nutzung des Öffentlichen Verkehrs gibt es einen leichten Zugewinn durch den Umstieg auf Carsharing – 19 Prozent fahren häufiger, 14 Prozent seltener. Diese Verhältnis verbessert sich mit 23 zu 3 Prozent jedoch deutlich bei jenen, die durch Carsharing zumindest einen eigenen Pkw eingespart haben.74 Diese Wirkung entsteht weitgehend bei stationsbasiertem Carsharing. Dessen Kundinnen und Kunden legen innerstädtisch vermehrt Kurzstrecken mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Umgekehrt stehen genau diese Wege bei der Nutzung von free-floating-Carsharing ohne fixe Standplätze im Mittelpunkt.73

In Österreich existierten im Juli 2023 mehr als 110 Carsharing-Angebote, in etwa jeweils zur Hälfte kommerziell oder von Vereinen und mit unterschiedlich großen Fahrzeugflotten und Betriebsgebieten.16 Vereine haben häufig kleinere Flotten und fokussieren auf kleinere räumliche Gebiete, etwa Seestadt Mobil in Wien Aspern.140 Oder sie weisen wie der Verein Elfride einen geschlossenen Kreis an Nutzerinnen und Nutzern auf.16,45 Einzelne kommerzielle Anbieter, so etwa family of power, ÖBB Rail&Drive und die peer-to-peer Sharing-Plattform Getaround sind in ganz Österreich aktiv.16,g Allein ÖBB Rail&Drive hat rund 400 Fahrzeuge an 46 Standorten in 36 Städten.99 Free-floating-Carsharing bieten in Österreich ShareNow und Eloop nur in Wien an, in kleineren Städten ist free-floating für kommerzielle Anbieter oft nicht rentabel.16 Der Dachverband Carsharing Österreich verfolgt die Vernetzung des Angebots verschiedener Anbieter. Über Roaming können 90 Elektro-Fahrzeuge von Angeboten in fünf Bundesländern mit einheitlichem Tarif eingebucht und abgerechnet werden.33

Sharing als Ersatz für den eigenen Pkw

Eine Befragung von Carsharing-Nutzenden in 13 deutschen Städten ergab, dass jeweils ein Sharing-Pkw im Schnitt 15 Pkw in Privatbesitz ersetzt.74 In Berlin können sich rund die Hälfte aller Carsharing-Nutzenden vorstellen, durch Carsharing auf eigene Pkw zu verzichten.64 Dieses Potenzial zu heben wäre insofern wichtig, als sich die Anzahl der Zweit- und Dritt-Autos in Österreich von rund 700.000 im Jahr 2000 auf 1,35 Millionen im Jahr 2022 fast verdoppelt hat.151 Wesentlich für das Potenzial private Pkw einzusparen ist ein dichtes Netz an Sharing-Angeboten und die Kombination mit Öffentlichem Verkehr.

SwissPass – eine Mobilitätskarte für Öffentlichen Verkehr, Sharing und mehr

Auf der Basisversion des SwissPass der Schweizerischen Bundesbahnen lassen sich Dauerkarten wie das schweizweite Generalabonnement oder Rabattabos wie Halbtax für Bahn, Bus und Schiff speichern. Die Funktion SwissPass Plus eröffnet Zugang zu den Angeboten von 80 Partnerunternehmen – etwa Fahrräder, E-Bikes, E-Transporträder und (E-)Pkw verschiedener Sharing-Dienste. Der SwissPass funktioniert dabei auch als Zugangsschlüssel zu den Fahrzeugen. Ebenfalls geliehen werden können nachhaltige Umzugs- und Transportkisten. An E-Ladestationen und in Parkhäusern kann mittels SwissPass bezahlt werden. Darüber hinaus lassen sich auf den SwissPass auch Tickets für Freizeitangebote wie Ausflugsbahnen, Schipässe oder Festivalkarten speichern. Nicht zuletzt ist der SwissPass Schlüssel zu Bürogebäuden, Hotels, Coworking Spaces und Fitness Studios mit elektronischen Zugangssystemen.

Kleinstädtisches Sharing-Angebot aus einer Hand

Die steirische Kleinstadt Weiz bietet mit WeizBike und E-Carsharing auf einer Plattform gebündelt zwei Sharing-Systeme an. Nutzerinnen und Nutzer können nach einmaliger Registrierung an 14 Standorten – davon einer in der Nachbargemeinde St. Ruprecht an der Raab – 60 Fahrräder und 80 E-Bikes ausleihen. Für Carsharing stehen drei E-Autos zur Verfügung. Online einsehbar sind die Pkw-Standorte, die Zahl der in den einzelnen Stationen verfügbaren Fahrräder und ob der Akkustand der einzelnen E-Bikes ausreicht. Das Angebot kommt an. Für WeizBike gab es im September 2023 mehr als 1.000 Registrierte, für Carsharing knapp 300. Die Entlehnungen stiegen bei den Fahrrädern von etwa 6.500 im Jahr 2021 auf rund 9.900 im Jahr darauf und von rund 2.850 Carsharing-Fahrten im Jahr 2020 auf 4.150 im Jahr 2022.

