Energiebedarf im Verkehr ist stark zu reduzieren
Beinahe ein Drittel der in Österreich benötigten Energie fließt in den Verkehr. Elektrifizierung spart zwar viel Energie ein, aber nicht genug, um ausreichend Ökostrom naturverträglich zu erzeugen. Durch „Vermeiden, Verlagern, Verbessern“ lässt sich die Mobilität attraktiver gestalten und ausreichend Energie einsparen.
Im Jahr 2021 verursachte Österreich klimaschädliche Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 74 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Von Österreichs Anteil am globalen CO2-Budgetb zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad waren zu Beginn des Jahres 2023 noch rund 536 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente übrig.107,162 Mit jenen Maßnahmen, die bereits beschlossen wurden oder wahrscheinlich noch beschlossen werden, wird Österreich im Jahr 2040 jedoch noch immer etwa 65 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittieren.165
Um den Energiebedarf durch eine naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Quellen decken zu können, muss sich Österreichs jährlicher Energiebedarf von derzeit rund 1.120 Petajoule20 auf etwa 600 Petajoule halbieren.108,29,13,70,149 Aktuell werden 36 Prozent des Gesamtbedarfs durch erneuerbare Energiequellen gedeckt. Im Verkehrssektor sind es nur neun Prozent.98 Durch die Dominanz der ineffizienten Verbrennungsmotoren gibt es im Verkehr dafür das größte Energiesparpotenzial.106
Auf den Verkehrssektor entfällt in Österreich ein knappes Drittel des Energiebedarfs, im Jahr 2021 waren das – ohne Transporte durch Rohrleitungen – 344 Petajoule. Davon benötigte allein der Kfz-Verkehr 92 Prozent. Der Energiebedarf des Verkehrs ist der größte aller Sektoren. Sowohl die Haushalte mit 321 Petajoule als auch Industrie und Gewerbe mit 319 Petajoule benötigten weniger Energie als der Verkehr.98 Die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie reduzierten das Verkehrsaufkommen und damit auch den Energiebedarf. Benötigte der Kfz Verkehr im Jahr 2019 noch 349 Petajoule, waren es im Jahr 2020 nur noch 306 Petajoule. Im Jahr 2021 stieg der Energiebedarf des Kfz-Verkehrs auf 318 Petajoule.98 Dieser Wiederanstieg legt nahe, dass eine dauerhafte Trendumkehr nicht erreicht worden ist und Maßnahmen zur Energieeinsparung gesetzt werden müssen.
Große Energieverschwendung im Verkehr
Mit 92 Prozent beansprucht der Straßenverkehr die meiste Energie im Verkehrssektor.98 Das liegt zum einen an den niedrigen Wirkungsgraden von Verbrennungsmotoren, die den größten Teil der Energie als Wärme an die Umgebung abgeben, zum anderen aber auch an dem hohen Energieaufwand für die Herstellung fossiler Kraftstoffe. Damit ein Pkw mit sechs Litern Diesel 100 Kilometer weit kommt, benötigt er zusätzlich zu den in den sechs Litern Diesel gespeicherten 59 Kilowattstunden Energie38 noch 42 Kilowattstunden in der Vorkette für Förderung, Transport und Raffinerie.27 Der kumulierte Energieaufwand für 100 Kilometer Fahrt liegt daher bei 101 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Um die Batterie eines Tesla S mit einer Kapazität von 102 Kilowattstunden und einer Reichweite von mehr als 600 Kilometern zu füllen, benötigt man 107 Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien.111,126 Dazu hat der Pkw-Bestand in Österreich von knapp drei Millionen im Jahr 1990102 auf 5,15 Millionen im Jahr 2022105 stetig zugenommen. Aber auch im Güterverkehr wird durch die Dominanz des Lkw-Verkehrs über die Bahn viel Energie verschwendet.
Laut Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich soll die Energieverschwendung im Verkehr verringert werden. Für das Jahr 2040 sind für Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehr zusammen nur noch 109 Petajoule Energiebedarf vorgesehen.22 Das sind um 67 Prozent weniger als im Jahr 2021.
