Mehr Grünraum in Städten fördert aktive Mobilität und Lebensqualität

Von Sebastian Raho (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), August 2025

Im Jahr 2024 wurde die sogenannte „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ auf europäischer Ebene beschlossen. Dieses Gesetz ist eine Chance, die Klimaresilienz in Österreich zu erhöhen, aber auch die aktive Mobilität und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu stärken. Europaweit sollen die Ökosysteme in mindestens 20 Prozent der Landes- und Meeresgebiete bis zum Jahr 2030 wiederhergestellt werden. Neben der Belebung der Natur sollen auch Menschen vor umweltbedingten Risiken und Auswirkungen geschützt werden, indem die Klimawandelanpassung vorangetrieben wird. Besonders spannend an der Verordnung ist der Artikel 6 zur Wiederherstellung städtischer Ökosysteme.1

Mehr Grünflächen und Bäume in Städten

In Städten sollen laut Verordnung mehr Grünflächen und Bäume entstehen. Ab dem Jahr 2026 muss Österreich ein Wiederherstellungsprogramm inklusive Folgenabschätzung, Zielerreichungspfad und messbarer Indikatoren erarbeiten und umsetzen. Bis zum Jahr 2030 darf kein Nettoverlust an Grünflächen in Siedlungsgebieten in Österreich erfolgen, danach soll die Begrünung in Städten wieder zunehmen. Wie genau die Verordnung in Österreich umgesetzt wird, ist noch offen. Wie Begrünung sich auf aktive Mobilität auswirkt und welche Konzepte erfolgsversprechend sind, verdient in der Umsetzung der Verordnung besonderes Augenmerk. Eine weitsichtige Umsetzung der Verordnung könnte entscheidend zur Erhöhung des Grünanteils in Österreichs Städten beitragen, um die Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen – und auch die bewegungsaktive Mobilität vorantreiben.

Grünraum trägt zum guten Stadtklima bei

Städte zu begrünen ist nicht nur gut für Ökosysteme, sondern spielt eine zentrale Rolle bei der immer notwendiger werdenden Klimawandelanpassung. Grünräume in Städten reduzieren Hitzeinseln, kühlen den Straßenraum, schaffen Versickerungsflächen bei Starkregen und binden giftige Schadstoffe aus der Luft. Grünräume schaffen auch gesündere Umgebungen für Menschen. Jene, die in der Nähe von Grünräumen leben, sind messbar körperlich und psychisch fitter.2

Begrünung ist gesund und fördert aktive Mobilität

Eine Analyse des Mobilitätsverhaltens im niederländischen Eindhoven zeigt wie stark der Einfluss von Grünflächen auf die aktive Mobilität ist. Menschen, die durchschnittlich 200 Meter von Grünraum entfernt wohnen, gingen rund 160 Minuten wöchentlich. Personen, die im Schnitt nur hundert Meter weiter entfernt von Grünraum wohnen, gingen pro Woche 21 Minuten weniger.3 Weitere Studien zeigen, dass vor allem ältere Personen mehr zu Fuß gehen, wenn sich Grünräume in der Umgebung befinden.4 Menschen, die zu Fuß gehen oder Radfahren, bewerten diese Wege auch positiver, wenn sie dabei Grünräume durchqueren, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, es zur Gewohnheit zu machen.5 Das liegt daran, dass entlang von Büschen und Bäumen gehen, Stresshormone stärker reduziert als ein vergleichbarer Spaziergang in einer Asphaltwüste.6

Neue Konzepte für aktive Mobilität in Zeiten der Klimakrise

In der EU-Verordnung wird festgelegt, dass Begrünung so umgesetzt werden sollte, um unter anderem urbane Temperaturen im Sommer zu reduzieren und um die Klimaresilienz von Städten zu erhöhen.7 Die doppelte Herausforderung der Klimawandelanpassung für die Mobilitätswende bedeutet, der Klimakrise durch eine Reduktion der CO2-Emissionen zu begegnen und zugleich Mobilitätssysteme an eine bereits heißere Welt anzupassen. Um Städte klimaresilienter zu machen, müssen sie zugleich kompakter, grüner und auch lebenswerter werden. Das gelingt in einer „Fünfzehn-Minuten-Stadt“, wo die täglichen Wege innerhalb von fünfzehn Minuten zu Fuß oder mit dem Rad abgedeckt werden. Hier werden die Nachbarschaft und die täglichen Bedürfnisse die zentrale Bezugsgröße der Stadt- und Mobilitätsplanung. Alle wesentlichen tägliche Bedarfe sollen innerhalb der eigenen Nachbarschaft erledigt werden können. Zugleich wird aktive Mobilität die dominante Mobilitätsform, um sich in diesem Quartier fortzubewegen.8 Nachdem dadurch der Bedarf an Pkw-Abstellplätzen zurückgeht, kann der freiwerdende Straßenraum auch besser begrünt werden, was wiederum die Aufenthaltsqualität und die Nutzung aktiver Mobilität innerhalb dieser Nachbarschaften stärkt.9