Gerade auch Sharing-Angebote am Wohnstandort haben hohes Potenzial. Speziell der Wohnungsneubau bietet sich für einen Umstieg auf Sharing an, da der Umzug ein Gelegenheitsfenster für neue Mobilitätsroutinen bietet.66 Nicht nur größere Städte wie Wien oder Graz ermöglichen daher die Reduktion der vorgeschriebenen Pkw-Stellplätze, wenn öffentlich zugängliche Mobilitätsangebote oder Sharing zur Verfügung stehen. Beispiele sind etwa die Wohnanlage Herzfelderhof in Wiener Neudorf sowie der Verein s.mobil, der im Salzburger Flachgau in Seekirchen, Obertrum und Mattsee ein Carsharing-Angebot betreibt.46,168 Im Maronihof in Bregenz hat sich wiederum peer-to-peer Carsharing etabliert.156 Ein kommerzieller Anbieter für die Planung von Sharing-Angeboten für Wohnhäuser, Bürostandorte, Stadtquartiere und Regionen ist MO.Point. Das Unternehmen betreibt zudem selbst Fahrzeugsharing in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich.90

Die Grafik zeigt, dass viele mit dem Auto zurückgelegten Arbeitswege eingespart werden können
In Oberösterreich fahren neun von zehn Auto-Pendelnden alleine. Mehr als die Hälfte wäre jedoch bereit für Fahrgemeinschaften.

Sharing als Ergänzung zum Öffentlichen Verkehr

Sharing kann insbesondere in Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte auch Lücken im Angebot des Öffentlichen Verkehrs ausgleichen.41,42,64 Diese sind jedoch aus Sicht kommerzieller Sharing-Betreiber weniger lukrativ. Peer-to-peer-Angebote zwischen Privaten sowie finanzielle Unterstützung durch die Öffentliche Hand sind daher oft Voraussetzung für Synergien zwischen Sharing und Öffentlichem Verkehr am Land. Sharing-Standorte sollten bei der Entwicklung des Öffentlichen Verkehrs mitgeplant und multimodale Knoten für den einfachen Umstieg errichtet werden. Die digitale Integration ermöglicht die gemeinsame Buchung von Öffentlichem Verkehr und Sharing-Fahrzeugen. Auch eine tarifliche Integration ist anzustreben, etwa durch Rabatte beim Erwerb von Zeitkarten.41

Die räumliche Nähe zwischen Sharing-Fahrzeug und Öffentlichem Verkehr ist – neben der Nähe zu Geschäften und Versorgungseinrichtungen – von großer Bedeutung für den Erfolg multimodaler Knoten.59 Vielfach betreiben Verkehrsbetriebe auch selbst Sharing-Angebote. So bietet ÖBB Rail & Drive Carsharing in 36 Städten mit rund 400 Fahrzeugen an.99 Weitere Beispiele sind WienMobil, tim in Graz, dem steirischen Zentralraum sowie in Linz oder die Integration von Sharing-Angeboten in die Verkehrsverbünde Vorarlberg und Tirol. Alle zeichnen sich durch gemeinsame Vermarktung der Angebote und tarifliche Vorteile bei Zeit- oder Ermäßigungskarten für den Öffentlichen Verkehr aus. In Tirol können die regionalen Angebote flo Mobil, Beecar und Flugs als Zusatz zur Jahreskarte des Öffentlichen Verkehrs gekauft werden.175 Auch die Schweizer Bundesbahnen haben ein umfassendes Carsharing-Angebot und die Deutsche Bahn betreibt Bikesharing.39,137

Sharing kann den Öffentlichen Verkehr jedoch nicht ersetzen. Menschen mit körperlichen Einschränkungen, fehlender Lenkberechtigung, ohne Smartphone oder Bankkonto können Sharing nicht oder nur eingeschränkt nutzen, zudem kann die Verfügbarkeit von Fahrzeugen nicht garantiert werden.142

