Ende der Freiflüge auf Klimakosten

Zunahme des Flugverkehrs ist außer Kontrolle

Juni 2019

Der Flugverkehr ist der am stärksten wachsende Verkehrsträger. Die Treibhausgas-Emissionen des Flugverkehrs in der EU haben sich seit dem Jahr 1990 verdoppelt. Dass ausgerechnet das Flugzeug als klimaschädlichstes Verkehrsmittel in Zeiten der Klimakrise umfangreiche Steuerprivilegien genießt, stellt einen totalen Kontrollverlust dar. Eine geleakte Studie im Auftrag der EU-Kommission zeigt, dass der Flugverkehr in Europa selbst im globalen Vergleich besonders gering besteuert wird.

Ein schnelles Ende des steuerrechtlichen Freiflugs ist angesichts der Klimakrise überfällig. Die CO2-Emissionen von Flügen innerhalb Europas sind allein im Jahr 2018 um 4,9 Prozent gestiegen, während sie in anderen Sektoren, die dem Emissionshandel unterliegen, zurückgingen. Insgesamt haben die Emissionen des Flugverkehrs in Europa binnen fünf Jahren um 26 Prozent zugenommen. Ryanair ist nun in die Liga der zehn größten CO2-Emittenten in Europa aufgestiegen, was bisher allein Kohlekraftwerken vorbehalten war.
In Österreich liegen Austrian Airlines auf Platz vier der größten CO2-Verursacher im EU-Emissionshandel (ETS).

Dass das Fliegen so billig ist und rasant zunimmt, ist unter anderem eine Folge von Steuerbegünstigungen und fehlender Kostenwahrheit. Während die Bahn für den Strom Energieabgaben zu zahlen hat und Autofahrer für Diesel und Eurosuper Mineralölsteuer zahlen, machte die Steuerbegünstigung von Kerosin im Jahr 2018 allein in Österreich rund 490 Millionen Euro aus, wenn vom Mineralölsteuersatz auf Benzin ausgegangen wird. Im Zeitraum 2010 bis 2018 förderte Österreich den Flugverkehr so indirekt in Summe mit fast 3,8 Milliarden Euro, wie eine Analyse des VCÖ zeigt.

In Österreich ist im Jahr 2018 die getankte Menge an Flugtreibstoffen und somit der CO2-Emissionen um rund zwölf Prozent auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Eine Milliarde Liter flossen in die Tanks der Flugzeuge. Die CO2-Emissionen des Flugverkehrs aus Österreich machen damit rund 2,6 Millionen Tonnen aus (eine Tonne Kerosin entspricht laut Umweltbundesamt 3,14 Tonnen CO2).

Flugverkehr ist im globalen Vergleich in der EU unterbesteuert

Die EU-Kommission ließ in einer Studie die Besteuerung des Flugverkehrs im globalen Vergleich untersuchen, die Ergebnisse wurden aber bisher unter Verschluss gehalten. Dem EU-Dachverband des VCÖ, Transport & Environment, wurde die Studie nun zugespielt. Sie zeigt, dass das Fliegen im globalen Vergleich in Europa besonders wenig besteuert wird.

Viele große Staaten besteuern Kerosin für Inlandsflüge

Selbst in Staaten wie den USA oder Brasilien sind die Steuern auf den Flugverkehr höher, insbesondere bei Inlandsflügen. Neben den USA gibt es unter anderem auch in Kanada, Japan, Australien, Thailand und sogar in Saudi-Arabien eine Kerosinsteuer bei Inlandsflügen.

Die Studie legt zur Berechnung des Effekts einer EU-weiten Kerosinsteuer 33 Cent pro Liter Kerosin zugrunde (die Mineralölsteuer auf Benzin beträgt in Österreich 48 Cent pro Liter). Dies würde die CO2-Emissionen des Flugverkehrs in der EU um elf Prozent reduzieren, in Österreich um acht Prozent. Den Mitgliedsstaaten brächte dies Einnahmen von rund 27 Milliarden Euro pro Jahr, Österreich jährlich mehr als 300 Millionen Euro.

Faire Besteuerung des Fliegens reduziert Klimabelastung ohne Auswirkungen auf Gesamtwirtschaft

In der Studie wurden auch die wirtschaftlichen Effekte einer Kerosinabgabe untersucht. Rückgänge in der Luftfahrt würden durch Steigerungen in anderen Branchen wieder kompensiert. In Summe sind durch die Kerosinsteuer keine Auswirkungen auf Beschäftigungsniveau und Bruttoinlandsprodukt zu erwarten.

Die Steuerbefreiung von Kerosin geht auf das Chicagoer Abkommen aus dem Jahr 1944 zurück. Dieses antiquierte Privileg auf EU-Ebene abzuschaffen, steht rechtlich nichts im Weg. Zuletzt haben sich die Niederlande, Belgien und Frankreich für eine europaweite Besteuerung des Flugverkehrs ausgesprochen, und auch in Deutschland zeigt sich endlich Bewegung in diese Richtung.

