Güterverkehr vermeiden, auf Schiene verlagern und elektrifizieren

Europäische Vorgaben machen den Weg frei für emissionsfreie Lkw. Im Jahr 2030 werden batterie-elektrische Lkw alle Reichweitenanforderungen heutiger Diesel-Lkw zum selben Preis erfüllen. Wasserstoff-Lkw und E-Fuels kommen zu spät und sind auf Dauer zu ineffizient und zu teuer.

Der energetische Endverbrauch des Verkehrs inklusive Transporte verdoppelte sich in Österreich durch Rohrleitungen beinahe von 209 Petajoule im Jahr 1990 auf 410 Petajoule im Jahr 2019. Der gesamte energetische Endverbrauch Österreichs war in diesem Zeitraum „nur“ um die Hälfte gestiegen. Die Covid-19-Pandemie brachte zwar im Jahr 2020 einen Rückgang auf 336 Petajoule, im Jahr 2021 war der Energiebedarf des Verkehrs jedoch bereits wieder auf 351 Petajoule gestiegen.98 Der genaue Anteil des Güterverkehrs am Energiebedarf ist nicht öffentlich bekannt.

Großteil des Gütertransports erfolgt auf der Straße

Im Jahr 2021 wurden in Österreich – ohne Rohrleitungen – 720 Millionen Tonnen Güter durchschnittlich 111 Kilometer weit befördert, das ergibt einen Gesamtgüterverkehr von 80 Milliarden Tonnenkilometer. 71 Prozent des Güterverkehrs erfolgte auf der Straße, auf der Schiene rollten 27 Prozent des Güterverkehrs. Zwei Prozent entfielen auf die Binnenschifffahrt. Auf der Schiene wurde das Vor-Pandemie-Niveau wieder erreicht und auf der Straße sogar um rund zwei Milliarden Tonnenkilometer übertroffen.101,93 Auf der Straße werden daher mehr als zweieinhalbmal so viele Tonnenkilometer erbracht wie auf der Schiene. Die Bahn ist aber wesentlich energieeffizienter. Über den Brennerpass etwa benötigen Diesel-Lkw beinahe viermal so viel Energie pro Tonnenkilometer wie Güterzüge. Sobald der Brennerbasistunnel in Betrieb geht, wird es sogar mehr als sechsmal so viel sein.72

Die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs müssen in weniger als zwei Jahrzehnten auf nahezu Null sinken, damit Österreich bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität erreichen kann. Erreicht werden soll das laut Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich einerseits durch die Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die Schiene. Der Anteil des Schienengüterverkehrs an der Transportleistung soll dadurch von 31 Prozent im Jahr 2018 auf 34 bis 40 Prozent steigen. Darüber hinaus sollen sowohl der Lkw-Verkehr als auch der Schienengüterverkehr vollständig elektrifiziert werden. Nicht zuletzt sollen Gütertransporte vermieden oder verkürzt werden. Der Mobilitätsmasterplan rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 40 Prozent bis zum Jahr 2040, aber nur mit einem moderaten Anwachsen des Güterverkehrsaufkommens um zehn Prozent. Ermöglichen sollen dies unter anderem stärkere regionale Wirtschaftskreisläufe und Reparaturdienstleistungen anstelle von Neuanschaffungen.22 Diese Dämpfung des Transport-Wachstums ist auch deshalb notwendig, da selbst mit Ökostrom betriebene E-Lkw einen – wenn auch geringeren – CO2-Fußabdruck verursachen. Werden die Herstellung des Lkw und die Bereitstellung der Energie mit einbezogen, sparen E-Lkw bestenfalls knapp 90 Prozent der Treibhausgas-Emissionen von Diesel-Lkw ein.127