Attraktive Rahmenbedingungen für Sharing-Angebote setzen

Um mit Carsharing die Anzahl der Privat-Pkw reduzieren zu können, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen. Ein wesentlicher Hebel ist die Reduktion der vorgeschriebenen Pkw-Stellplätze im Wohnbau. Die Bundesländer regeln diese Vorgaben unterschiedlich. Meist handelt es sich um ein Minimum an Pkw-Stellplätzen, die zu errichten sind. Sinnvoller wären räumlich differenzierte Spannbreiten.64,131,141 Auch städtebauliche Verträge bieten sich an, um öffentlich zugängliche Mobilitätsangebote in Siedlungsgebieten zu etablieren. Sie werden in Österreich jedoch relativ selten und nur für sehr große Entwicklungsgebiete genutzt – Mobilität spielt dabei zudem bisher nur eine Nebenrolle. In Graz werden sogenannte Mobilitätsverträge meist angewendet, wenn es sich um große Planungsgebiete mit guter Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln handelt und durch das Projekt Kapazitätsmängel in der bestehenden Verkehrsin- frastruktur erwartet werden. Inhalte der Verträge sind Maßnahmen von der Aufschließung bis hin zu ergänzenden Mobilitätsdienstleistungen.141 So lassen sich auch Sharing-Maßnahmen privatrechtlich durch städtebauliche Verträge oder Mobilitätsverträge organisatorisch und finanziell fixieren – etwa wer das Sharing-Angebot bereitstellt und wer es für wie lange und in welchem Ausmaß zu finanzieren hat.72,141,142

Auch die Ausschreibung von Sharing-Diensten bietet die Möglichkeit, einen Rahmen zu definieren und Wildwuchs zu vermeiden. Die Stadt Bremen reguliert so die Qualität des Angebots, etwa indem Carsharing-Unternehmen einen Nachweis über die zu erwartende Entlastung des Parkraums erbringen müssen.40

Dichtes Carsharing-Netz in und um Kufstein

Die Flotte des Beecar-Carsharing der Stadtwerke Kufstein ist von drei E-Pkw im Jahr 2018 bis zum Sommer 2023 auf 21 E-Pkw und E-Kleinbusse an 14 Standorten in Kufstein und fünf Partnergemeinden angewachsen. Die rund 500 privaten und gewerblichen Kundinnen und Kunden nutzen die Fahrzeuge im Schnitt für 40 Kilometer in vier Stunden, möglich sind aber Fahrten innerhalb der gesamten EU. Die Tarifpakete reichen von 10 bis 139 Euro Grundgebühr, dazu kommen 2,70 bis 4,70 Euro pro Stunde und 27 Cent pro Kilometer. Der Strom ist inbegriffen, die Fahrzeuge werden an ihren Standorten und unterwegs bei Partnerladestationen in ganz Europa geladen. In den umfassenderen Tarifen ist bei einjähriger Mindestbindung die KufsteinCard enthalten, inklusive kostenlosem oder stark vergünstigtem Zugang zum Öffentlichen Verkehr, zu Bikesharing und zu Freizeiteinrichtungen.

Weitere Anreize sind gemeinsames Ticketing mit dem Öffentlichen Verkehr sowie Vorrechte für Sharing-Fahrzeuge. Das deutsche Carsharing-Gesetz sieht etwa die Bevorzugung beim Abstellen im öffentlichen Raum und die Befreiung von Parkgebühren vor.79 Eine klare gesetzliche Grundlage wie das deutsche  Carsharing-Gesetz fehlt in Österreich noch.57,165 Der bestehende Rechtsrahmen aus Straßenverkehrsordnung und Gelegenheitsverkehrsgesetz bietet keine klare Grundlage für derartige Bevorrechtigungen.35 In den Gemeinden bestehen dadurch unterschiedliche Regelungen für das Abstellen von Sharing-Pkw auf öffentlichen Flächen.

Sharing nutzen statt Privat-Pkw besitzen

  • Carsharing-Gesetz als einheitliche, gesetzliche Grundlage für Sharing- Angebote im öffentlichen Raum beschließen.
  • Pkw-Stellplatzverpflichtungen im Wohnbau an die Verfügbarkeit öffentlich zugänglicher Mobilitätsangebote und Sharing knüpfen.
  • Sharing-Angebote durch tarifliche Integration und multimodale Mobilitätsstationen mit Öffentlichem Verkehr verknüpfen.
Die Grafik zeigt, dass unter 40-Jährige häufiger Sharing benutzen und Fahrgemeinschaften bilden als über 50-Jährige
Bei den Unter-40-Jährigen in Österreich ist das Teilen von Fahrzeugen schon weit verbreitet. Zwei Drittel bilden mindestens einmal im Jahr Fahrgemeinschaften, ein Viertel nutzt Carsharing und ein Sechstel Bikesharing.