Der Bus kennt den Weg

Drei junge Frauen steigen in einen selbstfahrenden Bus ein

Ob Pörtschach, Hamburg oder Stavanger: Automatisierte Busse sind bereits im Testbetrieb mit Fahrgästen unterwegs. Vor allem für die erste und letzte Meile haben sie großes Potenzial. Es gibt aber noch Herausforderungen zu bewältigen.

Von Susanne Wolf

Pörtschach in Kärnten ist Testfeld für ein Zukunftsmodell des Öffentlichen Verkehrs: Auf der Strecke zwischen Bahnhof, Wörthersee und Ortszentrum ist ein kleiner, kompakter Elektrobus unterwegs. Erst auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass niemand am Steuer sitzt. Seit dem Jahr 2018 befindet sich dieses automatisierte Shuttle in Pörtschach im täglichen Testbetrieb. Die Teststrecke ist knapp drei Kilometer lang, hat acht Haltestellen und einen auf die Fahrpläne von Bahn und Bus abgestimmten Fahrbetrieb. Derzeit ist Winterpause, im Mai soll es wieder los gehen, dann auch in Klagenfurt. Dahinter steht das Projekt „Smart Urban Region Austria Alps Adriatic“, kurz SURAAA.

Öffentlicher Verkehr für alle

Automatisierte Busse werden langsam aber sicher zu einem ernstzunehmenden Aspekt des Öffentlichen Verkehrs. Die Vorteile sind vielfältig: „Ein attraktiver und flexibler Öffentlicher Verkehr, welcher die Bedürfnisse der Bevölkerung abdeckt, kann durch bedarfsorientierte digitale und automatisierte Anwendungen erreicht werden“, sagt Walter Prutej, Projektleiter von SURAAA. 40 Prozent aller Fahrten mit Pkw in Österreich sind unter fünf Kilometer, mit einer Durchschnitts-Besetzung von 1,14 Personen pro Fahrzeug. „Dabei steht ein Pkw im Schnitt 23 Stunden pro Tag auf einer versiegelten Fläche auf Parkplätzen, Straßen oder Garagen und wird nicht genutzt“, so Prutej.

Das Projekt SURAAA zielt darauf ab, den Öffentlichen Verkehr für alle Menschen zugänglich zu machen. „Die eingesetzten Shuttles sind mit elektrischen Rampen oder Liften sowie Halterungen ausgestattet, die den Transport von Rollstühlen und Kinderwagen erleichtern und selbständig bedient werden können“, ergänzt Prutej. Die Fahrgäste sehen das Experiment positiv, die Zustimmung der Bevölkerung beträgt 72 Prozent. „Dieser hohe Anteil ist auf Bürgerdialoge und Bürgerbeteiligungen zurückzuführen“, erklärt Walter Prutej. „Ziel ist es, in den nächsten Jahren technische und wirtschaftliche Robustheit zu schaffen. Weltweit arbeiten zahlreiche Firmen daran, auch Unternehmen aus Österreich.“

Bedarfsgerecht einsetzbar

Ein Vorreiter im deutschsprachigen Raum ist Hamburg: Ab Mitte des Jahres 2025 werden 20 automatisierte Shuttles mit Elektro-Antrieb unterwegs sein, bis zum Jahr 2030 sollen es 10.000 sein. „Automatisierte Shuttles können künftig dazu beitragen, auch in Randgebieten ein attraktives Angebot bereitzustellen“, sagt Julia Lindemann von der Hamburger Hochbahn, die an dem Projekt beteiligt ist.

Automatisierte Shuttles als Teil des Öffentlichen Verkehrs bringen mehr Komfort und Flexibilität durch On-Demand-Lösungen, ergänzt Ulrike Weinrich, Projektmanagerin von RABus, dem „Reallabor für den Automatisierten Busbetrieb im ÖPNV in der Stadt und auf dem Land.“ In diesem Projekt wird in mehreren Städten in Baden-Württemberg der Einsatz großer, vollautomatisierter Busse wissenschaftlich erforscht und real erprobt. „Automatisierte Fahrzeuge könnten flexibel eingesetzt werden, um Lücken zu schließen – insbesondere dort, wo sich der Betrieb konventioneller Linienbusse aufgrund geringer Nachfrage nicht lohnt“, erklärt Weinrich. Zugleich ermögliche die Automatisierung eine optimierte Routenplanung, sodass automatisierte Busse gezielt dort eingesetzt werden, wo tatsächlich Bedarf bestehe.

