Energie im Verkehr zielgerichtet einsetzen
Batterie-elektrische und leitungsgebundene Fahrzeuge weisen einen deutlichen Vorsprung bei der Energieeffizienz auf. Wasserstoff, E-Fuels und Agro-Kraftstoffe sind nur für spezifische Anwendungen sinnvoll. Für die rasche Dekarbonisierung des Verkehrssektors braucht es jetzt Technologieklarheit.
Die EU hat den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge für das Jahr 2035 vorgesehen. Norwegen wird bereits im Jahr 2025 keine Neuwagen für Diesel oder Benzin mehr zulassen, das Vereinigte Königreich, Slowenien, Schweden, die Niederlande, Island, Irland und Dänemark im Jahr 2030.22 Die Autohersteller reagieren bereits darauf. Den Smart gibt es nur noch batterie-elektrisch, und auch Jaguar, Fiat, Mercedes, Mini, Opel, Peugeot, Renault, Volvo und andere haben den Abschied vom Verbrennungsmotor zwischen den Jahren 2025 und 2030 fixiert.120
Für Lkw und Busse hat die EU-Kommission im Februar 2023 ambitioniertere Emissionsziele vorgeschlagen. Neue Stadtbusse sollen ab dem Jahr 2030 emissionsfrei sein. Das Flottenziel für neue Lkw wurde von 30 Prozent weniger Emissionen gegenüber dem Jahr 2019 auf 45 Prozent angehoben. Zusätzlich sollen mit minus 65 Prozent bis zum Jahr 2035 und minus 90 Prozent ab 2040 zwei neue Ziele eingeführt werden. Außerdem sollen diese Ziele künftig auch für Reise- und Regionalbusse gelten.49 Bereits gültig ist die Clean Vehicle Directive der EU. Das bedeutet für Österreich, dass im Zeitraum 2021 bis 2025 mindestens zehn Prozent der in der öffentlichen Beschaffung ausgeschriebenen schweren Nutzfahrzeuge und 45 Prozent der Linienbusse einen schadstoffarmen Antrieb haben müssen. Für die Periode der Jahre 2026 bis 2030 steigt dieser Anteil auf 15 Prozent bei den Lkw und 65 Prozent bei den Bussen. Die Hälfte der Busse muss jeweils völlig abgasfrei sein.51
Batterie-elektrische Fahrzeuge profitieren von ihrer Energieeffizienz
Batterie-elektrische Fahrzeuge (E-Kfz) sind die effizientesten aller Alternativen. Das verdanken sie dem hohen Gesamtwirkungsgrad von 81 Prozent aus dem Zusammenspiel von Elektro-Motor und Batterie126 und der Rückgewinnung von Bremsenergie durch Rekuperation. E-Pkw sind schon in der Praxis bewährt. Für leichte Nutzfahrzeuge hat die Post die Praxistauglichkeit bewiesen75, indem sie mit 3.000 Fahrzeugen die größte E-Flotte Österreichs tagtäglich im Einsatz hat. Schwere batterie-elektrische Nutzfahrzeuge finden ebenfalls zunehmend Verbreitung. In der EU wurden im Jahr 2022 472 schwere E-Lkw neu zugelassen. Der Bestand wuchs in der EU binnen fünf Jahren von 222 auf 1.740 Stück.48 Eine niederländische Studie hat herausgearbeitet, dass im Jahr 2030 E-Lkw in 99,8 Prozent der Anwendungsfälle ohne Subventionen der Öffentlichen Hand kostengünstiger als Diesel-Lkw sein werden.112
Als Ergänzung können Oberleitungen zum Einsatz kommen. Diese seit mehr als 100 Jahren bewährte Technologie eignet sich aber auch, Schwächen anderer Systeme auszugleichen. So könnten Oberleitungen auf Autobahnen Lkw während der Fahrt mit Strom versorgen und für die letzte Meile die Batterie laden. Entsprechende Teststrecken gibt es bereits in Deutschland und Schweden.62 Aber auch gänzlich andere Einsatzzwecke sind möglich. Seit dem Jahr 2021 fahren etwa im Eisenerztagebau des steirischen Erzbergs schwere Muldenkipper mit mehr als 100 Tonnen Nutzlast zu 95 Prozent im Oberleitungsbetrieb.114
In der Schifffahrt eignen sich batterie-elektrische Systeme für kurze Strecken, etwa im Fährbetrieb. Auf den sechs Kilometern zwischen dem schwedischen Helsingborg und dem dänischen Helsingør sind bereits zwei hundert Meter lange E-Fähren in Betrieb.41 Fluglinien wollen erste batterie-elektrische Propeller-Regionalflugzeuge im Jahr 2026 in Norwegen42 und im Jahr 2027 in Australien40 in Dienst stellen. Dass größere Flugzeuge in absehbarer Zeit batterie-elektrisch betrieben werden können, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.
