Aus der Forschung - Angelika Psenner

Es braucht eine Restitution von öffentlichem Raum

Angelika Psenner, TU Wien, Stadtstrukturforschung

VCÖ-Magazin: Sie haben im Forschungsprojekt Urban Parterre Vienna die Veränderung der Nutzung des „Stadtparterres“ im Zeitraum 1910 bis 2020 in einem ein Kilometer langen Straßenzug in Nebenlage im gründerzeitlichen zentrumsnahen Areal von Wien untersucht. Mit welchem Ergebnis?

Angelika Psenner: Das Forschungsprojekt befasste sich eingehend mit der Transformation der Wiener Stadtparterre-Struktur und hier vor allem mit den sich gegenseitig bedingenden Aspekten von Unter- und Fremdnutzung. Wenn wir die Gesamtformation des städtischen Parterres, also Erdgeschoß, Straßenraum und Hof als systemische Einheit betrachten und dessen Entwicklung über die Zeit verfolgen, werden die Wechselbeziehungen einzelner Bereiche augenscheinlich: Produzierendes Gewerbe beanspruchte im Jahr 1910 noch 10,6 Prozent der Gesamtfläche wobei die zumeist gewerbliche Nutzung der Innenhöfe noch nicht berücksichtigt ist. Heute stellt es lediglich 2,4 Prozent und gehört damit zusammen mit den halböffentlichen Räumen (von fast 12 Prozent auf knapp 4 Prozent) zu den großen Verlierern der Nutzungsumverteilung. Ebenso gingen Gastronomie und Wohnen stark zurück, während der Handel – ein lediglich vermeintlicher Großnutzer – mit 3,7 Prozent und aktuell 4,1 Prozent relativ unverändert geblieben ist.

VCÖ-Magazin: Lassen sich aus diesen Veränderungen auch Aussagen zur Mobilität machen?

Angelika Psenner: Die gewichtigste Nutzung des Stadtparterres stellt heute jedenfalls das Auto dar, nahezu ein Drittel der Gesamtfläche (24,7 Prozent im öffentlichen Raum und 6,3 Prozent im überbauten Raum) wird derzeit für die alleinige Verwendung durch Fahrzeuge freigestellt – im Jahr 1910 erreichte der für Fahrwerke reservierte Raum (Stallungen, Parken im öffentlichen Raum und exklusive Nutzung der Fahrspur) nicht einmal die 1 Prozent-Marke. Aus dieser Perspektive erklärt sich Leerstand und Unternutzung von städtischem Raum nicht ausschließlich aus ökosozialen Kausalitäten, sondern auch als Sekundärfolge der beschriebenen Nutzungsverschiebung zugunsten privater (Luxus-)Güter Einzelner und der Lagerung derselben – was im Übrigen nichts mit der Sicherstellung von Mobilität zu tun hat. Dementsprechend erklärt sich der dringende Bedarf nach einer sinnzusammenhängenden, systemischen Regelung, oder, um es plakativer zu formulieren: nach der Restitution von öffentlichem Raum. Denn die Einführung der NS-StVO 1938 enteignete das allen zur Verwendung zustehende Allgemeingut Straßenraum und führte große Teile des Stadtparterres einer erlesenen Schar von Fahrzeugbesitzenden zu.

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VCÖ: In Österreichs Städten sind verstärkte Maßnahmen für Klimawandelanpassung nötig

VCÖ (Wien, 15. Mai 2025) – Das Jahr 2024 war in Österreich das wärmste in der Messgeschichte, in Wien Innere Stadt gab es mit 52 so viele Hitzetage wie noch nie. Bei der heutigen VCÖ-Fachkonferenz warnte der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter vor den großen Gesundheitsschäden durch Hitze. In Österreichs Städten braucht es im Straßenraum verstärkte Begrünung sowie mehr schattenspendende Bäume. Eine zentrale Rolle, um mehr Platz für Klimawandelanpassungen zu schaffen, spielt die Mobilität, betont die Mobilitätsorganisation VCÖ. Denn Straßen und Parkplätze beanspruchen derzeit sehr viel Fläche.

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VCÖ-Initiative: In Wien wurden mehr als 2.100 Problemstellen für den Radverkehr gemeldet

VCÖ (Wien, 7. Mai 2025) – 2.185 Problemstellen für den Radverkehr wurden in Wien bei der VCÖ-Initiative gemeldet. Die Bevölkerung konnte von Mitte März bis Anfang Mai Problemstellen für das Radfahren in eine Online-Karte des VCÖ eintragen. Am häufigsten wurden Gefahrenstellen eingetragen sowie mangelhafte Radwege und Straßen, wo Radwege fehlen. Nach Bezirken gab es im 1. Bezirk die meisten Einträge, vor dem 9. Bezirk und 3. Bezirk. Die Mobilitätsorganisation VCÖ hat die Problemstellen an den jeweils zuständigen Bezirk weitergeleitet. Die Bezirke können nun dank der Einträge aus der Bevölkerung prüfen, welche Verbesserungen möglich sind und die Bedingungen zum Radfahren weiter verbessern.

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