Flugverkehr hat viel zu hohen Energiebedarf

Die Wachstumsbestrebungen der Luftfahrt sind unvereinbar mit deren Dekarbonisierung. Sustainable Aviation Fuels als Alternativen zu Kerosin sind teuer, energieintensiv und auch auf Dauer nur eingeschränkt verfügbar. Batterie-elektrische Antriebe eignen sich nur für Nischen und Wasserstoffflugzeuge sind frühestens in Jahrzehnten kommerziell einsetzbar.

Anders als in vielen anderen Ländern gab es in Österreich seit dem Jahr 1990 keinen nennenswerten – und vor allem von wirtschaftlichen Krisen unabhängigen – nachhaltigen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen. Das liegt in erster Linie an den starken Zuwächsen im Verkehrssektor und die Luftfahrt bildet hier keine Ausnahme. Im Jahr 2019 tankten Flugzeuge in Österreich 951.000 Tonnen Kerosin, womit seit dem Jahr 2005 der Kerosinverbrauch um mehr als 50 Prozent zugenommen hat.98 Pro Tonne Kerosin entstehen bei der Verbrennung 3,14 Tonnen CO2. Damit hat der Flugverkehr in Österreich im Jahr 2019 rund drei Millionen Tonnen CO2 verursacht und damit ein neues Rekordniveau erreicht.141,148 Im selben Jahr benötigte der Flugverkehr mehr als 41 Petajoule, das waren zehn Prozent des gesamten Energiebedarfs des Sektors Verkehr. Im Jahr 2020 kam es durch die Covid-19-Pandemie zu einer Reduktion auf 14 Petajoule und im Jahr 2021 waren es 18 Petajoule.95 Wie auch in allen anderen Teilen des Verkehrssektors sind die Werte für Energieverbrauch und CO2-Emissionen in den Jahren 2020 und 2021 daher nicht repräsentativ.

Der Energiebedarf des globalen Flugverkehrs lag im Jahr 1190 bei 8.296 Petajoule. Im Jahr 2021 waren es 11.004 Petajoule. Abschätzungen zufolge lag der Bedarf an Energie 2022 bei 13.500 Petajoule.
Nach dem Rückgang durch die Covid-19-Pandemie steigt der Energiebedarf des Flugverkehrs wieder. Der Flugverkehr muss jedoch reduziert werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Zunahme des Flugverkehrs steht im Widerspruch zu den Klimazielen

Die Covid-19-Pandemie reduzierte global das Passagieraufkommen im Flugverkehr stark. Weltweit gab es im Jahr 2019 rund acht Billionen geflogene Passagierkilometer, mit der Pandemie ging der Flugverkehr im Jahr 2020 auf drei Billionen Passagierkilometer zurück.166

Der Energiebedarf stieg bis zum Jahr 2019 kontinuierlich auf 15.700 Petajoule. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie kam im Jahr 2020 ein Einbruch um mehr als 40 Prozent auf 9.250 Petajoule32. Die Luftfahrtindustrie geht jedoch davon aus, dass bereits Jahr 2024 das Niveau des Jahres 2019 wieder erreicht wird.28 Womit auch die CO2-Emissionen wieder stark steigen werden. Sobald das ursprüngliche Niveau wieder erreicht ist, prognostiziert die Luftfahrtindustrie ein langfristig starkes Wachstum von mehr als drei Prozent jährlich.4

Durch effizientere Flugzeuge haben in der Dekade 2010 bis 2019 global die CO2-Emissionen je Passagierkilometer um insgesamt 21,5 Prozent abgenommen. Allerdings macht das Branchenwachstum der Luftfahrt diese beachtlichen Effizienzgewinne wieder zunichte. Das von der Luftfahrtindustrie prognostizierte jährliche Wachstum von drei Prozent bedeutet, dass das Branchenwachstum in nur sieben Jahren die Effizienzgewinne von zehn Jahren wieder auffrisst.4

Daher sind dringend Maßnahmen zu ergreifen, die vor allem auf Kurzstrecken unter 500 Kilometern Bahn und Bus attraktiver machen als das Flugzeug. Darüber hinaus muss auf europäischer Ebene ein neues System zur Verteilung von Start- und Landeslots an Luftlinien entwickelt werden. Derzeit schreiben die Flughäfen den Fluglinien Quoten an Flügen vor. Bei Unterschreitung werden ihnen die Slots entzogen und anschließend neu vergeben. Daher führen die Fluglinien bei schwacher Auslastung Leerflüge ohne Passagiere durch, um die Slots nicht zu verlieren. Alleine die Lufthansa führte deshalb 598 Leerflüge im Juni und Juli 2022 durch.84