Wasserstoff-Kfz spielen keine Rolle bei der Verkehrswende
Wasserstoff wird primär in Fahrzeugen mit Brennstoffzelle (H2-Kfz) eingesetzt. Diese wandeln den getankten Wasserstoff in Strom um, der den Elektro-Motor des Fahrzeugs antreibt. H2-Kfz weisen so inklusive der Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse 74 Prozent Energieverluste auf. Maßgeblich sind hier der elektrische Wirkungsgrad der Brennstoffzelle von etwa 60 Prozent, der Wirkungsgrad der Elektrolyse von etwa 70 Prozent und die Verluste der Wasserstoffverflüssigung von 20 Prozent.126 Von 100 Kilowattstunden elektrischer Energie werden also nur 26 Kilowattstunden Traktionsenergie für die Fortbewegung genutzt. Bei E-Kfz führt derselbe Input hingegen zu 81 Kilowattstunden Traktionsenergie.
Mit 31. Dezember 2022 waren in Österreich nur 62 wasserstoffbetriebene Pkw zugelassen – im Gegensatz zu mehr als 110.000 E-Pkw.105 Hauptgründe dafür sind die Ineffizienz des Antriebs, die damit verbundenen hohen Betriebskosten und das fehlende Tankstellenetz. Beim Vergleich von zwei Oberklasse-Modellen, dem wasserstoffbetriebenen Toyota Mirai109 und dem batterie-elektrischen Tesla S12, zeigt sich, dass sie mit 650 beziehungsweise 600 Kilometern im WLTP-Zyklus nahezu dieselbe Reichweite bieten. Beim Leergewicht sind der Toyota mit 1.900 Kilogramm und auch der Tesla mit rund 2.100 Kilogramm Leergewicht unverhältnismäßig schwer – wie in der Oberklasse vermehrt üblich. Aufgrund der notwendigen sehr großen Wasserstofftanks bietet der Toyota Mirai mit rund 320 Litern Kofferraumvolumen aber nur einen Bruchteil der bis zu 1.800 Liter des Tesla S.
Der hohe Energiebedarf wasserstoffbetriebener Fahrzeuge betrifft ebenso Lkw, Busse sowie die Bahn und auch hier geht die Tendenz Richtung der im Betrieb wesentlich sparsameren und günstigeren batterie-elektrischen Alternativen.
