Welche Faktoren über den Wechsel zwischen Auto und Bahn entscheiden

Jänner 2018

Potenzielle Fahrgäste schon möglichst früh als solche „abholen“
In keinem anderen EU-Staat werden pro Kopf so viele Kilometer mit Bahn, Straßenbahn und U-Bahn gefahren wie in Österreich. Im Jahr 2016 wurden in Österreich pro Kopf 2.265 Kilometer auf der Schiene zurückgelegt. In Europa sind es nur beim Spitzenreiter Schweiz, dank dessen dichten Bahnnetzes, noch mehr Schienenkilometer. 

Auf der Westbahn-Strecke weist Österreich bereits Schweizer Niveau auf. Viele haben die Vorteile des Bahnfahrens gegenüber dem Auto erkannt. Damit die Personenmobilität in Österreich auf Klimakurs kommt, sind allerdings flächendeckend noch weitaus mehr Autofahrten auf die Bahn zu verlagern.

Es geht nicht um punktuelle Verbesserungen, sondern um einen massiven Ausbau des Öffentlichen Verkehrs insgesamt. Beispielsweise ist aufgrund der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und der Zunahme an Teilzeitjobs auch außerhalb der klassischen Pendelzeiten für ein gutes Angebot mit regelmäßigen Verbindungen zu sorgen.

Was bewirkt, dass Wege mit der Bahn statt mit dem Auto zurückgelegt werden?

Im Auftrag des VCÖ hat das Sora-Institut die Antworten von mehr als 13.000 Fahrgästen, die beim VCÖ-Bahntest 2017 in den Zügen von acht Bahnunternehmen befragt wurden, statistisch untersucht. Insbesondere wurde analysiert, welche Faktoren mit einem Wechsel zwischen Auto und Bahn zusammenhängen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Öffentliche Verkehr als Gesamtsystem zu begreifen ist und die potenziellen Fahrgäste schon möglichst früh als solche „abzuholen“ sind. 

Vom Auto auf die Bahn

47 Prozent der Bahnfahrenden, die beim VCÖ-Bahntest 2017 befragt wurden und auch Auto fahren, berichteten, dass sie im Gegensatz zu früher bereits Wege mit der Bahn statt mit dem Auto zurücklegen. In der Untersuchung des Sora-Instituts zeigt sich, dass die Einschätzung der Qualität und des Komforts der Bahn im Allgemeinen sowie die Pünktlichkeit der Bahn im Speziellen die relevanten Einflussfaktoren zu Gunsten des Bahnfahrens sind. Je besser die Qualität und der Komfort des Bahnfahrens beziehungsweise je besser die Pünktlichkeit der Bahn eingeschätzt werden, desto eher werden mehr Wege mit der Bahn zurückgelegt als noch vor einem Jahr.

Es zeigt sich, dass vor allem die Wahrnehmung eines verbesserten Angebotes (der Bahn oder Öffentlicher Verkehrsmittel generell) die Befragten dazu bringt, nun viele Wege (anstatt nur manche Wege) mit der Bahn zurückzulegen. Auch der nutzbaren Zeit in der Bahn wird ein relevanter Einfluss zugesprochen.

Die Grafik am Beginn dieses Eintrags zeigt die direkten Antworten der Fahrgäste beim VCÖ-Bahntest 2017. Darüber hinaus analysierte Sora die Ergebnisse mittels multipler Regressionsanalyse. Als unabhängige (das heißt beeinflussende) Faktoren für den Umstieg vom Auto auf die Bahn diente dabei die Einschätzung der Entwicklung der Bahn in den letzten 12 Monaten. 

Umstieg von der Bahn auf das Auto

Ebenso wurde der Wechsel von der Bahn zum Auto untersucht. Rund fünf Prozent der Befragten gaben an, heute viele Wege statt mit der Bahn mit dem Auto zurückzulegen, weitere 20 Prozent haben manche Wegen von der Bahn auf das Auto verlagert.

Hier weisen die Einflussfaktoren „Qualität und Komfort des Bahnfahrens“  sowie Pünktlichkeit keinen signifikanten Einfluss auf das Umsteigeverhalten auf. Die beiden Merkmale, die den Umstieg von Auto auf Bahn am besten erklären konnten, sind somit für das gegenteilige Verhalten, also den Umstieg von der Bahn zum Auto, nicht relevant.

Einfluss auf den Umstieg von der Bahn auf das Auto hat die Häufigkeit der Zugverbindungen. Je schlechter die Häufigkeit der Zugverbindungen insgesamt beurteilt wird, desto eher wird auf das Auto umgestiegen.

Die tiefergehende Analyse, warum nun viele anstatt nur manche Wege mit dem Auto zurückgelegt werden, zeigt, dass die verschlechterte Erreichbarkeit des Bahnhofs der wichtigste Grund für den Umstieg ist. Ein schlechteres Angebot der Bahn insgesamt hat den zweitgrößten Einfluss auf das Zurücklegen vieler Wege (statt nur mancher Wege) mit dem Auto. Je wichtiger diese beiden Gründe für den Umstieg beurteilt werden, desto mehr Wege werden nun mit dem Auto anstatt der Bahn zurückgelegt. Weiters weisen eine schlechtere Qualität beziehungsweise ein schlechterer Komfort der Bahn sowie eine längere Gesamtreisezeit als bisher signifikanten Einfluss auf.

Dass dies keine singulären Ergebnisse sind, zeigt der Vergleich mit der Sora-Analyse des VCÖ-Bahntest 2016: Personen, die von der Bahn auf das Auto umgestiegen sind, sind besonders häufig unzufrieden mit den Anschlussverbindungen, der Zugdichte auf der aktuellen Strecke und wie sich das Angebot an Bahnverbindungen in den Randzeiten entwickelt hat.

Die Qualität der öffentlichen Anschlüsse und die Zugdichte auf den aktuellen Strecken sind für die Zufriedenheit auf aktuellen Zugfahrten ebenso wichtig wie für die Wahrnehmung der Einstiegsbahnhöfe. Und schließlich sind die Zufriedenheiten mit dem Einstiegsbahnhof, mit den öffentlichen Anschlüssen sowie mit der Zugdichte auf der aktuellen Strecke drei von sechs zentralen Faktoren für die Gesamtzufriedenheit mit der Bahn.

Was für mehr Bahnfahren zu tun ist

Bei der Verbesserung der Fahrplan-Abstimmung und Anschluss-Sicherung mit den regionalen Bussen sind vor allem die Bundesländer gefordert. Besonders wichtig ist es, mit einem dichteren Angebot im Öffentlichen Nahverkehr die erste und letzte Meile sicherzustellen.
Eine gute Fahrrad-Infrastruktur erweitert das Einzugsgebiet von Haltestellen und Bahnhöfen. Dazu gehören auch Radwege entlang stark befahrener Straßen. Ausreichend viele und sichere, wettergeschützte Abstellanlagen für Fahrräder sowie Hinweise auf Taxis oder Mikro-ÖV sollten auch bei Regionalbahnhöfen Standard sein.

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Foto: Spencer Imbrock, unsplash