Aus der Praxis: Aglaée Degros

„Zuallererst braucht es eine faire Umverteilung des verfügbaren Raums“

VCÖ-Magazin: Sie haben – etwa in Belgien – zahlreiche öffentliche Plätze gestaltet. Was braucht es, damit sie Orte werden, die von Menschen angenommen und genützt werden?

Aglaée Degros: Öffentliche Räume sind essenziell für urbanes Leben. Sie verdienen daher, sorgfältig gestaltet zu werden. Dazu braucht es zuallererst eine faire Umverteilung des verfügbaren Raums zwischen den verschiedenen Nutzungen. Das heißt, der Aufenthaltsqualität und auch aktiver Mobilität wie Gehen und Radfahren mehr Raum geben. Und es braucht von Anfang an einen Transformationsprozess, der die Bürgerinnen und Bürger einbezieht. Diese Transformationsräume sollten Teil eines größeren Netzes von öffentlichen Räumen sein und einer einfachen Ästhetik folgen, sodass sie offen sind für sich wandelnde Aneignungen. Sie sollten zur lokalen Wirtschaft beitragen, kleine Geschäfte bieten, gemeinschaftliche Annehmlichkeiten, mehr Bäume oder besseres Wassermanagement – dann werden diese Räume auch von Jung und Alt angenommen.

VCÖ-Magazin: Sie haben über „Traffic space is public space” geschrieben. Was ist die zentrale Aussage dieser Feststellung?

Aglaée Degros: Auch wenn es manchmal vergessen wird: Verkehrsräume sind vor allem öffentliche Räume. Ansichtskarten aus den 1960er-Jahren, die den Grand Place in Brüssel, eines der schönsten Architekturensembles in Europa und heute ein Platz voller Leben, noch voller Autos zeigen, schauen heute amüsant aus. Und trotzdem dominieren bis heute Autos unsere Plätze. Das und die Tatsache, dass private Gegenstände, nämlich Autos, darauf abgestellt sind, bewirkt, dass Verkehrsräume selten als Orte gemeinschaftlicher Begegnung, zugänglich für alle, wahrgenommen oder behandelt werden – und doch sind sie es.

Aglaée Degros
Technische Universität Graz, Fakultät für Architektur, Leiterin des Instituts für Städtebau

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VCÖ: Lobautunnel weder aus Mobilitäts- noch aus Klimasicht zukunftsfähig

VCÖ (Wien, 20. April 2022) – Der sündteure Lobautunnel ist nicht nur aus Umweltsicht, sondern auch aus Verkehrssicht nicht zukunftsfähig, stellt der VCÖ fest. Straßenausbau führt zu mehr Verkehr und damit a la longue wieder zu mehr Staus. Die Klimaziele kann Österreich nur mit einer verstärkten Verlagerung von Autofahrten auf Öffis erreichen, betont der VCÖ. Der Verkehr ist der einzige Sektor dessen CO2-Emissionen seit dem Jahr 1990 nicht gesunken sind, sondern im Gegenteil stark gestiegen sind. Bei Verfehlen der Klimaziele drohen Österreich Zahlungen in der Höhe von vielen Milliarden Euro, wie ein Rechnungshofbericht im vergangenen Jahr festgestellt hat.

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VCÖ: Neuer Radverkehrsrekord im heurigen Winter in Wien

VCÖ (Wien, 30. März 2022) – Im heurigen Winter wurde in Wien so fleißig wie noch nie in diesem Jahrhundert in der kalten Jahreszeit in die Pedale getreten, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Mit 1,057 Millionen Radfahrerinnen und Radfahrer wurde zum zweiten Mal infolge die Millionen Grenze überschritten bei jenen zwölf Radverkehrszählstellen, die es schon seit dem Jahr 2013 gibt. Im Vergleich zum Winter vor fünf Jahren nahm der Radverkehr sogar um zwei Drittel zu. Der VCÖ sieht Stadt und die Bezirke gefordert, den Radfahrerinnen und Radfahrern in Wien mehr Platz zu geben.

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