Tempo effektiv reduzieren – braucht es mehr Kontrollen?
Von Katharina Jaschinsky (VCÖ - Mobilität mit Zukunft), November 2024
Im Jahr 2023 starben in Österreich wegen nicht angepasster Geschwindigkeit 108 Menschen, um 29 Prozent mehr als im Jahr davor.1 Je schneller gefahren wird, desto länger ist der Anhalteweg und desto höher sind Unfallrisiko und Schwere der Unfälle. Niedrigere Geschwindigkeiten sind eine zentrale Maßnahme, um die Zahl der Verletzten und Getöteten im Straßenverkehr zu reduzieren. Das bloße Aufstellen von Schildern mit niedrigeren Tempolimits alleine erhöht die Verkehrssicherheit allerdings noch nicht – es braucht auch Maßnahmen, die die Einhaltung der Tempolimits sicherstellen.
Gefährliche Schnellfahrkultur in Österreich
In einer Befragung gaben 71 Prozent der Personen an, in den vergangenen 30 Tagen im Ortsgebiet schneller als erlaubt gefahren zu sein. Im Vergleich dazu liegt die Zahl in der Schweiz bei nur 51 Prozent. Auch die Ansicht, dass eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb von Ortschaften akzeptabel wäre, wird in Österreich besonders häufig vertreten.2 Unter 20 untersuchten europäischen Ländern ist Österreich bei dieser Frage negativer Spitzenreiter.3
Niedrige Einhaltung trotz vieler Kontrollen
Geschwindigkeitsmessungen vom Kuratorium für Verkehrssicherheit bestätigen, dass in Österreich zu viele zu schnell fahren.4 Genauso wie die über sechs Millionen von der Polizei geahndeten Geschwindigkeitsübertretungen im Jahr 2023.5 Obwohl die Überwachungshäufigkeit hoch ist, liegt Österreich bei der Einhaltung der Tempolimits hinter dem Großteil der untersuchten Länder.6,7 Dabei ist Tempo 80 oder Tempo 90 auf Landstraßen in den meisten europäischen Ländern Standard, während in Österreich auf Landstraßen generell Tempo 100 gilt. Auch auf Autobahnen gibt es in einigen Ländern deutlich niedrigere Tempolimits als in Österreich. In Schweden gilt auf Autobahnen Tempo 110, in Finnland je nach Jahreszeit zwischen Tempo 80 und Tempo 120 und in Estland zwischen Tempo 80 und Tempo 110.8
Straßengestaltung hat wesentlichen Einfluss auf das gefahrene Tempo
Statistische Auswertungen zeigen, dass die Geschwindigkeit von verschiedenen Faktoren der Straßenraumgestaltung abhängt. Auf breiteren Straßen wird schneller gefahren. Verengungen der Fahrbahn, Torwirkungen, Begrünung, Gehwege und Fußgängerübergänge wirken dagegen verlangsamend auf die reale Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs.9 Die durch Fahrbahnverengung entstehende Fläche kann zudem vielseitig genutzt werden: für Sitzgelegenheiten, Spielflächen, Schanigärten, Begrünung oder Radabstellplätze.
Hohe Straftoleranz und niedrige Strafen in Österreich
Auch Kontrollmaßnahmen und deren Sanktionen haben erhebliche Auswirkungen auf die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen.10 In Österreich sind die Strafhöhen niedrig, die Toleranzgrenzen, ab denen gestraft wird, hingegen hoch. Im europäischen Vergleich der Mindeststrafhöhen liegt Österreich im unteren Bereich.11 In Österreich gibt es, anders als zum Beispiel in Deutschland, auch keinen Bußgeldkatalog mit festen Sätzen.12 Geregelt sind lediglich Höchststrafen. Die jeweilige Strafhöhe legt die zuständige Behörde innerhalb des Strafrahmens nach ihrem eigenen Ermessen fest. Bei den Straftoleranzen liegt Österreich im internationalen Vergleich im Schlussfeld. In Tempo 50 Zonen wird in der Schweiz ab 56 Kilometer pro Stunde gestraft, in Deutschland ab 59 Kilometer pro Stunde, in Österreich liegt die Grenze je nach Bundesland bei bis zu 66 Kilometer pro Stunde.13
Fazit: Straßengestaltung und konsequente Kontrollen – der Schlüssel zu mehr Verkehrssicherheit
Niedrigeres Tempo fördert den Verkehrsfluss, reduziert das Unfallrisiko und gibt im Ortsgebiet Jung und Alt die Freiheit, sicher und eigenständig mobil zu sein. Das Verständnis für die Wichtigkeit der Einhaltung von Tempolimits gilt es zu fördern, denn Freiheit im Verkehr endet dort, wo sie andere gefährdet. Genauere Tempokontrollen stellen die notwendige Einhaltung sicher, und sollten daher gezielt auch in kleineren Gemeinden eingeführt werden. Seit Juli 2024 können Gemeinden ohne eigenen Wachkörper punktuelle Geschwindigkeitskontrollen nach einer Übertragungsverordnung des Landes durchführen.14 Die Bundesländer stehen daher in der Verantwortung, Gemeinden diese Geschwindigkeitskontrollen zu ermöglichen. Entscheidend sind zudem niedrigere und österreichweit einheitliche Straftoleranzen, um klare und verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Gleichzeitig ist die Gestaltung von Straßen mit verkehrsberuhigenden Elementen ein wirksames Mittel, um die gefahrene Geschwindigkeit effektiv zu beeinflussen und sollte daher verstärkt vorangetrieben werden.
Quellen
Quellen
1
Statistik Austria: Straßenverkehrsunfälle 2023. Mit Personenschaden. Wien: Statistik Austria, 2024.
Berger W. u.a.: Ein neuer Ansatz für höchstzulässige Geschwindigkeiten im Straßenverkehr in Österreich aus synergetischer, nachhaltiger Sicht. Wien: Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene - Verkehr, 2022. – FSV-Schriftenreihe 025.
Ambros J. u.a.: How fast would you (or should you) drive here? Investigation of relationships between official speed limit, perceived speed limit, and preferred speed. In: Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behaviour 83 (2023), 164–178.
Belin M. und Vadeby A.: Speed and Technology: Different Modus of Operandi. In: Edvardsson Björnberg K., Hansson S.O., Belin M., Tinvall C. (Hrsg): The Vision Zero Handbook, 971–994. Cham: Springer International Publishing, 2023
Berger W. u.a.: Ein neuer Ansatz für höchstzulässige Geschwindigkeiten im Straßenverkehr in Österreich aus synergetischer, nachhaltiger Sicht. Wien: Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene - Verkehr, 2022. – FSV-Schriftenreihe 025.
Die Planungen für die Lobau-Autobahn begannen in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seither haben sich nicht nur Mobilitäts- und Klimaziele von Wien und Österreich verändert, sondern auch das Mobilitätsverhalten. Dieses voraussichtlich fünf Milliarden Euro teure Infrastrukturprojekt ist nicht mehr zeitgemäß und ist keine Lösung für die Verkehrsprobleme des Ballungsraum Wiens.
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