Kühltransporte mit E-Lkw

Temperaturgeführte Lieferungen stellen für batteriebetriebene E-Lkw eine besondere Herausforderung dar, wird doch für die Kühlung verderblicher Waren besonders viel Energie gebraucht. Trotzdem zeigen erste Tests, dass sie diese Aufgabe auch im Überland- und Fernverkehr bewältigen können. Bereits im Jahr 2019 führte ein E-Lkw erstmals eine temperaturgeführte Blumenlieferung von Velno in den Niederlanden nach Wien durch. Zuletzt testete Müller Transporte aus Niederösterreich im Dezember 2022 erfolgreich einen batterie-elektrischen Sattelzug. Im Auftrag eines Pharmaunternehmens transportierte der E-Sattelzug eine Woche lang kühlungsempfindliche Rohstoffe zwischen Standorten im Raum Wien.

Der Energieeinsatz pro Sattelzug im Transit-Verkehr liegt beim elektrischen Antrieb bei 155, bei dem mit Wasserstoff betriebenen Lkw bei 262 und beim Diesel-Lkw bei 316 Kilowattstunden je 100 Fahrzeugkilometer.
E-Lkw benötigen weit weniger als die Hälfte der Energie von Wasserstoff-Lkw, sie sind früher in großen Stückzahlen verfügbar und ermöglichen große Synergieeffekte mit der Infrastruktur für E-Pkw.

Gesetzlicher Rahmen für Emissionsvermeidung

Die EU verändert derzeit die Rahmenbedingungen für den Güterverkehr. Im Februar 2022 wurde die Eurovignetten-Richtlinie reformiert, um Güter auf emissionsfreie Lkw und die Bahn zu verlagern. Ab dem Jahr 2024 müssen die Mautsätze für Lkw nach CO2-Ausstoß gestaffelt sein, bis zum Jahr 2026 kommt noch eine Komponente für Luftverschmutzung hinzu. Spätestens ab dem Jahr 2030 muss es zudem in der gesamten EU wie in Österreich eine kilometerabhängige Lkw-Maut im hochrangigen Straßennetz geben. Mautaufschläge dürfen künftig zur Subventionierung des Öffentlichen Verkehrs verwendet werden.44

Schon gültig ist die „Clean Vehicles Directive“ zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge. Sie verpflichtet öffentliche Auftraggeber seit August 2021 bei der Ausschreibung von Nutzfahrzeugen über 3,5 Tonnen zur Beschaffung „sauberer Lkw“. In Österreich müssen bis Ende des Jahres 2025 zehn Prozent und in den Jahren 2026 bis 2030 15 Prozent der ausgeschriebenen Lkw mit einer Alternative zu Diesel laufen.47 Bereits im Jahr 2019 legte die EU CO2-Flottengrenzwerte für Lkw fest. Ab dem Jahr 2025 muss die verkaufte Flotte eines Herstellers im Schnitt um 15 Prozent weniger CO2 pro Kilometer ausstoßen als eine Vergleichsflotte aus den Jahren 2019/20. Ab dem Jahr 2030 müssen es um 30 Prozent weniger sein.137 Die EU-Kommission hat im Februar 2023 jedoch einen Vorschlag für minus 45 Prozent im Jahr 2030 und minus 90 Prozent im Jahr 2040 vorgelegt, was eine zu geringe Verbesserung ist. Um zu vermeiden, dass im Jahr 2050 noch immer zahlreiche Diesel-Lkw in Betrieb sind, müssten die Ziele minus 65 Prozent im Jahr 2030 und minus 100 Prozent im Jahr 2035 lauten.118 Um den Aufbau einer Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur für alternative Antriebe zu beschleunigen, entwickelt die EU die „Alternative Fuel Infrastructure Directive“ (AFID) zur „Alternative Fuel Infrastructure Regulation“ (AFIR) weiter. Ziel ist ein grenzüberschreitendes und nutzerfreundliches Netz zum Laden oder Tanken entlang von Autobahnen und Schnellstraßen. Noch ist AFIR in Trialog-Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten. Ein Beschluss ist aber noch für das Jahr 2023 vorgesehen.83,43

