Lenkungswirkung von Steuern im Verkehr erhöhen, Steuersystem an Dekarbonisierung anpassen
Für das Erreichen der Klimaziele ist die Dekarbonisierung des Verkehrs ein zentraler Baustein. Ein wichtiger Hebel sind Preisinstrumente, die die externen Kosten des Verkehrs internalisieren. Mit zunehmender Elektrifizierung braucht es im Pkw-Verkehr andere fahrleistungsabhängige Instrumente, als es derzeit die Mineralölsteuer ist.
Der Verkehrssektor ist mit einem Anteil von knapp einem Drittel nach dem Sektor Industrie und Energie der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen in Österreich. In den Jahren 1990 bis 2019 nahmen die verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 74 Prozent zu und erreichten 24 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Im Jahr 2020 lagen die Emissionen zwar mit 20,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten unter denen des Jahres 2019, allerdings ist dieser Rückgang auf die Maßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückzuführen. Insgesamt ist im Verkehr, anders als in allen anderen großen Sektoren in Österreich, bislang keine Trendwende in Richtung einer nachhaltigen Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen zu erkennen – im Gegenteil.105, 107
Nicht nur im Zusammenhang mit der angestrebten Dekarbonisierung der Gesellschaft spielt der Verkehr eine große Rolle, sondern auch in Hinblick auf das Volumen damit zusammenhängender Steuern und Abgaben, die auf Bundesebene einen Anteil von knapp sechs Prozent an den jährlichen Steuereinnahmen ausmachen.88 Im Zusammenhang mit dem Pkw-Verkehr sind vor allem die Mineralölsteuer (MÖSt), die Normverbrauchsabgabe (NoVA) und die motorbezogene Versicherungssteuer von Relevanz. Deren Gesamtvolumen betrug 7,6 Milliarden Euro im Jahr 2019. Im Jahr 2020 gingen diese Steuereinnahmen auf 6,6 Milliarden Euro zurück, was in erster Linie auf die reduzierten MÖSt-Einnahmen aufgrund der verordneten Verkehrsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist. Im Jahr 2021 lagen die Steuereinnahmen aus den genannten Steuern bei 7,3 Milliarden Euro.88 Bei den Mineralölsteuern sind neben dem Pkw auch die Einnahmen aus Lkw- und Bus-Verkehr sowie dem Heizöl-Verbrauch inkludiert.
Steuern mit wenig Lenkungswirkung
Verkehrs- und energiebezogene Steuern sollen nicht nur einen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Hand leisten, sondern auch eine Lenkungsfunktion erfüllen. Durch Steuern und Abgaben können negative externe Kosten, etwa für Umweltschäden, Luftverschmutzung und Verkehrsunfälle, verursachungsgerecht in die Preise für die Nutzung bestimmter Güter und Dienstleistungen internalisiert werden – zumindest in der Theorie. Dies ist in Österreich nämlich nur eingeschränkt der Fall, vor allem in Hinblick auf die Kompatibilität mit der Erreichung der Klimaziele. Während die Zulassungs- und Besitzsteuern für Pkw nach den spezifischen Emissionen differenziert sind, trifft dies auf die Mineralölsteuer nicht zu. Im Gegenteil, Diesel wird trotz höherer spezifischer Treibhausgas-Emissionen je Liter niedriger besteuert als Benzin. Vom Dieselprivileg profitieren neben dem Lkw-Verkehr vor allem wohlhabende Haushalte. Das reichste Einkommensfünftel tankt fünfmal so viel Diesel wie das Fünftel mit dem niedrigsten Einkommen. Insgesamt wird der private Autoverkehr durch die Steuerbegünstigung von Diesel mit jährlich rund 180 Millionen Euro subventioniert. Während das ärmste Einkommensfünftel davon knapp sieben Prozent bekommt, erhält das reichste Einkommensfünftel mit 34 Prozent ein fünfmal so großes Stück vom Dieselprivileg-Kuchen. Darüber hinaus sind die Mineralölsteuersätze in Österreich niedriger als im EU-Schnitt und deutlich niedriger als in den Nachbarstaaten Deutschland, Italien und Schweiz. Die Mineralölsteuer beträgt in Österreich für Diesel 0,397 und für Eurosuper 0,482 Euro pro Liter. In der Schweiz liegen die Steuersätze mit rund 0,74 Euro für einen Liter Benzin und 0,77 Euro für Diesel nicht nur deutlich höher als in Österreich, sondern Diesel wird zudem höher als Benzin besteuert. Die resultierende Preisdifferenz befeuert den Tanktourismus, insbesondere im Lkw-Verkehr.25 Auch in der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Krise im Jahr 2022, hat sich das grundsätzliche Preisverhältnis von Österreich zu den Nachbarstaaten kaum verändert.68
Steuern an Dekarbonisierung anpassen
Die angestrebte Dekarbonisierung wird im Verkehrsbereich mittel- und langfristig mit sinkenden Mineralölsteuereinnahmen verbunden sein. Derzeit werden für den Kauf von E-Pkw in Österreich Förderungen gewährt, zudem entfällt NoVA und die motorbezogene Versicherungssteuer ist reduziert. Mittelfristig müssen auch E-Pkw höher besteuert werden, um für die Finanzierung öffentlicher Ausgaben einen höheren Beitrag zu leisten und für die verursachten externen Kosten, etwa durch Unfälle, Flächenverbrauch, Stau und Reifenabrieb aufzukommen. Um den absehbaren Wegfall der MÖSt-Einnahmen auszugleichen, müssen Vergünstigungen bei Zulassungs- und Besitzsteuern über die Zeit auslaufen. Für einen höheren Lenkungseffekt ist zudem ein kilometerbezogenes Roadpricing-System zu implementieren. Entfernungsabhängige Gebühren können zusätzlich nach Fahrzeugmerkmalen, Ort oder Nutzungsdauer differenziert werden. Dadurch kann die Internalisierung externer Effekte generell verbessert sowie auf lokale wie regionale Herausforderungen eingegangen werden. Spezifische und flexible Benutzungsgebühren sind auch für urbane Räume wichtig, um die relativ hohen externen Kosten des städtischen Verkehrs zu bepreisen.68 Zusätzlich sind ergänzende Maßnahmen wichtig, wie veränderte Raum- und Verkehrsplanung, stärkeres Parkraummanagement und die Schaffung einer österreichweiten Mobilitätsgarantie, die Mobilität ohne ein Auto besitzen zu müssen, sicherstellt.
Kfz-Besteuerung verbessern
- Ein klimaverträgliches Steuersystem muss die externen Kosten des Verkehrs in die Preise internalisieren, um Lenkungswirkung zu erzeugen.
- Kurz- bis mittelfristig ist die Besteuerung fossiler Treibstoffe an die spezifischen Treibhausgas-Emissionen anzupassen und per CO2-Bepreisung sukzessive zu erhöhen.
- Mittelfristig ist die Bepreisung des Verkehrs auf eine neue Basis zu stellen. Dazu ist eine umfassende Reform der Kfz-Besteuerung notwendig und kilometerabhängiges Roadpricing ein zentraler Baustein.