Öffentlicher Verkehr ist Vorreiter der E-Mobilität

Der Öffentliche Verkehr behält seinen Vorsprung in der Energieeffizienz auf Dauer nur bei vollständiger Elektrifizierung von Bussen und Bahnen. Batteriebetriebene Busse erleben europaweit einen Boom, Wasserstoffantriebe werden deutlich weniger nachgefragt.

Batterie-elektrische Regionalbusse sind bereits heute praxistauglich. Seit dem Jahr 2020 sind 4 Elektrobusse in Vorarlberg auf unterschiedlichen Strecken im Gebiet Oberes Rheintal und Walgau unterwegs.
Der Verkehrsverbund Vorarlberg ist seit dem Jahr 2020 mit vier E-Regionalbussen im Gebiet Oberes Rheintal und Walgau unterwegs. Bis zum Jahr 2025 steigt die Zahl auf 108 E-Busse für Vorarlberg.

Der Öffentliche Verkehr ist wesentlich klimaverträglicher als der Pkw. Laut Umweltbundesamt verursachen Diesel- und Benzin-Pkw dreimal so hohe CO2-Emissionen wie Diesel-Busse und sogar elfmal so hohe Emissionen wie die Bahn, die 82 Prozent ihrer Personenkilometer bereits auf elektrifizierten Strecken mit Oberleitung erbringt.126

Ähnlich wie bei den Treibhausgasen sieht es beim kumulierten Energieaufwand (KEA) aus, der neben dem Treibstoffverbrauch auch den Energieeinsatz bei der Fertigung des Fahrzeugs und der Herstellung des Treibstoffs berücksichtigt. Der KEA eines Pkw mit Verbrennungsmotor ist pro Person und Kilometer rund viermal so hoch wie der eines Linien- oder Reisebusses und beinahe fünfmal so hoch wie jener der Bahn.126 Bei der Dekarbonisierung des Öffentlichen Verkehrs zeigt sich deutlich die Überlegenheit rein elektrischer Fahrzeuge gegenüber anderen Alternativen. Sowohl bei Linien- und Reisebussen als auch im Schienenpersonenverkehr benötigen die Wasserstoffvarianten rund 2,7-mal so viel Energie pro Personenkilometer wie die Batterieversionen der Fahrzeuge. Oberleitungszüge benötigen sogar nur ein Drittel der Energie von Wasserstoffzügen.92 Auf Basis von Wasserstoff würde der Öffentliche Verkehr also einen seiner großen Vorteile verlieren: die Energieeffizienz.

Elektrifizierung von Bahnstrecken steigt auf hohem Niveau weiter an

Auf der Schiene ist die Elektromobilität schon lange Alltag. Die erste elektrische Straßenbahn verkehrte in Wien bereits im Jahr 1897.159 Heute werden in Österreich 82 Prozent aller mit Schienenfahrzeugen zurückgelegten Personenkilometer auf Strecken mit Oberleitungen gefahren.128 Die Tendenz ist dabei weiter steigend: So planen die ÖBB weitere Strecken – etwa die steirische Ostbahn – zu elektrifizieren. Der Anteil elektrifizierter Strecken im ÖBB-Netz soll von 74 Prozent im Jahr 2021 auf 85 Prozent bis zum Jahr 2030 und 89 Prozent im Jahr 2035 steigen.167 Die weststeirische Regionalbahn Graz-Köflacher-Bahn (GKB) will bis zum Jahr 2028 die Elektrifizierung ihres gesamten Streckennetzes abschließen.74 Die Wiener Linien – mit ihrem U-Bahn- und Straßenbahnnetz neben den ÖBB das größte Schienenpersonenverkehrsunternehmen Österreichs – sind bereits seit dem Jahr 1925 auf den Schienen ausschließlich elektrisch unterwegs.163 Eine hundertprozentige Elektrifizierung streben die ÖBB aus Ressourcengründen jedoch nicht an. Um auf weniger intensiv genutzten Nebenstrecken künftig trotzdem emissionsfrei zu fahren, soll im Frühjahr 2023 eine Ausschreibung für 120 neue Triebzüge abgeschlossen werden, die den Strom sowohl aus der Oberleitung als auch bei Bedarf aus einer Batterie beziehen können.160