Großes Handelsbilanzdefizit durch Rohöl-Importe aus autoritären Regimen
Im Jahr 2021 deckten fossile Energien zu 91 Prozent den Energiebedarf des Verkehrssektors. Weitere fünf Prozent stammten aus erneuerbaren Quellen, im Wesentlichen die Beimischung von Agro-Kraftstoffen. Vier Prozent wurden elektrisch, also weitgehend erneuerbar, gedeckt. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen Schiene und Straße. Der Bahnverkehr bezieht seine Energie nur zu 18 Prozent aus Diesel und zu einem Prozent aus Agro-Kraftstoff. Zu 81 Prozent nutzt die Bahn elektrische Energie über Oberleitungen.98 Wobei die beiden größten öffentlichen Verkehrsunternehmen Österreichs, ÖBB und Wiener Linien, nach eigenen Angaben ausschließlich Ökostrom einkaufen oder selbst erzeugen.169,158 Auf der Straße deckten hingegen fossile Quellen noch 92 Prozent des Energiebedarfs, sechs Prozent waren erneuerbare Kraftstoffe und nur zwei Prozent elektrische Energie.98
Österreich importierte im Jahr 2021 Erdöl und Erdölprodukte im Wert von 7,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das gesamte Außenhandelsdefizit betrug 12,5 Milliarden Euro.78 Abseits des Geldabflusses ins Ausland stellt die Importabhängigkeit von politisch instabilen oder in ihrem Handeln nicht zu unterstützenden Ländern ein Problem dar. Im Jahr 2021 importierte Österreich rund 7,6 Millionen Tonnen Rohöl, davon 39 Prozent aus Kasachstan, 22 Prozent aus Libyen, 21 Prozent aus dem Irak und acht Prozent aus Russland.c Dem gegenüber stand eine Rohölförderung im Inland von 0,6 Millionen Tonnen.52
Kasachstan belegte im Jahr 2021 den 128. von 167 Plätzen im Demokratie-Index des Economist110, Libyen den 154. Platz, der Irak den 116. Platz und Russland den 124. Platz. Alle vier Länder werden als „Autoritäres Regime“ eingestuft und führten in den letzten Jahren Kriege oder Bürgerkriege. Dennoch sind sie – mit Ausnahme des seit dem Jahr 2022 von der EU sanktionierten Russlands – die Hauptsäule der Energieversorgung unseres Verkehrssystems.
Steigende Emissionen im Verkehrssektor
Im Jahr 2022 wurden in Österreich 9,36 Milliarden Liter Diesel und Benzin getankt. Der Verkehr verursachte rund 21 Millionen Tonnen CO2. Das waren zwar um drei Millionen Tonnen weniger als vor der Pandemie im Jahr 2019, aber um über sieben Millionen Tonnen mehr als im Jahr 1990. Die Verkehrszunahme macht Einsparungen anderer Sektoren wieder zunichte. In der Abfallwirtschaft sanken die Emissionen seit dem Jahr 1990 um 47 Prozent, bei Gebäuden um 38 Prozent, in der Landwirtschaft um 16 Prozent und im Sektor Energie und Industrie um elf Prozent. Auf der anderen Seite nahmen die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr seit dem Jahr 1990 um mehr als 50 Prozent zu.165
In den Jahren 2000 bis 2020 nahm das durchschnittliche Fahrzeuggewicht der in Österreich neuzugelassenen Pkw um 15 Prozent (plus 199 Kilogramm) auf durchschnittlich 1.487 Kilogramm zu. Die Übermotorisierung stieg sogar um 37 Prozent auf durchschnittlich rund 101 kW (entspricht 137 PS). Gleichzeitig sank der durchschnittliche Besetzungsgrad von 1,23 auf 1,14 Personen pro Pkw. Der Pkw-Bestand nahm in diesem Zeitraum um ein Viertel zu. Im Jahr 2019 lagen die mit dem Pkw in Österreich gefahrenen Kilometer um 22 Prozent über dem Niveau des Jahres 2000. Infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ging im Jahr 2020 der Pkw-Verkehr stark zurück und lag auch in den Jahren 2021 und 2022 unter dem Niveau des Jahres 2019.14,132
Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern
Zur Reduzierung des Energiebedarfs gilt es drei Strategien parallel zu verfolgen. Zum einen ist der Verkehrsaufwand deutlich zu verringern. Dafür bedarf es neuer Raumordnungskonzepte, welche die Zersiedelung stoppen, die Ortskerne und die Nahversorgung stärken. Viele Alltagswege werden dadurch kürzer, was den Energieverbrauch senkt. Außerdem ist Kfz-Verkehr zu verlagern – auf einen gut ausgebauten Öffentlichen Verkehr sowie mit attraktiven Geh- und Radwegen auf die bewegungsaktive Mobilität. Im Güterverkehr sollte rund die Hälfte des Aufkommens auf die Schiene verlagert werden. Der verbleibende Kfz-Verkehr sowie die noch mit Diesel befahrenen Bahnstrecken sind zu elektrifizieren.22
Strombedarf naturverträglich decken
>Im Jahr 2021 betrug der Strombedarf Österreichs 268,2 Petajoule. Die Stromerzeugung von 241 Petajoule bestand aus 58 Prozent Wasserkraft, 16 Prozent Erdgas, zehn Prozent Windkraft, sieben Prozent biogene Energieträger, vier Prozent Photovoltaik, drei Prozent Kohlegas, ein Prozent brennbare Abfälle und ein Prozent Erdöl.98 Abseits von Importen und Exporten beruht der Strommix Österreichs zu 79 Prozent auf erneuerbaren Energiequellen. Laut Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz soll im Jahr 2030 um 27 Terawattstunden (97,2 Petajoule) pro Jahr mehr Strom aus erneuerbaren Energien kommend , damit sich Österreich bilanziell vollständig mit Ökostrom versorgen kann.87
Für das Ziel „Klimaneutralität 2040“ benötigt es jedoch weitere Steigerungen. So nimmt der Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich an, dass im Jahr 2040 gegenüber heute rund 30 Terawattstunden (108 Petajoule) Strom zusätzlich für den Verkehr benötigt werden.22 Weitere große Strommengen wird die Umstellung von industriellen Prozessen auf Elektrizität erfordern. Alleine die Voestalpine rechnet im Jahr 2050 mit einem zusätzlichen Bedarf von 33 Terawattstunden (119 Petajoule) Strom, wenn die Stahlerzeugung CO2-neutral ablaufen soll.53
Um diesen gestiegenen Bedarf abzudecken, benötigt es einen ausgewogenen und zuverlässigen Mix an Energiequellen. Unter Berücksichtigung der Naturverträglichkeit ist das Wasserkraftpotenzial Österreichs nahezu vollständig ausgeschöpft.164 Während die Windkraft im Jahr 2021 in Österreich bereits 6,7 Terawattstunden Strom lieferte, ist bei der Photovoltaik erst ein kleiner Teil des verfügbaren Potenzials auf Dächern, Fassaden und über Verkehrsflächen erschlossen. Photovoltaik lieferte daher im Jahr 2021 erst 2,8 Terawattstunden Strom.98 Tiefe Geothermie ist mit nur 0,012 Terawattstunden Stromerzeugung in Österreich praktisch noch nicht entwickelt.150
Erneuerbarer Strom ist kostengünstig
Erneuerbare Energien zeichnen sich durch stetige Kostensenkungen aus. Von 2020 auf 2021 sind global betrachtet die Stromgestehungskosten, die Kosten der Umwandlung anderer Energieformen in Elektrizität, bei neuen Windkraftanlagen an Land um 15 Prozent gesunken, bei Photovoltaik-Anlagen waren es 13 Prozent. Windkraft an Land lag damit international bei Stromgestehungskosten von 33 US-Dollar pro Megawattstunde, Photovoltaik bei 48 US-Dollar. Fossile Kraftwerke lagen hingegen bei 50 bis 170 US-Dollar pro Megawattstunde.65 Der Bau neuer Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist damit günstiger als der Bau von Kohle- oder Gaskraftwerken und damit nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll.
Energieverschwendung abstellen
- Die Klimaziele erfordern die Halbierung des Energiebedarfs. Die größten Einsparungen sind im Verkehr notwendig.
- Eine Energiewende alleine reicht nicht aus. Die Klimaziele sind nur durch "Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern" erreichbar.
- Das aktuelle fossile Energiesystem verschwendet Energie, führt zu einem großen Außenhandelsdefizit und verursacht enorme Folgekosten.