Aus der Praxis: Aglaée Degros

„Zuallererst braucht es eine faire Umverteilung des verfügbaren Raums“

VCÖ-Magazin: Sie haben – etwa in Belgien – zahlreiche öffentliche Plätze gestaltet. Was braucht es, damit sie Orte werden, die von Menschen angenommen und genützt werden?

Aglaée Degros: Öffentliche Räume sind essenziell für urbanes Leben. Sie verdienen daher, sorgfältig gestaltet zu werden. Dazu braucht es zuallererst eine faire Umverteilung des verfügbaren Raums zwischen den verschiedenen Nutzungen. Das heißt, der Aufenthaltsqualität und auch aktiver Mobilität wie Gehen und Radfahren mehr Raum geben. Und es braucht von Anfang an einen Transformationsprozess, der die Bürgerinnen und Bürger einbezieht. Diese Transformationsräume sollten Teil eines größeren Netzes von öffentlichen Räumen sein und einer einfachen Ästhetik folgen, sodass sie offen sind für sich wandelnde Aneignungen. Sie sollten zur lokalen Wirtschaft beitragen, kleine Geschäfte bieten, gemeinschaftliche Annehmlichkeiten, mehr Bäume oder besseres Wassermanagement – dann werden diese Räume auch von Jung und Alt angenommen.

VCÖ-Magazin: Sie haben über „Traffic space is public space” geschrieben. Was ist die zentrale Aussage dieser Feststellung?

Aglaée Degros: Auch wenn es manchmal vergessen wird: Verkehrsräume sind vor allem öffentliche Räume. Ansichtskarten aus den 1960er-Jahren, die den Grand Place in Brüssel, eines der schönsten Architekturensembles in Europa und heute ein Platz voller Leben, noch voller Autos zeigen, schauen heute amüsant aus. Und trotzdem dominieren bis heute Autos unsere Plätze. Das und die Tatsache, dass private Gegenstände, nämlich Autos, darauf abgestellt sind, bewirkt, dass Verkehrsräume selten als Orte gemeinschaftlicher Begegnung, zugänglich für alle, wahrgenommen oder behandelt werden – und doch sind sie es.

Aglaée Degros
Technische Universität Graz, Fakultät für Architektur, Leiterin des Instituts für Städtebau

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Was braucht es für fairen und klimagerechten Transitverkehr?

Der Lkw-Transit ist bereits für 36 Prozent des Transportaufwandes in Österreich verantwortlich und ist allein seit dem Jahr 2015 um ein Drittel gestiegen. So hoch der Anteil des Lkw-Transits auch ist, fast zwei Drittel des Lkw-Transportaufwands sind Inlands-, Quell- oder Zielverkehre. Österreich muss bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden. Für den Güterverkehr, dessen CO2-Emissionen sich seit dem Jahr 1990 mehr als verdoppelt haben, braucht es rasch eine Trendumkehr. Ein weiter wie bisher reicht nicht aus, um ans Klimaziel zu kommen.

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Foto: Spencer Imbrock, unsplash