Für den Schienenpersonenverkehr kommt in Österreich in erster Linie Ökostrom zum Einsatz. ÖBB und Wiener Linien verwenden nach eigenen Angaben ausschließlich Ökostrom.168,158 Etwa ein Drittel des österreichweit benötigten Bahnstroms, Güterverkehr inklusive, kam dabei im Jahr 2021 aus neun Wasserkraftwerken der ÖBB.168 Dieser Wert soll durch Leistungssteigerungen bestehender Kraftwerke sowie Investitionen in Photovoltaik und Windkraft bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent steigen.167

Österreich gehört bei E-Bussen noch zu den Nachzüglern in Europa

Bei Bussen dominieren nach wie vor Dieselmotoren. Elektrisch betriebene Busse sind noch die Ausnahme. Salzburg und Linz verfügen seit Jahrzehnten über Oberleitungsbusse66, in Wien verkehren auf zwei innerstädtischen Linien seit dem Jahr 2013 kleine E-Busse mit Batterien94 und in Vorarlberg setzt der Postbus seit dem Jahr 2020 vier E-Busse im Regionalverkehr des Verkehrsverbund Vorarlberg ein.80 Seit Dezember 2022 betreibt der Postbus im Auftrag des Verkehrsverbund Ostregion auch zwei Regionalbuslinien zwischen Gänserndorf, Wolkersdorf und Mistelbach im südlichen Weinviertel mit insgesamt elf E-Bussen.155

Im Jahr 2021 gab es österreichweit 184 E-Busse.117 Aber nur ein Prozent der im Jahr 2021 neu angeschafften Stadtverkehrsbusse verfügte über emissionsfreie Antriebe – im Gegensatz zu 100 Prozent in den Niederlanden und 23 Prozent im europäischen Durchschnitt. Damit gehört Österreich europaweit zu den Nachzüglern bei der Elektrifizierung der Busflotten des Öffentlichen Verkehrs.58

Nur noch emissionsfreie neue Busse im Öffentlichen Verkehr in den Niederlanden

Die Niederlande sind unter den Vorreitern in Europa, wenn es um die Umstellung des Öffentlichen Verkehrs auf Elektro-Busse geht. Die niederländische Regierung hat bereits im Jahr 2016 eine Vereinbarung mit allen öffentlichen Verkehrsunternehmen getroffen. In dieser wurde festgelegt, dass diese ab dem Jahr 2025 keine neuen Dieselbusse mehr ankaufen dürfen und somit alle neuen Busse zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden müssen. Ab dem Jahr 2030 müssen dann alle Busse des Öffentlichen Verkehrs vollständig emissionsfrei sein. Das Vorgehen zeigt Erfolg: Schon im Jahr 2021 schafften die niederländischen Verkehrsunternehmen erstmals ausschließlich emissionsfreie Stadtverkehrsbusse an.

EU-Verordnung sorgt für Boom bei E-Bussen

Bei den Neuanschaffungen lagen im Jahr 2021 – laut einer Erhebung für die EU sowie für das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Norwegen und Island – batterie-elektrische E-Busse für den Stadtverkehr weit vor Bussen mit Brennstoffzellen (H2-Bussen): 3.282 verfügen über Batterien, nur 158 fahren mit Wasserstoff.33 Im ersten Halbjahr 2022 ging die Schere noch weiter auf. 1.768 neuen E-Bussen stehen nur 52 H2-Busse gegenüber, insgesamt stieg der Anteil der emissionsfreien Busse an den Neuanmeldungen in den untersuchten Staaten auf 30 Prozent.36

Die Zahl der Elektro-Busse wird auch weiterhin rasant steigen. Nach Vorstellungen der EU-Kommission soll bis zum Jahr 2030 der gesamte Linienverkehr unter 500 Kilometern klimaneutral sein.50 Zusätzlich hat die Europäische Union mit der Clean Vehicles Directive bereits jedem Mitgliedsstaat individuelle Ziele für den Öffentlichen Verkehr verordnet. 45 Prozent der in den Jahren von 2021 bis 2025 und 65 Prozent der von 2026 bis 2030 in Österreich ausgeschriebenen Stadtverkehrsbusse müssen demnach abgasarm sein. Mindestens jeweils die Hälfte davon muss sogar komplett abgasfrei sein.51 Dafür kommen wiederum nur Oberleitungsbusse, batterie- oder wasserstoffbetriebene Busse in Frage.