Wasserstoff-Antriebe höchstens in Schiff- und Luftfahrt realistisch
In der Schifffahrt und im Flugverkehr könnten Antriebe auf Wasserstoffbasis eingesetzt werden. Da Stehzeiten genau eingeplant sind, kann auf verflüssigten Wasserstoff mit einer wesentlich höheren Energiedichte zurückgegriffen werden. Flüssiger Wasserstoff verdampft zwar, sobald er oberhalb von minus 252 Grad Celsius gelagert wird, und baut im Tank einen stetigen Überdruck auf. Wird jedoch erst unmittelbar vor der Abfahrt beziehungsweise dem Abflug flüssiger Wasserstoff getankt, kann dann laufend der verdampfende Wasserstoff als Kraftstoff verbraucht werden. In Deutschland ging im Jahr 2022 ein erstes wasserstoffbetriebenes Schubschiff für den Einsatz auf der Spree in den Probebetrieb.89 Airbus plant für das Jahr 2026 erstmals Testflüge mit einem Wasserstofftriebwerk, das zusätzlich am Heck einer A-380 montiert werden soll.55
Grüner Wasserstoff ist kaum verfügbar
Wasserstoff wird in Österreich fast ausschließlich mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen.146 Für die Dekarbonisierung braucht es jedoch „Grünen Wasserstoff“ aus erneuerbaren Energien. Zur Erzeugung einer Tonne Grünen Wasserstoffs werden 50 Megawattstunden Ökostrom und 9.000 Liter Süßwasser benötigt.2 Für afrikanische Staaten könnte das zum Problem werden, wenn sie im großen Stil Wasserstoff für Europa produzieren sollen. Denn Wasserstoff-Elektrolyse mit Salzwasser befindet sich erst im Versuchsstadium.59 Aber selbst in Österreich ist Wasser angesichts der sinkenden Grundwasserspiegel nicht mehr im Überfluss vorhanden. Für Grünen Wasserstoff aus europäischer Produktion fehlt zudem ausreichend Ökostrom. Zeitweise vorhandene Spitzenproduktion der Erneuerbaren mit Hilfe der Wasserstoff-Elektrolyse zu speichern ist zu wenig für einen wirtschaftlichen Betrieb von Elektrolyseuren.
Verpflichtende Photovoltaikanlagen auf Parkplätzen
In Baden-Württemberg besteht seit dem Jahr 2022 die Pflicht, bei neuen Parkplätzen mit mehr als 35 Stellplätzen auf mindestens 60 Prozent der Fläche eine Photovoltaikanlage zu errichten, wenn die Lage des Parkplatzes für die Solarnutzung geeignet ist. Ähnliche Regelungen gibt es seit kurzem auch in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In Frankreich tritt am 1. Juli 2023 ein Gesetz in Kraft, das auch bestehende Parkplätze erfasst. Parkplätze mit einer Größe von 80 bis 400 Stellplätzen müssen dann binnen fünf Jahren zu mindestens der Hälfte mit Photovoltaik-Modulen überdacht werden, größere Parkplätze innerhalb von nur drei Jahren. Ausnahmen gibt es bei Bedenken bezüglich Sicherheit, Architektur und Umweltschutz. Durch die Überdachungen soll eine installierte Leistung von elf Gigawatt entstehen.
Pkw mit E-Fuels benötigen bis zu 13-mal so viel Energie wie E-Pkw
E-Fuels sind aus Wasserstoff, CO2 und Strom produzierte synthetische Kraftstoffe. Sie können nachhaltig aus grünem Wasserstoff und Ökostrom produziert werden. Ein Pkw mit E-Fuels ist jedoch viel ineffizienter als ein E-Pkw. Das zeigt der Vergleich des kumulierten Energieaufwands (KEA), der Energieaufwand und -verluste der Vorkette ebenso berücksichtigt wie den Energieeinsatz im Betrieb. Ein mit Ökostrom betriebener, batterie-elektrischer Kompaktwagen, der 225.000 Kilometer gefahren wird, hat einen KEA von 23 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Mit Brennstoffzelle und Wasserstoff aus Ökostrom liegt der KEA mit 43 Kilowattstunden pro 100 Kilometer fast doppelt so hoch. Als Benziner oder Diesel benötigt der Kompaktwagen mit 75 Kilowattstunden bereits mehr als dreimal so viel Energie wie der E-Pkw. Werden Benzin oder Diesel durch E-Fuels ersetzt, explodiert der KEA auf je nach Herstellungsverfahren 220 bis 300 Kilowattstunden pro 100 Kilometer – zehn- bis 13-mal so viel wie beim E-Pkw.126
Raffinerien für E-Fuels befinden sich weltweit in der Pilotphase,79 in Graz soll im Jahr 2023 eine Pilotanlage für 100.000 Liter E-Fuels pro Jahr in Betrieb gehen.31 Das würde gerade mal für knapp 1.200 Pkw mit einer Jahresfahrleistung von 12.000 Kilometern reichen. Die E-Fuel-Herstellung ist sehr energieintensiv, die deutsche Chemieanlagenbau Chemnitz benötigt zur Herstellung eines Liters E-Fuel 16 Kilowattstunden Strom.37 Um mit einer Milliarde Litern E-Fuels etwa zehn Prozent des Jahresbedarfs Österreichs an Benzin und Diesel abzudecken, sind daher 57,6 Petajoule Strom notwendig. Die europäische E-Fuels-Industrie schätzt, dass sie bis zum Jahr 2035 gerade einmal fünf Millionen Pkw versorgen könnte. Das sind nicht einmal zwei Prozent des aktuellen Pkw-Bestands in der EU.115 Der Netto-Preis ohne Steuern von E-Fuels wird voraussichtlich um 30 bis 85 Prozent über dem Netto-Preis von Benzin liegen. Die Spritkosten sind damit bei E-Fuels drei- bis fünfmal so hoch wie die Stromkosten von E-Pkw.5 Für Straßen- und auch Schienenfahrzeuge sind daher E-Fuels ungeeignet. Für Schiffs- und Flugverkehr werden sie allenfalls eine Alternative darstellen.
