Automatisierte Fahrzeuge im Straßenverkehr: Chance oder Risiko?
Von Michael Schwendinger (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), November 2025
Singapur, Taipeh, Austin, Palm Beach, Bozen, Barcelona, Graz, Berlin und Hamburg – in all diesen Städten starten im Jahr 2025 oder 2026 neue Pilotprojekte für vollautomatisierte Busse. In Hamburg sind bereits erste automatisierte Shuttles unterwegs, bis Ende 2025 soll ein Pilotbetrieb mit Fahrgästen starten.1 Das Projekt ist groß gedacht, bis zum Jahr 2030 sollen bis zu 10.000 solcher Shuttles auf Hamburgs Straßen als Ergänzung zu Bus und Bahn unterwegs sein. Die fünf Meter langen Fahrzeuge mit Platz für 15 Personen könnten plangemäß bereits im Jahr 2028 in den regulären Betrieb gehen, ab dem Jahr 2032 dann Linienbusse mit bis zu siebzig Personen.2Im norwegischen Stavanger fährt bereits seit dem Jahr 2022 ein acht Meter langer, vollautomatisierter Bus im Linienverkehr.3 In den USA haben private Anbieter von vollautomatisierten Taxis seit dem Jahr 2020 mehr als 70 Millionen Kilometer zurückgelegt.4 In China waren im Jahr 2024 schon mehr als 10.000 solcher Robo-Taxis unterwegs, wobei Wuhan zur ersten chinesischen Stadt mit nahezu flächendeckendem Angebot wurde.5
Automatisiertes Fahren in Österreich
Auch in Österreich gibt es seit dem Jahr 2017 im salzburgischen Koppl und 2018 im kärntnerischen Pörtschach Pilotprojekte. Im Jahr 2024 stellte das Verkehrsministerium neun Bescheinigungen für Testbetriebe aus.6 Laut einer Wirtschaftsstudie könnten im Jahr 2030 bereits zehn Prozent der weltweit neu zugelassenen Fahrzeuge zumindest abschnittsweise automatisiert fahren.7 Was lange Zeit eine vage Zukunftsvision war, wird also im Laufe dieses Jahrzehnts zur handfesten Praxis – und diese Entwicklung hat großes Transformationspotenzial für den gesamten Mobilitätsbereich. Ist das gut oder schlecht für ein nachhaltiges Verkehrssystem?
Vollautomatisierte Fahrzeuge als Ergänzung
In zahlreichen Strategiepapieren wird angestrebt, den Anteil des Öffentlichen Verkehrs im Sinne eines nachhaltigen Verkehrssystems sukzessive zu erhöhen. Dem steht entgegen, dass Buslenken seit dem Jahr 2024 auf der Liste der „Mangelberufe“ steht und bis zum Jahr 2030 allein in Wien rund 5.000 Buslenkerinnen und Buslenker fehlen.8 Insofern ruht auf vollautomatisierten Shuttles und Bussen die Hoffnung, das öffentlich zugängliche Mobilitätsangebot auch auf bisher schwer erschließbare Regionen sowie Tagesrandzeiten und Wochenenden ausweiten zu können – trotz absehbarem Personalengpass. Auch Kostenaspekte spielen für die Ausweitung des öffentlichen Mobilitätsangebots natürlich eine wichtige Rolle. Aktuell sind die Kosten für vollautomatisierte Fahrzeuge höher als jene für herkömmliche Busse und Mitfahrdienste, da die Fahrzeuge teuer und die Datenerfassung der Betriebsgebiete aufwendig sind. Aufgrund von Skaleneffekten wird allerdings damit gerechnet, dass sich die Betriebskosten für vollautomatisierte Fahrzeuge bis zum Jahr 2035 um bis zu 85 Prozent reduzieren.9 Aus beiden Aspekten zusammen speist sich die Hoffnung, dass automatisierte Fahrzeuge ermöglichen, was bisher kaum zu organisieren war: ein flächendeckendes und lückenloses öffentliches Mobilitätsangebot.
