Keine Zeit verlieren: Warum ein Aus für neue Diesel-Lkw ab 2035 sinnvoll ist
Von Michael Schwendinger (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), Dezember 2022
Der Lkw-Verkehr ist eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Verkehrssystem – und wird vor allem durch den regulatorischen Rahmen auf EU-Ebene bestimmt. Trotz technologischen Fortschritts und effizienteren Motoren haben die Treibhausgas-Emissionen des Lkw-Verkehrs in der EU vom Jahr 1990 bis 2019 um ein knappes Drittel zugenommen.1 Zudem verursacht der Lkw-Verkehr mehr Erdöl-Importe: Im Jahr 2021 wurden 38 Prozent des EU-Dieselverbrauchs in Lkw-Motoren verbrannt.2 Leider wird sich das Problem nicht von alleine lösen. Bis zum Jahr 2050 rechnet die EU-Kommission mit einer weiteren Zunahme des Lkw-Verkehrs um 44 Prozent gegenüber dem Jahr 2020.3
Grafik: T&E
E-Lkw als zukünftiger Standard
Ein Teil der Lösung ist die rasche Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs. Die gute Nachricht: E-Lkw sind keine Utopie mehr. Große Lkw-Hersteller wie Daimler, MAN, Scania und Volvo haben bereits angekündigt, dass im Jahr 2030 rund 40-60 Prozent ihrer verkauften Lkw emissionsfrei unterwegs sein werden.4 Für das Jahr 2023 hat die Branche rund 60 batterie-elektrische Lkw-Modelle angekündigt. Die Serienproduktion von E-Lkw mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern startet voraussichtlich im Jahr 2024.5 Ein Schweizer Spezialist für E-Lkw hat schon im Jahr 2022 einen Sattelschlepper mit 1.000 Kilowattstunden Batterie-Speicherkapazität und einer Reichweite von mehr als 550 Kilometer bei voller Beladung vorgestellt.6
Denkt man die gesetzlichen Lenkpausen mit, ist das Thema Reichweite damit weitgehend erledigt. Bei Einhaltung des 80 Stundenkilometer Tempolimits kommt ein Lkw 360 Kilometer weit, bevor die verpflichtende 45-Minuten-Pause für eine Zwischenladung genutzt werden kann. Klassische Lkw, die zumeist im Regionalverkehr im Einsatz sind, legen in der EU durchschnittlich 286 Kilometer pro Tag zurück. Bei Sattelschleppern, die meist im Fernverkehr genutzt werden, sind es 530 Kilometer pro Tag.7
Auch was die Nutzlast angeht, sind schwere E-Lkw konkurrenzfähig. Gegenüber Diesel-Lkw können bei Motor, Getriebe und Tank bis zu drei Tonnen eingespart werden. Die EU erlaubt zudem zwei Tonnen Mehrgewicht für emissionsfreie Lkw, wodurch selbst bei sehr großen Akkus bis zu fünf Tonnen kein Nachteil entsteht – eine Ansicht, die übrigens auch die Lkw-Hersteller Traton und Daimler teilen.8 Anders formuliert: wer von Lkw mit 1.000 Kilometer Reichweite spricht und deshalb skeptisch gegenüber batterie-elektrischen Lkw ist, argumentiert an der europäischen Realität vorbei.