Mehr als 40 europäische Großstädte – darunter Berlin, London, Paris, Madrid und Rom – kaufen entweder bereits nur noch abgasfreie Busse oder wollen das spätestens ab dem Jahr 2025 tun. Elf davon – unter anderem Paris, Kopenhagen, Barcelona, Mailand und Hamburg – haben die Europäische Union aufgefordert, die Ziele der Clean Vehicles Directive zu verschärfen und bereits ab dem Jahr 2027 nur noch den Verkauf emissionsfreier Stadtverkehrsbusse zu gestatten. Durch dieses klar definierte Ziel sollen die Hersteller Investitionssicherheit für die rasch notwendigen Produktionskapazitäten erhalten.121,76 Denn die Nachfrage nach E-Bussen kann schon jetzt nicht völlig gedeckt werden.56

Förderprogramm sorgt auch in Österreich für verstärkte Nachfrage bei E-Bussen

Die europäischen Vorgaben, das im Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich fixierte Ziel ab dem Jahr 2030 nur noch emissionsfreie Busse zuzulassen22 und zuletzt vorhandene Fördermittel zeigen auch in Österreich Wirkung. Das Klimaministerium erteilte im Jahr 2022 über das EBIN-Programm Förderungen für die Anschaffung von 407 emissionsfreien Linienbussen sowohl für den Stadt- als auch den Regionalverkehr. Das Programm wird auch im Jahr 2023 weitergeführt, allerdings stehen von ursprünglich 250 Millionen Euro aus dem europäischen Aufbau- und Resilienzplan nur noch 90 Millionen Euro zur Verfügung.25,26

Die Wiener Linien haben im Jahr 2022 den Kauf von 60 zusätzlichen E-Bussen und zehn H2-Bussen bekannt gegeben. Letztere sollen auf einer Linie im Wienerwald einsetzt werden, da eine bessere Eignung für große Steigungen erwartet wird.157 Der Verkehrsverbund Vorarlberg setzt hingegen voll auf die Batterie. Bis zum Jahr 2025 ist dort die Anschaffung von 104 zusätzlichen E-Bussen für den Linienbetrieb geplant.152

Batterie-Elektrische Regionalbusse benötigen um die Hälfte weniger Energie. Elf batterie-elektrische Busse ersetzten acht Dieselbusse im südlichen Weinviertel im Linienbetrieb. Der Energiebedarf der Diesel Busse lag bei 34,3 kWh pro 100 km.
Elf batterie-elektrische Busse ersetzten acht Dieselbusse im südlichen Weinviertel im Linienbetrieb. Dies spart jährlich 2,3 Millionen Kilowattstunden Energie.

 

E-Busse laden sich beim Bergabfahren wieder auf

Im Tiroler Zillertal sind zu Beginn des Jahres 2023 vier E-Busse in den Regionallinienbetrieb gegangen. Den batteriebetriebenen Bussen wird dort trotz der bergigen Topografie ein hohes Potenzial bescheinigt. Denn dank der Möglichkeit der Rekuperation – der Zurückgewinnung von Energie beim Bremsen – kann auf den Bergabstrecken ausreichend viel Strom wieder in die Batterien gespeichert werden, um ohne Zwischenladen den Tag durchzufahren.77,113 Ansonsten kommen zum Laden von E-Bussen zwei verschiedene Konzepte zur Anwendung, die auch gemischt angewandt werden können. Grundsätzlich wird zwischen Depotlader und Gelegenheitslader unterschieden. Depotlader laden ihre Batterien außerhalb der Betriebszeit – etwa während der Nacht – mit einer relativ geringen Ladeleistung von 50 bis 150 Kilowatt. Gelegenheitslader laden die Batterien hingegen auch während der Betriebszeiten. Standard ist dabei Laden an der Endstelle einer Linie über einen Stromabnehmer – entweder schnell mit bis zu 450 Kilowatt Ladeleistung oder auch langsamer und dafür batterieschonender.66