Mit Flugabgaben mehr erreichen als fehlende Umsatzsteuer auf Tickets ausgleichen

Neben der fehlenden Steuer auf Kerosin fällt auf Tickets für grenzüberschreitende Flüge gemäß EU-Mehrwertsteuerrichtlinie keine Umsatzsteuer an. Wie groß der Umfang dieser Steuerbegünstigung EU-weit ist, zeigt ein Szenario der Kommissionsstudie: Würde auf Flugtickets in der EU der deutsche Umsatzsteuersatz von 19 Prozent angewandt, würden die Staaten dadurch rund 40 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen, und das bei einer um 19 Prozent geringeren Anzahl an Flugpassagieren.

Als Ausgleich für die fehlende Umsatzsteuer auf das Fliegen sind Abgaben auf Flugtickets in der EU weit verbreitet, mehr als die Hälfte des Flugverkehrsmarktes unterliegt einer Form der Ticketabgabe. Österreich hat seine Flugticketabgabe kürzlich halbiert, was aus Sicht des VCÖ ein Fehler ist.

Ticketabgaben können noch weiter auf ihre ökologische Lenkungswirkung hin verbessert werden, indem Treibstoffverbrauch und Umweltauswirkungen eingerechnet werden. Im Vergleich verschiedener Optionen zeigt sich, dass eine Ticketabgabe pro Flugzeug die ökologisch vorteilhafteste Variante darstellt, da sie so ein starker Anreiz ist, die Gesamtsumme auf möglichst viele Passagiere zu verteilen, und Transferpassagiere nicht ausnimmt.

Auch das WIFO (Wirtschaftsforschungsinstitut) hat ein Konzept für eine CO2-basierte Flugticketabgabe vorgelegt.

Flugverkehr reduzieren und internationales Bahnangebot ausbauen

Mit der Verdopplung des Treibhausgas-Ausstoßes seit dem Jahr 1990 stellt der Flugverkehr das größte Versagen Europas im Klimaschutz dar. Viele Kurzstreckenflüge könnten auf die Bahn verlagert werden, wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten die grenzüberschreitenden Bahnverbindungen verbessern. Die Klimaziele sind nur mit weniger Flugverkehr und einer stärkeren Verlagerung innereuropäischer Reisen auf die Schiene zu erreichen. Es ist aus Sicht des VCÖ ein Gebot der Fairness, wenn Kerosin wie andere Treibstoffe und Heizöl auch besteuert wird; in einer Höhe, die einem steigenden CO2-Preis und den externen Kosten für Luftschadstoffe und Lärm entspricht. Ein erster Schritt dazu ist die Besteuerung von Kerosin auf Flügen innerhalb der EU. Dies können die EU-Staaten untereinander vereinbaren, da nicht-europäische Airlines davon kaum betroffen bzw. einfach auszunehmen wären.

Es braucht die rasche Abschaffung von Steuerprivilegien für den Flugverkehr, ein Ende der Gratis-Zuteilung von CO2-Zertifikaten an Fluglinien und ein Moratorium für Flughafenausbauten. Gefragt sind ein massiver Ausbau der Schieneninfrastruktur und des internationalen Bahnangebots innerhalb Europas, vor allem der Nachtzugverbindungen.

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Alternative Treibstoffe alleine werden den Flugverkehr nicht nachhaltig machen

Fliegen ist – alleine schon aus physikalischen Gründen – eine der energieintensivsten und damit auch klimaschädlichsten Fortbewegungsarten. Ein Kurzstreckenflug bis 1.000 Kilometer verursacht pro Kilometer rund 27-mal so viele CO2-Emissionen wie die Bahn in Österreich. Im Jahr 2023 verursachte das in Österreich getankte Kerosin rund 2,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen und damit eigentlich mehr als 10 Prozent des gesamten Verkehrssektors – eigentlich, weil diese Emissionen (mit Ausnahme der 0,03 Millionen Tonnen CO2 des Inlandflugverkehrs) bei der österreichischen Klimabilanz ausgeklammert bleiben.

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Foto: Spencer Imbrock, unsplash

VCÖ: Eisenstadt hat im Landeshauptstadt-Vergleich den höchsten E-Pkw-Anteil bei Neuwagen, Wien im Bundesland-Vergleich

VCÖ (Wien, am 12. Juli 2024) – Die Unterschiede beim Elektroauto-Anteil bei Neuwagen sind in Österreich groß, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. Bei den Landeshauptstädten ist Eisenstadt mit fast 26 Prozent E-Auto-Anteil Spitzenreiter, St. Pölten mit 15 Prozent Schlusslicht. Bei den Bezirken außerhalb Wiens liegt Linz-Land mit fast 28 Prozent vor dem Bezirk Rohrbach mit fast 24 Prozent an der Spitze, den niedrigsten Anteil hat der Bezirk Lilienfeld mit etwas mehr als vier Prozent, informiert die Mobilitätsorganisation VCÖ. Was bei den Neuzulassungen noch auffällt: Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der neuzugelassenen Diesel-Pkw ist gestiegen und 81 Prozent der Diesel-Pkw wurden auf Firmen oder andere juristische Personen zugelassen. Der VCÖ fordert ein Ende der steuerlichen Begünstigung von privat genutzten Diesel- oder Benzin-Dienstwagen.

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Foto: E-Auto, welches gerade geladen wird, vor einem Feld mit Windrädern