Die Verdreifachung des Pendlereuros wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht
Von Michael Schwendinger (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), Juni 2025
Österreich muss sparen, die neue Bundesregierung kürzt Ausgaben quer durch die Bank. Besonders in den Bereichen Umwelt und Verkehr wird der Gürtel enger geschnallt. Gestrichen werden etwa der Klimabonus, Umweltförderungen, das Gratis-Klimaticket für 18-Jährige, das ÖBB-Bauprogramm wird nach hinten geschoben, mehrere Regionalbahnen sind von der Einstellung bedroht, das Klimaticket wird teurer, der Selbstbehalt für Schüler- und Lehrlingsfreifahrten erhöht und anderes mehr. Gleichzeitig wird die Normverbrauchsabgabe für Klein-Lkw abgeschafft. Ein 50 Millionen Euro teures, klimaschädliches Steuergeschenk, von dem auch spritfressende Pickups profitieren. Außerdem wird der Pendeleuro um knapp 200 Millionen Euro pro Jahr verdreifacht. Die Regierung begründete das damit, dass vor allem für Haushalte in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung ein Ausgleich für die Abschaffung des Klimabonus geschaffen werden soll.1 Taugt die Erhöhung des Pendlereuros als sozial-ökologischer Ausgleich?
Wohnen wird teurer, pendeln gefördert
Zunächst fällt auf, dass von diesem Ausgleich nur Pendelnde profitieren, obwohl rund ein Drittel der von Privaten direkt verursachten CO2-Emissionen aus dem Sektor Wohnen – also vom Heizen mit Öl und Gas – stammt.2 Und obwohl die Preise im Bereich Wohnen, Wasser, Energie im letzten Jahrzehnt von 2014 bis 2024 mit plus 48 Prozent deutlich stärker gestiegen sind, als jene im Bereich Pkw-Verkehr mit plus 28 Prozent.3Ursprünglich wurde der Pendeleuro im Jahr der Niederösterreichischen Landtagswahl sowie Nationalratswahl 2013 angesichts steigender Spritpreise eingeführt – ein klassisches „Wahlzuckerl“ also. Im Jahr 2012 erreichte der Dieselpreis mit 1,41 Euro pro Liter einen Höchstwert. Obwohl der Preis anschließend wieder auf 1,03 Euro im Jahr 2016 sank, blieb der Pendeleuro erhalten.4 Im Jahr 2024 lag der Dieselpreis durchschnittlich zwar mit 1,59 Euro über dem Wert von 2012 – was allerdings einer Preissteigerung deutlich unter der allgemeinen Inflationsentwicklung entspricht. Die realen Spritkosten sind also im Vergleich zu damals gesunken.5 Anders gesagt: Im Jahr 2012 konnte man mit einem durchschnittlichen monatlichen Nettogehalt 26 Mal (50 Liter) volltanken, im Jahr 2024 waren es mit 35 Tankladungen um rund ein Drittel mehr.6 Im Jahr 2025 sind die Spritpreise im ersten Quartal weiter gesunken. Auch im internationalen Vergleich sind die Spritkosten in Österreich niedrig, so zahlt man etwa in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden deutlich mehr für Diesel und Benzin als in Österreich.7 Auch was Parkgebühren im öffentlichen Raum sowie Zulassungs- und Besitzsteuern anlangt, gehört Österreich im EU-Vergleich zu den Staaten mit relativ niedrigen Tarifen.8 Kurzum: Autofahren ist zwar generell eine teure Art der Fortbewegung, ist im internationalen Vergleich und im Laufe des letzten Jahrzehnts aber in Österreich relativ günstig geblieben – zumal im Vergleich zu den Wohnkosten, für die es im Gegensatz zum Pendeln keinen Klimabonus-Ausgleich gibt.
Mehr klimaschädliche Subventionen statt weniger
Ein weiteres Kuriosum bei der Verdreifachung des Pendeleuros besteht darin, dass damit genau jener Bereich zusätzlich gefördert wird, in dem es in Österreich bereits jetzt an klimaschädlichen und sozial unausgewogenen Förderungen wimmelt. Während es etwa in Italien keinerlei Absetzbarkeit für Arbeitswege gibt und in anderen EU-Staaten auf ein Instrument fokussiert wird, gibt es in Österreich mehrere Förderungen gleichzeitig: den Verkehrsabsetzbetrag, das Pendelpauschale, den Pendeleuro, weitere Bundeslandzuschüsse, zusätzliche Fahrtkostenzuschüsse für Beamtinnen und Beamten sowie das Öffi-Jobticket und Jobrad. Obwohl der Verkehrsabsetzbetrag von 487 Euro pro Jahr bereits die Aufwendungen für Arbeitswege pauschal abgelten soll, gibt es zusätzlich bereits ab einem Arbeitsweg von zwei Kilometer Pendlerpauschale plus Pendeleuro. In den Niederlanden können generell nur Kosten für den Öffentlichen Verkehr abgesetzt werden und es gilt eine Kilometer-Untergrenze von zehn Kilometern, in Dänemark von zwölf Kilometern.9 Der Förder-Dschungel im Pendelwesen Österreichs ist nicht nur undurchsichtig, sondern zudem klimaschädlich – zumal Anreize zur Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel oder dem Fahrrad fehlen. Das Wifo geht daher allein bei Pendelpauschale und Pendeleuro von rund 500 Millionen Euro an klimaschädlichen Subventionen pro Jahr aus.10 Durch die Verdreifachung des Pendeleuros kommen rund 200 Millionen Euro pro Jahr dazu. Und dass, obwohl sich Österreich im „Nationalen Energie- und Klimaplan“ gegenüber der EU verpflichtet hat, klimaschädliche Subventionen bis zum Jahr 2030 zu reduzieren, sodass der CO2-Ausstoß jährlich um zwei Millionen Tonnen sinkt. Erreichen wir die verpflichtenden Klimaziele nicht, drohen Budgetkosten von bis zu 5,9 Milliarden Euro. Klimaschädliche Subventionen kosten also doppelt.