Fliegen ist gegenüber anderen Reiseformen steuerlich privilegiert

Trotz der Effizienzgewinne ist der CO2-Ausstoß beim Fliegen nach wie vor sehr hoch. Bei einem internationalen Flug werden durchschnittlich 451 Gramm CO2 pro Personenkilometer freigesetzt. Das ist 31-mal so viel CO2-Ausstoß wie bei der Bahn.148 Dabei ist die Hälfte aller Flüge ab Wien kürzer als 800 Kilometer – eine Distanz, die zu vielen Zielorten gut mit der Bahn zurückgelegt werden kann. Etwa sind Berlin oder Zürich gut mit Nachtzügen erreichbar. Die längere Reisezeit wird dabei durch die Möglichkeit im Zug zu schlafen kompensiert. Zwischen Wien und München ist die Gesamtreisezeit mit rund vier Stunden bei Bahn und Flugzeug sogar annähernd gleich, wenn man in Betracht zieht, dass die Bahn direkt in die beiden Städte hineinführt und nicht zu Flughäfen außerhalb.

Trotzdem ist der gewerbliche Flugverkehr steuerlich gegenüber dem landgebundenen Öffentlichen Verkehr privilegiert. Auf Tickets für internationale Flüge fällt keine Umsatzsteuer an. Bus und Bahn bezahlen zudem für Diesel Mineralölsteuer und für Strom Energiesteuer, der Flugtreibstoff Kerosin ist hingegen im gewerblichen Einsatz von der Mineralölsteuer befreit. Laut Finanzministerium lag der Einnahmenausfall aufgrund der Mineralölsteuerbefreiung von Kerosin im Jahr 2018 bei 410 Millionen Euro, im Jahr 2019 bereits bei 480 Millionen Euro. Das Wifo errechnete für die vier Jahre 2016 bis 2019 Mindereinnahmen von mehr als 1,6 Milliarden Euro, da der gesetzliche Steuersatz auf Kerosin von 39,7 Cent pro Liter nicht generell zur Anwendung kommt.161 Dieser wird nur bei der Betankung von Privatflugzeugen fällig. Würde man hingegen wie bei Benzin 48,2 Cent pro Liter88 auf Kerosin einheben, hätte der Staat in diesen vier Jahren sogar zwei Milliarden Euro mehr eingenommen. Eine Kerosinsteuer oder erhöhte Erlöse aus der Versteigerung von Emissionsrechten wären Modelle, die laut Österreichs Luftfahrtsstrategie 2040 auf hohe Akzeptanz in der Luftverkehrswirtschaft treffen würden, sofern die Einnahmen zu einem hohen Grad für Klimaschutzmaßnahmen zweckgebunden wären.21 Eine Zweckbindung für die Entwicklung strombasierter Kraftstoffe ist zeitlich auf die Hochlaufphase zu begrenzen.

Frankreich: Verbot von Inland-Flügen entlang gut ausgebauter Bahnverbindungen

Frankreich hat einen ersten Schritt zur Reduzierung von Kurzstreckenflügen unternommen. Auf Strecken, die mit regelmäßig verkehrenden Direktzügen innerhalb von zweieinhalb Stunden befahren werden können, dürfen Airlines keine Inland-Flüge mehr anbieten. Ein entsprechendes Gesetz war Bedingung der Regierung Frankreichs als Gegenleistung für Staatshilfen an Air France-KLM während der Covid-19-Pandemie. Konkret betrifft dies im Moment drei Destinationen zwischen dem Flughafen Orly südlich von Paris nach Nantes, Bordeaux sowie Lyon. Durch eine Verbesserung der Zugverbindungen oder ein Anheben der zweieinhalbstündigen Zeitgrenze könnten in Zukunft noch weitere Inland-Flüge auf die Bahn verlagert werden.

Bahn statt Kurzstreckenflug reduziert Energieverbrauch stark. Verglichen wird die Strecke Wien-London und Wien-Innsbruck jeweils mit dem Zug und dem Flugzeug.
Flugreisen sind besonders klimaschädlich. Die Verlagerung von Kurz- und Mittelstreckenflügen auf die Bahn senkt den Energiebedarf um rund drei Viertel.