Zur Herausforderung für die Verkehrsbetriebe wird die neue Infrastruktur für emissionsfreie Busse. Insbesondere der erhöhte Platzbedarf während des anfänglichen Parallelbetriebs mit Dieselbussen. Beim gleichzeitigen Einsatz von E- und H2-Bussen bleibt dieser auch langfristig erhalten, denn sowohl E-Busse als auch H2-Busse benötigen für Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung angepasste Werkstätten mit Dacharbeitsständen, Spezialwerkzeugen und Diagnoseausrüstung. Besonders aufwendig sind dabei Werkstätten für H2-Busse, da wegen der Explosionsgefahr Wasserstoff-Sensoren und automatisch öffnende Dachluken erforderlich sind. Besonders flächenintensiv sind auch Wasserstoff-Tankstellen. Eine für eine Flotte von 50 H2-Bussen geeignete Tankstelle benötigt – inklusive vorgeschriebenen Sicherheitsabständen zur Umgebung – etwa 500 bis 700 Quadratmeter, was vor allem im urbanen Gebiet herausfordernd ist.66

E-Mobilität ist vor allem Öffentlicher Verkehr. Im Jahr 2021 wurden in Summe 14 Milliarden Personenkilometer mit E-Mobilität zurückgelegt. Fast 90 Prozent entfielen auf den Öffentlichen Verkehr.
Fast 90 Prozent der im Jahr 2021 emobil zurückgelegten Personenkilometer entfielen auf den Öffentlichen Verkehr – trotz weniger Fahrgästen in Folge der Covid-19-Pandemie.

Fliegen als Nische für Wasserstoffantriebe

Im Flugverkehr kommen derzeitige Batterien aufgrund ihres Gewichts nur in Nischen für den kommerziellen Einsatz in Betracht. Daher sind andere Alternativen notwendig. Wasserstoff könnte hier in Zukunft eine Rolle spielen, aber die Entwicklung von Wasserstoff-Flugzeugen steckt noch in den Kinderschuhen. Airbus möchte zwar im Jahr 2026 ein Wasserstofftriebwerk testen55, rechnet aber selbst nicht vor dem Jahr 2035 mit der Verfügbarkeit eines entsprechenden Regionalflugzeugs. Wasserstoffbetriebene Großraumflugzeuge sind laut Airbus nicht vor dem Jahr 2050 realistisch.3 Schneller ginge die schrittweise steigende Beimischung von E-Fuels zum Kerosin, um Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. E-Fuels entstehen durch die Umwandlung von Wasserstoff mit Hilfe von Kohlenstoff unter Einsatz von Elektrizität. Dieser Power-to-Liquid-Prozess hat einen Wirkungsgrad von 70 Prozent, 30 Prozent der in diesem Schritt eingesetzten Energie gehen also verloren.92 Das wäre demnach zwar deutlich ineffizienter als Fliegen direkt mit Wasserstoff, ist aber auf absehbare Zeit die einzige Möglichkeit den Flugverkehr klimaverträglicher zu machen. Wie groß der Unterschied im Gesamtwirkungsgrad sein wird, ist jedoch noch unklar, da Wasserstofftriebwerke erst entwickelt werden müssen.

Öffentlichen Verkehr elektrifizieren

  • E-Mobilität ist vor allem Öffentlicher Verkehr. Er ist das Rückgrat eines klimaverträglichen Verkehrssystems und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung.

  • Sowohl innerstädtisch als auch auf regionalen Strecken sind praxistaugliche E-Busse bereits im Einsatz. Um alle unterschiedlichen Anforderungen abzudecken, braucht es rasch weitere Modelle am Markt.

  • Aufbau einer umfassenden Ladeinfrastruktur, um den Hochlauf der E-Busse zu ermöglichen.