Gartenstraßen in grünen Nachbarschaften

Sogenannte „Gartenstraßen“ sind ein neues Planungsinstrument in Wien, um die Begrünung des Straßenraumes voranzutreiben. Solche Straßen haben einen Begrünungsgrad von 40 Prozent und 60 Prozent des Straßenraumes werden durch Baumkronen bedeckt. In diesen Gartenstraßen gilt ein aufrechtes Parkverbot, sowie keine Durchfahrtsmöglichkeiten für Pkw. Dieser Straßentyp soll besonders in dicht besiedelten Stadtteilen umgesetzt werden.10 In Wien wurden mehrere begrünte Straßentypen definiert, um die Planung solcher Straßen zu erleichtern. Das ermöglicht eine bessere geplante Vernetzung von Umgestaltungsmaßnahmen, indem verschiedene Straßentypen zu einem zusammenhängenden grünen Netzwerk verknüpft werden, dessen Straßen sich nur durch den Grad der Begrünung und Pkw-Verkehrsreduktion unterscheiden.11

Wer morgen Schatten will, muss heute Bäume pflanzen

Bäume brauchen etwa fünfunddreißig Jahre bis sie groß genug sind, um einen effektiven Schatten zu werfen.12 Ein heute gepflanzter Raum wird erst 2060 seine volle Wirkung entfalten. Umso wichtiger ist es schon heute Bäume systematisch als Bestandteil von sämtlichen Verkehrsflächen einzuplanen und Baumpflanzungen energisch voranzutreiben. Das ermöglicht aktive Mobilität auch in einem heißeren Klima. In Brandenburg wurde im Jahr 2025 der erste klimaresiliente Radweg Deutschlands geplant, der genau diese Herausforderungen im Blick hat.13 Mit Wärmebildkameras wurde die Route anhand der optimalen Kühlwirkung von Alleen und Hecken geplant. Bei Hitzestellen wurden Bäume nachgepflanzt. Gebaut wurde die Route entlang von Trinkbrunnen, schattigen Plätzen und Badestellen.

Die Umsetzung der EU-Verordnung sollte aktive Mobilität im Blick haben

Wenn in Österreich nun die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur umgesetzt wird, sollen dabei auch Ziele für die Schaffung klimaresilienter Rad-, Fußwege und Nachbarschaften formuliert werden. Explizit sollten alle Bundesländer Maßnahmen treffen, die Synergie-Effekte zwischen Klimawandelanpassung, Begrünung und bewegungsaktiver Mobilität forcieren. Die Definition von grünen Straßentypen, wie beispielsweise die Wiener „Gartenstraße“, anhand von klaren Kriterien erleichtert die Koordination und Umsetzung von Umgestaltungsmaßnahmen. Städte sollten als Netzwerke grüner Nachbarschaften verstanden werden, die von aktiver Mobilität geprägt sind. Denn Straßen klimaresilient und auf aktive Mobilität fokussiert zu gestalten, verstärkt systemisch die Wirkung solcher Maßnahmen und lässt dabei auch noch die CO2-Emissionen reduzieren.

Quellen

Quellen

1 Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869. Weblink
2 Li, Q. et al. (2023). The impact of urban green space on the health of middle-aged and older adults. Front. Public Health, 10 October 2023. Weblink
3 Hogendorf et al (2020). Longitudinal effects of urban green space on walking and cycling: A fixed effects analysis. Health & Place, Volume 61, January 2020. Weblink
4 Barnett, D. (2017). Built environmental correlates of older adults’ total physical activity and walking: a systematic review and meta-analysis. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity. Weblink
5 Na, T. et al. (2021). The impact of green space exposure on satisfaction with active travel trips. Transportation Research Part D: Transport and Environment. Weblink
6 Aras, S. et al. (2024). Is Greener Better? Quantifying the Impact of a NatureWalk on  Stress Reduction Using HRV and Saliva Cortisol Biomarkers, Int J Environ Res Public Health. Weblink
7 Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869. Weblink
8 Guzman, L. (2024). Is proximity enough? A critical analysis of a 15-minute city considering individual perceptions. Cities. Weblink
9 Allam, Z. et al. (2022). The 15-minute city offers a new framework for sustainability,  liveability, and health. The Lancet. Weblink
10 Stadt Wien (2025). Wien Plan. Stadtentwicklungsplan 2035. Weblink
11 Arbeiterkammer Wien (2022). Klimagerechtigkeit im öffentlichen Raum. Stadtpunkte Nr 39, S.77. Weblink
12 Rbb24. Brandenburg hat jetzt Deutschlands ersten klimaresistenten Radweg. Stand 10.8.2025. Weblink
13 Rbb24. Brandenburg hat jetzt Deutschlands ersten klimaresistenten Radweg. Stand 10.8.2025. Weblink

 

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