Batterien sind vielfach energieeffizienter als Wasserstoff oder E-Fuels

Für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs gibt es unterschiedliche Technologieoptionen. Bei der Energieeffizienz zeigen sich jedoch große Unterschiede. Während ein batterie-elektrischer Lkw (E-Lkw) inklusive Energiebereitstellung einen Gesamtwirkungsgrad von 77 Prozent erreicht, sinkt der Wirkungsgrad bei Verwendung eines mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Lkw (H2-Lkw) aufgrund der notwendigen Umwandlungsschritte auf rund 33 Prozent. Ein mit synthetischem Flüssigtreibstoff (E-Fuels) betriebener Lkw mit Verbrennungsmotor kommt auf einen Gesamtwirkungsgrad von nur 23 Prozent. Die direkte Energienutzung durch E-Lkw ist somit mehr als doppelt so effizient wie der Einsatz von Wasserstoff und mehr als dreimal so effizient wie der Umweg über E-Fuels.123

Um die Dekarbonisierung aller Wirtschaftsbereiche zu schaffen, muss sparsam mit erneuerbarer Energie umgegangen werden. In Österreich gibt es rund 75.000 Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Würden diese alle statt mit Diesel batterie-elektrisch angetrieben, könnte mehr als die Hälfte der benötigten Primärenergie von rund 72 Petajoule eingespart werden. Das entspricht der Reduktion um jene Energiemenge, die rund 1.600 Windräder in Österreich pro Jahr erzeugen. Bei einem Umstieg von Diesel-Lkw auf H2-Lkw würde der Primärenergiebedarf aufgrund des niedrigen Effizienzgrades hingegen sogar leicht steigen.147

Ladekorridore für E-Lkw im hochrangigen Straßennetz

Entlang der europäischen Autobahnen und Schnellstraßen entsteht ein Netz von Schnellladestationen für E-Lkw. Spätestens im Jahr 2030 sollen Lkw im hochrangigen Straßennetz der EU mindestens alle 60 Kilometer eine Möglichkeit zum Schnellladen vorfinden. Ein erster sogenannter Ladekorridor für schwere Lkw ist in Deutschland zwischen Dortmund und dem rund 300 Kilometer entfernten Schwegenheim inzwischen in Betrieb. An derzeit sechs Autohöfen des deutschen Mineralölkonzerns Aral können Lkw an einer 300 Watt-Ladesäule laden. Während einer der gesetzlich vorgeschriebenen 45-minütigen Pausen für die Lenker und Lenkerinnen ist so eine Zwischenladung für weitere 200 Kilometer möglich. Noch im Laufe des Jahres 2023 wird der Ladekorridor mit zwei weiteren Standorten verdichtet.

EU unterschätzt Prognosen für E-Lkw und überschätzt jene für Wasserstoff-Lkw

Im Jahr 2022 wurden in der EU 472 E-Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht neu zugelassen. Damit stieg die Gesamtzahl schwerer E-Lkw auf 1.740. Der Löwenanteil – 902 Stück – ist in Deutschland zugelassen, dahinter kommen die Niederlande mit 258, Spanien mit 93 und Österreich mit 90 E-Lkw. Demgegenüber waren in der gesamten EU nur 51 wasserstoffbetriebene Lkw zugelassen.45 Als Grundlage zur Entwicklung eines Lade- und Wasserstoff-Tankstellennetzes geht die EU-Kommission in AFIR von maximal 110.000 E-Lkw und 60.000 H2-Lkw im Jahr 2030 aus. Prognosen der Lkw-Hersteller gehen jedoch von 480.000 bis 630.000 emissionsfreien Lkw aus.116 Das könnte zur Folge haben, dass zu wenig Ladepunkte für E-Lkw vorhanden sein werden. Andererseits erscheint die prognostizierte Zahl der H2-Lkw viel zu hoch gegriffen. Für H2-Lkw wird ein Markthochlauf nicht vor Ende des Jahrzehnts erwartet. Bis dahin wird bereits die dritte Generation von E-Lkw mit jährlichen Laufleistungen von bis zu 100.000 Kilometern im Einsatz sein.73 Zugleich hat sich die Volkswagen-Lkw-Tochter Scania bereits wieder von den H2-Lkw verabschiedet, da sie im Betrieb gegenüber E-Lkw unwirtschaftlich sind.154