Höheres Potenzial bei E-Kerosin als bei Agro-Treibstoffen

Um die CO2-Bilanz des Flugverkehrs zu verbessern, sollen nachhaltige synthetische Treibstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF), schrittweise Kerosin ersetzen. SAF sind in konventionellen Flugzeugtriebwerken einsetzbar und können auch mit Kerosin gemischt werden. Jedoch sind SAF drei- bis zehnmal so teuer wie Kerosin. Zudem befindet sich die SAF-Produktion erst im Aufbaustadium und deckte im Jahr 2019 gerade mal 0,01 Prozent der weltweiten Nachfrage.21

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von SAF. Schon heute werden Agro-Treibstoffe aus Biomasse und Abfällen hergestellt, nachhaltige Biomasse ist allerdings nur sehr begrenzt verfügbar. Zum einen treten Agro-Treibstoffe in Konkurrenz mit dem Anbau von Lebens- und Futtermitteln, andererseits werden Abfälle derzeit oft verbrannt und für die Strom- und Wärmegewinnung eingesetzt. Langfristig liegt daher wenig Potenzial in SAF aus Biomasse.166 Vielversprechender sind SAF in Form von E-Kerosin, einer Form von E-Fuels. Elektrische Energie wird erst in Wasserstoff und dann in einem zweiten Schritt durch Synthese mit aus CO2  gewonnenem Kohlenstoff zu E-Kerosin umgewandelt. Die Produktion von E-Kerosin ist besser auf große Mengen skalierbar und es reduziert durch seine andere chemische Zusammensetzung auch Kondensstreifen, die ebenfalls klimaerhitzend wirken.119

Die voraussichtliche Vorgabe auf EU-Ebene sieht 63 Prozent nachhaltige Treibstoffe im Flugverkehr im Jahr 2050 vor, damit bestünde für den Luftverkehr in Österreich ein Bedarf von rund 600.000 Tonnen synthetischer Treibstoffe. Zur Herstellung einer entsprechenden Menge E-Kerosin würde etwa ein Viertel des gesamten Strom-Endenergieverbrauchs Österreichs des Jahres 2020 benötigt.21

Knapper Ökostrom limitiert E-Fuel-Produktion

Die Erzeugung von E-Kerosin beziehungsweise generell E-Fuels steht noch am Beginn ihrer Entwicklung. Weltweit gibt es erst einige Test- und Demonstrationsanlagen. E-Fuels sind daher noch zehnmal so teuer wie Kerosin. Es ist zwar zu erwarten, dass mit Beginn der Massenproduktion die Kosten sinken werden, trotzdem wird es aufgrund des hohen Energieeinsatzes und des aufwendigen Verfahrens verhältnismäßig teuer bleiben.7

Damit E-Fuels einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten, muss der Strom für dieses Power-to-Liquid-Verfahren aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind kommen. Um die 41 Petajoule Energiebedarf des Luftverkehrs in Österreich aus dem Jahr 2019 mit E-Fuels bereitzustellen, benötigt es daher 88 Petajoule Ökostrom, da durch Leitungsverluste, Wasserstoffsynthese und Synthetisierung der Wirkungsgrad der E-Fuel-Herstellung nur 47 Prozent beträgt.126 Im Jahr 2021 betrug die gesamte Ökostromerzeugung in Österreich 190 Petajoule, was rund 71 Prozent des gesamten Strombedarfs von 268 Petajoule ausmachte.98 Angesichts dessen, dass Österreich seinen Strombedarf bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 Prozent aus Ökostrom decken soll und durch die Elektrifizierung vieler Bereiche der Strombedarf stark steigen wird, ist die Verfügbarkeit von Ökostrom ein limitierender Faktor für eine E-Fuels-Produktion in Österreich.