Fast keine Agro-Kraftstoffe aus Altstoffen
Agro-Kraftstoffe aus Biomasse finden üblicherweise in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und selten auch in Brennstoffzellen Verwendung.5 In der EU verwendete Agro-Kraftstoffe müssen aus nachhaltig angebauten Rohstoffen bestehen und dürfen weder direkt noch durch Verdrängung neue Anbauflächen benötigen. Sie beanspruchen jedoch schon heute landwirtschaftliche Flächen, die auch für Nahrungs- und Futtermittel oder zur Aufforstung genutzt werden könnten. Im Jahr 2020 wurden 62 Prozent der Agro-Kraftstoffe in Österreich aus Raps hergestellt, jeweils zwölf Prozent aus Soja und aus Mais, nur ein Prozent aus Altspeiseölen. Palmöl darf seit Mitte des Jahres 2021 nicht mehr dafür verwendet werden.19 Aber auch der Ausstieg aus anderen kritischen Stoffen – allen voran Soja – ist in Österreich ökologisch notwendig.
Eine Nische für Agro-Kraftstoffe könnte für landwirtschaftliche Fahrzeuge entstehen. Die heute den fossilen Treibstoffen beigemischten Mengen könnten nach der sonstigen Elektrifizierung des Verkehrs in Traktoren oder Mähdreschern eingesetzt werden, falls eine hohe Energiedichte tatsächlich wichtiger sein sollte als eine hohe Energieeffizienz.5
Rasch Technologieklarheit herstellen
Für Pkw, Lkw, Busse, Bahnen, Flugzeuge und Schiffe stehen verschiedene Antriebstechnologien im Raum. Alle benötigen jeweils eine eigene Infrastruktur zur Energieversorgung. Es braucht nun rasch Technologieklarheit, um unerwünschte Lock-In-Effekte und teure Fehlentwicklungen in der Infrastruktur zu vermeiden und die vorhandenen Mittel auf das effizienteste System zu konzentrieren. Für CO2-Emissionsfreiheit im Betrieb müssen alle neuen Antriebsformen auf erneuerbaren Energien beruhen, deren Ausbau Zeit braucht und deren naturverträgliche Verfügbarkeit begrenzt ist. Um angesichts der Klimakrise die Dekarbonisierung des Verkehrssektors möglichst schnell voranzubringen, muss daher die vorhandene erneuerbare Energie möglichst zielgerichtet und effizient eingesetzt werden.
Technologieklarheit schaffen
- Batterie-elektrische und leistungsgebundene Fahrzeuge sind die effizientesten Optionen für Straße und Schiene.
- Nur mit weniger Kraftfahrzeugen und höherem Besetzungsgrad sind die notwendigen Energieeinsparungen erreichbar.
- Effizientere Antriebstechnologien ersetzen keine zukunftsfähige Raumplanung mit kurzen Wegen und multimodalen Mobilitätsangeboten.