E-Lkw erreichen spätestens im Jahr 2030 Kostenparität mit Diesel-Lkw

Rund 90 Prozent der Lkw-Transporte in der EU finden auf Strecken bis 500 Kilometer statt. Auf diesen Fahrten erreichen E-Lkw voraussichtlich zwischen den Jahren 2026 und 2030 Kostenparität mit Diesel-Lkw.64 In Deutschland sollen E-Lkw im Jahr 2030 auf 98 Prozent aller Strecken günstiger als Diesel-Lkw sein.63 Österreich hat bei der EU-Kommission ein Förderprogramm über 80 Prozent der Mehrkosten bei der Anschaffung eines E-Lkw eingereicht. Wird dieses Förderprogramm genehmigt, kommen die Vollkosten von E-Lkw bereits günstiger als Diesel-Lkw.43

Umgekehrt ist bei wasserstoffbetriebenen Lkw auf absehbare Zeit keine Kostenparität zum Diesel in Sicht. Zur Dekarbonisierung wird Wasserstoff sowohl von der Industrie als Ersatz für Erdgas als auch vom Luftverkehr zur Herstellung von E-Kerosin in großen Mengen benötigt. Eine aktuelle Studie zur preiselastischen Wasserstoffnachfrage kommt daher zu dem Schluss, dass Wasserstoff im Jahr 2030 zu teuer für den Einsatz im Gütertransport sein wird. Selbst für das Jahr 2045 wird Wasserstoff für den Lkw-Transport nur in kleinen Nischen erschwinglich sein – und selbst das nur bei unerwartet günstiger Preisentwicklung.57 Beim Einsatz von H2-Lkw bestünde daher dauerhaft Förderbedarf.

Der Energiebedarf pro 100 Tonnenkilometer liegt bei einem Güterzug bei 3,5 kWh, bei einem E-Lkw bei 12,1 kWh und bei einem Diesel- Lkw (Sattelzug 40t) sind es 21 kWh.
Die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene bringt die höchsten Energieeinsparungen und ist daher erste Priorität.

Bei Infrastrukturausbau auf E-Lkw fokussieren

Es ist unsicher, ob sich H2-Lkw jemals am Markt etablieren können. Daher sollten sich die EU-Mitgliedsstaaten in den laufenden Verhandlungen zu AFIR zu keinem überdimensionierten Ausbau der teuren H2-Tankinfrastruktur verpflichten lassen. Die Mittel sollten auf die Infrastruktur für E-Lkw fokussieren, die schon bald Kostenparität mit Diesel-Lkw erreichen und alle Anforderungen erfüllen werden. Wasserstoff-Infrastruktur sollte sich auf sogenannte No Regret-Nischen wie Häfen oder Industriecluster beschränken, in denen keine Gefahr von Fehlinvestitionen besteht.140

Technologieklarheit im Güterverkehr

  • Für die Klimaverträglichkeit des Güterverkehrs hat dessen Verlagerung auf die Bahn oberste Priorität.

  • Der Güterverkehr benötigt Technologieklarheit. E-Lkw haben die höchste Energieeffizienz und sind absehbar preislich und bei der Reichweite konkurrenzfähig.

  • Umsetzung der geplanten kilometerabhängigen Lkw-Maut auf dem gesamten europäischen hochrangigen Straßennetz.

  • Fokus auf den Aufbau einer grenzüberschreitenden und bedienfreundlichen Ladeinfrastruktur für batterie-elektrische Lkw.