Aus der Forschung: Willi Haas

»Der zusätzliche Öffentliche Verkehr schuf mehr Arbeitsplätze«

VCÖ-Magazin: Ist die Autoindustrie der große Job-Motor, als der sie sich darstellt?

Willi Haas: Die Automobilindustrie steht seit Jahrzehnten unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Wer überleben will, muss Stückkosten reduzieren. Bei derzeitigen Kostenstrukturen heißt das, durch Automatisierung Personalkosten einsparen. Ein Resultat dieses Wettbewerbs wurde in einer makroökonomischen Modellierung der europäischen Verkehrswende deutlich, die wir gemeinsam mit einem niederländischen Uni-Institut erstellten. Der zusätzliche Öffentliche Verkehr schuf mehr Arbeitsplätze als durch weniger Autos verloren gingen.

VCÖ-Magazin: Wie hängen Energie- und Materialaufwand sowie Beschäftigung in der Autoindustrie zusammen und wie können hier Verbesserungen erzielt werden?

Willi Haas: Die in Österreich verkauften Autos sind im Durchschnitt über die Jahrzehnte schwerer geworden und in den Jahren 2010 bis 2015 sind sogar die durchschnittlichen CO2-Emissionen des Fuhrparks in Österreich pro Kilometer gestiegen. Dieser sorglose Umgang mit Material sowie Energie und der laufend minimierte Einsatz von Arbeitskräften sind ein Produkt ausbeuterisch niedriger Rohstoffpreise und hoher Arbeitskosten. Zugleich erscheinen jährlich neue Modelle, um häufigere Neukäufe und erhöhte Absatzzahlen zu erzielen – was übrigens bei einem 1:1-Ersatz durch E-Autos seine Fortsetzung fände. Eine sozialökologische Steuerreform, die Material und Energie deutlich besteuert und Arbeit steuerlich entlastet, würde neue Möglichkeiten etwa für menschengerechte und hitzetaugliche Städte eröffnen, in denen grüne Achsen und kurze Wege kombiniert mit Öffentlichem Verkehr zu aktiver Mobilität einladen.
Veränderte Kostenstrukturen wären auch ein Anreiz, Produkte zu teilen, zu reparieren, wieder zu verwenden und zu rezyklieren. Im Vergleich zu Erdöl- und Rohstoffimporten erfordert das weniger Transporte in Tonnenkilometern und schafft Beschäftigung.

Willi Haas

Universität für Bodenkultur in Wien, Institut für soziale Ökologie 

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VCÖ: Externe Kosten des Verkehrs in Österreich betragen 19 Milliarden Euro pro Jahr

VCÖ (Wien, 4. Juni 2022) – Österreichs Verkehrssystem verursacht hohe ökologische und soziale Kosten. Das ist ein zentrales Ergebnis einer aktuellen VCÖ-Studie im Vorfeld des Weltumwelttags. Insgesamt verursacht der Verkehr jährlich rund 19 Milliarden Euro an externen Kosten, allein der Pkw-Verkehr ist für über 12,5 Milliarden Euro verantwortlich. Durch die Verlagerung von Autofahrten auf öffentliche Verkehrsmittel können die gesellschaftlichen Kosten deutlich reduziert werden. Noch stärker gehen die Kosten zurück, wenn Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurückgelegt werden. Vier von zehn Autofahrten sind kürzer als 5 Kilometer. Der VCÖ fordert den verstärkten Ausbau des öffentlichen Verkehrsangebots und der Rad-Infrastruktur sowie eine fußgängerfreundliche Verkehrsplanung in Gemeinden und Städten.

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VCÖ: Treibstoff des Flugverkehrs wurde im Vorjahr mit rund 240 Millionen Euro steuerlich begünstigt

VCÖ (Wien, 18. Mai 2022) – Der Kerosinverbrauch ist in Österreich im Vorjahr um ein Viertel auf knapp mehr als 400.000 Tonnen gestiegen. Damit stieg auch die Steuerbegünstigung von Kerosin, nämlich auf rund 240 Millionen Euro, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Trotz sich verschärfender Klimakrise bezahlen Flugkonzerne nach wie vor keine Mineralölsteuer für Kerosin. Allein der Flugverkehr in Österreich verursachte im Vorjahr rund 1,3 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase. Der VCÖ fordert die rasche Einführung einer Kerosinsteuer auf EU-Ebene und die verstärkte Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn.

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