Konkurrenz zwischen Öffentlichem Verkehr und Robo-Taxis
Soweit die Theorie. Tatsächlich könnten privat betriebene Robo-Taxis laut einer Studie der ETH Zürich den Öffentlichen Verkehr weitgehend verdrängen.10 In einer Modelsimulation für die Situation in Berlin analysiert die Studie, was passiert, wenn Robo-Taxis unreguliert und profitorientiert arbeiten, während der Öffentliche Verkehr flächendeckend und inklusiv operiert. Dann nämlich könnten Robo-Taxis mittels dynamischer Preisstrategie die Ticketpreise im Öffentlichen Verkehr bei lukrativen Fahrten systematisch unterbieten, während sie weniger gewinnbringende Fahrten künstlich verteuern, um sie dem Öffentlichen Verkehr zu überlassen. Damit blieben dem Öffentlichen Verkehr mit seinem gemeinwohl-orientierten Auftrag die aufwendigen und kostspieligen Fahrten in dünn besiedelten Regionen an der Peripherie, während im lukrativen Ballungsraum ein Unterbietungswettbewerb läuft. Mittelfristig könnten Robotaxis dem Öffentlichen Verkehr dadurch nach und nach Marktanteile abgraben, bis sie regionale Monopolstellungen entwickeln und höhere Preise aus einem Mangel an Konkurrenz diktieren könnten. Die Studie nennt eine Spannbreite der potenziell von Robo-Taxis übernommenen Fahrgästen von 7 bis 80 Prozent – also von wenig, zu existenzbedrohend.
Den entscheidenden Unterschied, ob Robo-Taxis zur übermächtigen Konkurrenz des Öffentlichen Verkehrs oder zur sinnvollen Ergänzung werden, machen die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dazu gehören etwa die Begrenzung der Flottengröße von Robo-Taxis, die Einschränkung der Betriebsgebiete inklusive verpflichtender Ausdehnung auf periphere Lagen, die Integration von Robo-Taxis inklusive Buchung in das öffentliche Verkehrssystem, eine adäquate Besteuerung, um Dumping-Preise zu verhindern, sowie auch verpflichtende Ein- und Ausstiegszonen, um Robotaxi-Angebote sinnvoll in das bestehende Angebot des Öffentlichen Verkehrs zu integrieren.
Vollautomatisierte Fahrzeuge werden die Mobilität im kommenden Jahrzehnt absehbar stark verändern. Ob das eine gute oder schlechte Nachricht ist, hängt von den gesetzten Rahmenbedingungen ab.
Lanzetti et al. (2024): On the Interplay Between Self-Driving Cars and Public Transportation. In: IEEE Transactions on Control of Network Systems, 11/3.
VCÖ (Wien, 16. Juli 2024) – Carsharing verbessert die Umwelt- und Energiebilanz des Autoverkehrs, reduziert Parkplatzprobleme und verringert die Mobilitätskosten der Haushalte, wie Vorträge und Praxis-Inputs bei der heutigen online abgehaltenen VCÖ-Fachkonferenz zeigten. Um das große Carsharing-Potenzial in Österreich besser auszuschöpfen, braucht es mehr Angebote und stärkere Anreize diese zu nutzen, stellt die Mobilitätsorganisation VCÖ fest. In Österreich lenken mehr als 1,3 Millionen Personen nur selten ein Auto, es sind nur maximal zehn Prozent der privaten Pkw gleichzeitig im Einsatz und es gibt rund 1,4 Millionen Zweit- und Drittautos mit einer durchschnittlich niedrigen Fahrleistung.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Hitze-Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius in Österreichs Städten mehr als verdoppelt. Hitze ist ein erhebliches Gesundheitsrisiko, insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen. Der Kfz-Verkehr trägt nicht nur indirekt durch den CO2-Ausstoß zur Hitzebelastung bei. Die Hitzebelastung wird durch die beim Fahren vom Motor erzeugte Abwärme, die Schadstoffemissionen und durch die für Straßen und Parkplätze mit Asphalt versiegelten Flächen verstärkt.