Nahversorgung im Ort stärken, Lebensqualität erhöhen
Von Christian Gratzer (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), August 2024
Verkehrsberuhigung erhöht nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern stärkt auch Einzelhandel und Nahversorgung im Ort.
17 neue Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleister, 40 neue Arbeitsplätze, Zuzug ins Zentrum. Was sich österreichweit jede Gemeinde und Stadt wünscht, ist Hohenems gelungen.1 Wie? Durch Reduktion des Kfz-Verkehrs im Zentrum. Die Vorarlberger Stadt mit ihren rund 18.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat im Jahr 2014 unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ein Konzept zur Belebung der Innenstadt entwickelt. Im Zentrum wurde eine große Begegnungszone umgesetzt, der Autoverkehr im Vergleich zum Jahr 2012 um drei Viertel verringert. Auf den Gemeindestraßen gilt flächendeckend Tempo 30 oder weniger. Der Radverkehrsanteil ist auf 25 Prozent gestiegen. In Begegnungszonen wird die Straße wieder zum sozialen Ort. Insbesondere in der wärmeren Jahreszeit treffen die Anwohnerinnen und Anwohner sich für einen Plausch vor dem Haus, Kinder haben mehr Platz zum Spielen. Und die lokale Wirtschaft profitiert.2 „Seit der Begegnungszone im Jahr 2018 kommen viel mehr Kundinnen und Kunden“, berichtet eine Geschäftsfrau.
Hohenems zeigt, wie auch andere Gemeinden und Städte in Österreich, dass die Verkehrsplanung ein zentraler Hebel ist, um Orte zu beleben und zu stärken. Wer Einkäufe zu Fuß oder mit dem Fahrrad macht, fährt nicht fort, sondern bleibt im Ort. Wo viele Alltagswege zu Fuß gegangen werden, kommen die Menschen mehr zum Plaudern. Mehr Leben zieht wiederum mehr Menschen an, macht Gemeinden und Städte für Familien mit Kindern als Wohnort attraktiver. Die Gemeinden und Städte sind dabei nicht von anderen abhängig, sondern können sich selber stärken, indem sie eine Verkehrsplanung umsetzen, die das Gehen und Radfahren forciert.
In Niederösterreich zeigt das unter anderem Wr. Neudorf, das im Vorjahr den VCÖ-Mobilitätspreis Österreich gewonnen hat.3 In der südlich von Wien gelegenen Marktgemeinde wurde in den vergangenen Jahren die Rad-Infrastruktur stark verbessert und mehr Platz zum Gehen geschaffen. Zudem wurde auf der starkbefahrenen B17, die durch den Ort geht, ein Fahrstreifen entsiegelt und begrünt. Im 3.600 Einwohnerinnen und Einwohner Ort Göfis in Vorarlberg wiederum gibt es dort, wo früher ein Pkw-Parkplatz war, nun ein belebtes Ortszentrum mit Sitzflächen, Café und eine Bühne für kulturelle Veranstaltungen.4 Und die Gartenstadt Tulln macht ihrem Namen Ehre und errichtete dort, wo vor zwei Jahren noch rund 200 Pkw parken konnten, einen Park. Die Bevölkerung wurde stark einbezogen und hat sich in einer Befragung mit großer Mehrheit für jenes Konzept entschieden, bei dem die größte Anzahl an Pkw-Abstellplätzen durch Grünflächen ersetzt werden.5
Das Potenzial durch die Förderung des Gehens und Radfahrens die Orte zu beleben, ist in ganz Österreich groß. Die Mobilitätserhebungen zeigen, dass auch in kleineren Gemeinden jeder fünfte Alltagsweg in Gehdistanz ist. Die Hälfte der Alltagswege ist kürzer als fünf Kilometer, eine Distanz, die gut mit dem Fahrrad gefahren werden kann. Gemeinden und Städte, die im Ort gute Bedingungen zum Radfahren schaffen, werden von der Bevölkerung mit einem höheren Rad-Anteil und weniger Autoverkehr belohnt. Mit mehr klimaverträglicher Mobilität die Lebensqualität im Ort erhöhen und die Nahversorgung stärken – ja, das geht sehr gut.
Mehr Beispiele von Gemeinden und Städten sind in der Online-Datenbank des VCÖ öffentlich zugänglich.
Quellen
Quellen
1
Vortrag von Michael Pillei, Stadt Hohenems bei der VCÖ-Fachversanstaltung "Verkehrsberuhigung umsetzen - Good Practice aus dem In- und Ausland"
VCÖ (Wien, 5. August 2025) – Mit dem demografischen Wandel ändern sich die Anforderungen an das Verkehrssystem. Diese gilt es bereits heute in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen, betont die Mobilitätsorganisation VCÖ. Der Anteil der über 65-Jährigen wird in Österreich in den kommenden zehn Jahren von heute 20 auf 25 Prozent steigen. Die Zahl der über 85-Jährigen wird sich in den kommenden 20 Jahren von heute 230.000 auf 465.000 verdoppeln. Im Alter steigt die Bedeutung des zu Fuß gehens für die Mobilität stark an, informiert der VCÖ. Personen ab 65 Jahren legen mehr als ein Viertel der Wege zu Fuß zurück. Die aktuelle Mobilitätserhebung für Salzburg zeigt, dass dort über 85-Jährige im Schnitt vier von zehn ihrer Alltagswege zu Fuß gehen.
VCÖ (Wien, 29. Juli 2025) – Die Zahl der Schutzweg-Unfälle ist weiterhin sehr hoch. Im Vorjahr wurden in Österreich 972 Fußgängerinnen und Fußgänger am Schutzweg angefahren und verletzt, elf davon tödlich. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt: Zehn der elf Todesopfer waren älter als 65 Jahre. Alle tödlichen Schutzwegunfälle passierten auf Straßen mit einem Tempolimit von 50 km/h oder höher. Der VCÖ fordert mehr Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet sowie Bewusstseinskampagnen für erhöhte Aufmerksamkeit vor Schutzwegen.