Forschung zu SAF-Alternativen steckt noch in Kinderschuhen

Alternativ zu SAF, die in konventionellen Triebwerken verbrannt werden können, wird derzeit auch an der Elektrifizierung des Flugverkehrs geforscht. Erste kleine batterie-elektrische Propeller-Regionalflugzeuge sollen schon ab dem Jahr 2026 in Norwegen42 und ab dem Jahr 2027 in Australien40 auf Strecken bis etwa 480 Kilometer in den kommerziellen Dienst gestellt werden. Batterie-elektrische Flugzeuge, die auch auf größeren Distanzen eingesetzt werden können, sind derzeit aber nicht absehbar. Die Energiedichte der Batterien ist dafür im Moment zu niedrig und solche Flugzeuge wären daher zu schwer. Flugzeuge mit hybrid-elektrischen Antrieben könnten einmal 50 bis 70 Passagiere bis zu 1.000 Kilometer weit transportieren und dabei weniger SAF benötigen als bei rein konventionellem Einsatz. Diese stehen allerdings erst am Beginn der Entwicklung.6

Eine dritte Variante wäre der Einsatz von Wasserstoff entweder in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung oder als Treibstoff für ein Triebwerk, das einen Generator zur Stromerzeugung antreibt. Airbus hat einen ersten Testflug mit so einem Triebwerk für das Jahr 2026 geplant55, rechnet aber nicht vor dem Jahr 2035 mit dem Einsatz in einem Regionalflugzeug und nicht vor dem Jahr 2050 in einem Großraumflugzeug.3

Schrittweise Einbindung des Luftverkehrs in den CO2-Zertifikatehandel

Die Flugzeugbranche weltweit hat sich zum Ziel gesetzt die CO2-Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. In der Flugzeugbranche sind kurzfristige Lösungen jedoch schwieriger, da die Entwicklungszyklen viel länger sind als in anderen Industrien. Jedes Flugzeug, das heute gebaut wird, ist 25 bis 30 Jahre im Einsatz. Dazu kommt, dass bei der Entwicklung neuer Antriebsformen die Sicherheitsaspekte in der Luftfahrt eine wesentliche Rolle spielen. Daher müssen neue Antriebskomponenten wie batterie-elektrische, hybridelektrische oder Wasserstoff-Antriebe dementsprechend lange Sicherheitsevaluationen durchlaufen.6

Aufgrund dieser langen Vorlaufzeiten soll seit dem Jahr 2020 ein im Moment noch freiwilliges, ab dem Jahr 2027 verpflichtendes CO2-Kompensationssystem namens CORSIA die Klimabilanz verbessern. Innerhalb des Systems müssen Fluglinien Zertifikate für zusätzliche CO2-Emissionen bezüglich des Jahres 2019 erwerben. Mit den Einnahmen werden Klimaschutzprojekte finanziert. So sollen die CO2-Emissionen der internationalen Luftfahrt vorerst bis zum Jahr 2035 trotz des angestrebten Branchenwachstums stabil gehalten werden.68 Die Europäische Kommission wird im Jahr 2025 überprüfen, ob CORSIA ausreichend zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele beiträgt. Falls das System keinen Erfolg hat, will die EU-Kommission das Emissionshandelssystem ETS auf Flüge aus oder in Länder ausweiten, die nicht dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören.82

Zu wenig erneuerbare Energie erfordert Verlagerung von Flügen auf Bus und Bahn

Die internationale Luftfahrtindustrie geht davon aus, dass die für das Jahr 2050 prognostizierte benötigte Energie von etwa 600 Millionen Öleinheiten zu etwa zwei Prozent in Form von Strom, zu rund 20 Prozent als Wasserstoff und der Rest als SAF in Anspruch genommen werden wird.4 Dabei ist jedoch fraglich, ob die entsprechende Menge aus erneuerbaren Energien zu für den Luftverkehr wirtschaftlich vertretbaren Kosten bereitgestellt werden kann. Für eine tatsächliche Dekarbonisierung des Sektors ist daher eine Reduktion und die Verlagerung von Flügen auf  Fernbus und Bahn notwendig.

Flugverkehr vermeiden und verlagern

  • Effizienzgewinne reichen nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Die Klimakrise ist nur mit einer Reduktion des Flugverkehrs zu bewältigen.

  • Verpflichtende internationale Vorgaben zur Emissionsreduktion.

  • Für Kostenwahrheit im Flugverkehr sind Steuerprivilegien wie die fehlende Kerosinbesteuerung abzuschaffen.

  • Flüge unter 800 Kilometer auf die Bahn verlagern und innereuropäische Bahnverbindungen forciert ausbauen.

  • E-Fuels aus zusätzlichen und tatsächlich erneuerbaren Energieträgern forcieren und für den Flugverkehr priorisieren.