Pendeleuro landet bei reicheren Haushalten
Erschwerend kommt hinzu, dass die Verdreifachung des Pendeleuros das eigentliche Ziel der Übung – ein Ausgleich für Haushalte mit niedrigem Einkommen – laut Analyse des parlamentarischen Budgetdiensts klar verfehlt. Während vom abgeschafften Klimabonus alle Haushalte quer durch die Einkommensverteilung etwa gleich stark profitierten, profitieren vom erhöhten Pendeleuro vor allem reichere Haushalte. Der oberen Hälfte der Einkommensverteilung kommen 79 Prozent des erhöhten Pendeleuros zu, der unteren Hälfte bleiben lediglich 21 Prozent. Die 20 Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen erhalten mit 36 Prozent der Zusatzförderung überdurchschnittlich viel, während die unteren 20 Prozent mit lediglich drei Prozent fast leer ausgehen.11 Generell zählen Pendelnde in Österreich laut Budgetdienst zu den Erwerbstätigen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen und auch vom Pendelpauschale profitieren reichere Haushalte deutlich mehr als ärmere. Ökonom Benjamin Bittschi hat diese soziale Schieflage schon vor Jahren so beschrieben: „Vereinfacht und überspitzt gesagt bezahlt eine im städtischen Arbeiterviertel wohnende Putzfrau die Fahrt von Ärzten und Rechtsanwälten aus der Villa im Speckgürtel in die innerstädtische Arbeit, ohne für die erhöhten Wohnkosten im urbanen Raum entschädigt zu werden.“12 Die Verdreifachung des Pendeleuros verschärft diese Schieflage noch weiter.
Flächendeckendes Öffi-Angebot ausbauen statt Pendelförderung weiter aufblasen
Obwohl die Wohnkosten deutlich stärker als die Pendelkosten gestiegen sind und man zumindest in Mietwohnungen installierten Öl- und Gasheizungen mehr oder minder ausgeliefert ist, unterstützt die Verdreifachung des Pendeleuros einseitig den Pendelverkehr – der in Österreich ohnehin schon eine unübersichtliche Vielfalt an Doppelförderungen genießt. Anstatt klimaschädliche Subventionen angesichts drohender Milliarden-Zahlungen ab dem Jahr 2030 abzubauen, verschärft die Zusatzförderung das Problem. Anders als gewünscht, landet der Großteil der Förderung zudem bei reicheren Haushalten, während ärmere Haushalte wenig davon haben.
Kurzum: Die Verdreifachung des Pendeleuros mag gut gemeint, einfach umsetzbar und politisch opportun sein – bei genauem Hinsehen ist sie aber weder sozial noch ökologisch sinnvoll und verfehlt somit den eigenen Anspruch klar. Sinnvoller investiert wären die jährlich rund 200 Millionen Euro in ein flächendeckendes Angebot des Öffentlichen Verkehrs in den Regionen – speziell auch an Tagesrandzeiten. Dadurch könnten nicht nur mehr Pendelnde auf den Öffentlichen Verkehr umsteigen und sich Spritkosten sparen, es würde zudem ein Beitrag zu einem sozialeren und nachhaltigerem Verkehrssystem geleistet.
Quellen
Quellen
1
Bundesministerium Finanzen: Doppelbudget 2025/2026. Die Staatsfinanzen sanieren. Das Richtige tun. Für Zuversicht sorgen. Budgetrede Finanzminister Dr. Markus Marterbauer. Wien: 2025.
Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Statistik Austria: Verbraucherpreisindex nach Verbrauchsgruppen. In: WKO Statistik. Quelle: Statistik Austria. Wien: 2025.
Statistik Austria: Index, Bruttopreise der wichtigsten Energieträger für den privaten Einsatz. Energiepreise und -steuern, Gütereinsatzstatistik 2023, Großhandelspreisindex 2024. Wien: 2025.