Trumpfkarte Wirtschaftlichkeit
Die Transportwirtschaft ist eine wettbewerbsintensive Branche. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Fahrzeuge wird die Wirtschaftlichkeit am Ende des Tages eine entscheidende Rolle spielen. Angesichts der absehbar hohen und steigenden Energiekosten ist klar: Energieeffizienz ist Trumpf. Eine Studie des renommierten International Council on Clean Transportation (ICCT) zeigt, dass batterie-elektrische Lkw aufgrund der unschlagbaren Energieeffizienz Kostenparität mit Diesel-Lkw auch ohne jegliche Subvention noch im Laufe dieses Jahrzehnts erreichen werden – mit staatlicher Unterstützung schon heute.9 Gemäß einer aktuellen Studie der niederländischen Forschungseinrichtung TNO werden E-Lkw im Jahr 2030 bei Gesamtkostenbetrachtung in 99,6 Prozent der Anwendungsfälle kostengünstiger als Diesel-Lkw sein. Wasserstoff-Lkw werden hingegen aufgrund der niedrigeren Energieeffizienz sogar in optimistischen Szenarien auch über das Jahr 2030 hinaus teurer als Diesel-Lkw bleiben.10 Das heißt: für Nischenanwendungen mit Spezialanforderungen werden Wasserstoff-Lkw voraussichtlich eine Rolle spielen. Wer aber den Großteil der Lkw-Transporte in Europa auf Wasserstoff-Antrieb umstellen will, geht von dauerhaften öffentlichen Subventionen aus oder nimmt absehbar Mehrkosten in Kauf.
EU-Regulierung muss die Weichen stellen
Derzeit wird auf EU-Ebene über die Aktualisierung der Verordnung zu CO2-Standards für Nutzfahrzeuge aus dem Jahr 2019 verhandelt. Zusammen mit der Verordnung über die Infrastruktur für alternative Antriebe (AFIR) nichts weniger als die entscheidende Weichenstellung für die Zukunft des Straßengüterverkehrs in Europa. Bisher galt, dass Nutzfahrzeug-Hersteller die CO2-Emissionen der verkauften Fahrzeuge im Jahr 2030 gegenüber dem Jahresdurchschnitt aus 2019 und 2020 um 30 Prozent senken müssen – was deutlich unter den freiwilligen Zielen der Branche liegt. Um Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen, muss die EU nun klare und ambitionierte Ziele vorgeben. Gemeinsam mit 39 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 14 EU-Staaten plädiert der VCÖ dafür, nach einem Zwischenziel von minus 65 Prozent im Jahr 2030 das Aus für neue Diesel-Lkw im Jahr 2035 festzulegen. Technologisch und betriebswirtschaftlich steht dem nichts im Wege. Und weil ein Lkw in der EU durchschnittlich mehr als 15 Jahre auf der Straße bleibt, wäre auch das Ziel der Klimaneutralität 2050 mit einem späteren Aus nicht vereinbar.
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VCÖ (Wien, 10. Dezember 2025) – 7,67 Millionen Tonnen Rohöl wurden im Vorjahr nach Österreich importiert. Der Großteil davon kommt aus Staaten mit großen Defiziten bei Demokratie und Pressefreiheit, macht die Mobilitätsorganisation VCÖ am heutigen internationalen Tag der Menschenrechte aufmerksam. Der Verkehr war zuletzt für 83 Prozent des Erdölverbrauchs verantwortlich. Die große Erdölabhängigkeit des Verkehrs führt dazu, dass jährlich viele Milliarden Euro ins Ausland abfließen. Österreich ist beim Erdölverbrauch zu 96 Prozent von Importen abhängig, während Österreich im Vorjahr mehr Strom exportierte als importierte. Der VCÖ fordert verstärkte Maßnahmen, um den hohen Erdölverbrauch des Verkehrs zu verringern.
VCÖ (Wien, 3. Dezember 2025) - Bei der §57a-Begutachtung wird die Verkehrssicherheit sowie die Umweltverträglichkeit eines Fahrzeugs überprüft. Die Bundesregierung möchte die Intervalle für das "Pickerl" von 3-2-1 auf 4-2-2-2-1 verlängern. Die Verlängerung des ersten Prüfintervalls von drei auf vier Jahre ist in Ordnung. Dass aber künftig jährliche Überprüfungen erst für Pkw, die älter als zehn Jahre sind, vorgeschrieben sind, ist aus Sicht der Mobilitätsorganisation VCÖ sowohl für die Verkehrssicherheit als auch für die Luftqualität problematisch.