Besonders gut sind automatisierte Busse für die sogenannte letzte Meile geeignet, also für die Anbindung von Wohngebieten, Industrieparks oder Bahnhöfen an bestehende Hauptstrecken des Öffentlichen Verkehrs. Sie können flexibel eingesetzt werden, um den Nahverkehr zu ergänzen, insbesondere dort, wo Buslinien wirtschaftlich oder logistisch nicht sinnvoll sind. „Digitale Buchungsplattformen können mit Verkehrssteuerungssystemen verknüpft werden, um automatisierte Fahrzeuge bedarfsgerecht einzusetzen – sei es zur Verstärkung auf stark frequentierten Strecken oder in Randzeiten, wenn der Bedarf schwankt“, so Weinrich. Darüber hinaus könne durch die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern, etwa Bahn oder Carsharing, eine durchgängige Mobilitätskette entstehen.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen, wie in Österreich etwa die Wetter- und Wintertauglichkeit. „Aktuell führen Wetterbedingungen wie dichter Nebel, starker Regen oder Schneefall noch zu Ausfällen“, sagt Walter Prutej von SURAAA. Dazu kämen fehlende rechtliche Rahmenbedingungen. „Eine der größten Herausforderungen stellt der Zulassungsprozess der Fahrzeuge dar“, ergänzt Ulrike Weinrich von RABus. Dazu kommen hohe Anschaffungskosten.

Große E-Busse in Stavanger

Schlechtes Wetter ist in der norwegischen Stadt Stavanger keine Seltenheit. Trotzdem setzt der lokale Verkehrsbetrieb Kolumbus einen automatisierten Midibus e-ATAK des türkischen Herstellers Karsan ein. Dieser mit aufwändiger Technik ausgestattete Prototyp bedient die Linie 1 im Stadtzentrum auf einer Strecke mit normalem Mischverkehr. „Der Bus fährt mittlerweile fast zu 100 Prozent automatisiert,“ sagt Morten Nesvik von Kolumbus. „Wir müssen aber die harten Bremsvorgänge noch komfortabler machen.“ Vor allem wenn Personen unvermittelt auf die Fahrbahn treten, bremst der Bus ruckartig. Deshalb ist für alle Fahrgäste ein Sitzplatz vorgeschrieben. Kolumbus ist mit dem Testbetrieb zufrieden und plant, demnächst auf einer weiteren Route einen automatisierten Bus einzusetzen. „Insgesamt geht es aber darum, ein Angebot zu entwickeln, das mehr als ein Pilotprojekt ist, das den Kundinnen und Kunden einen Mehrwert bietet.“

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Personenverkehr auf der Bahn ist fünf mal energieeffizienter als mit Pkw

Allein der Pkw-Verkehr der Privathaushalte im Bundesland Vorarlberg verbraucht beinahe so viel Energie wie alle Bahnen in Österreich im Personenverkehr. Mit diesem Energieaufwand wurden im Jahr 2016 in Vorarlberg 2,3 Milliarden Personenkilometer mit dem Auto zurückgelegt, dagegen mit der Bahn in ganz Österreich 12,6 Milliarden Personenkilometer.
An CO2-Ausstoß verursachte der Personenverkehr mit der Bahn im Jahr 2016 österreichweit rund 179.000 Tonnen, allein die Autofahrten der Vorarlberger Haushalte verursachten rund 400.000 Tonnen CO2. Selbst inklusive dem Energieaufwand für den Güterverkehr benötigt die Bahn in ganz Österreich nur etwa so viel Energie wie die Pkw der Haushalte im Bundesland Salzburg.

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Die dritte Piste ist eine verpasste Chance

Unser Alltag basiert darauf, dass wir systematisch auf die Ausbeutung von billiger Natur und billiger Arbeitskraft angewiesen sind. Das erzeugt Handlungsfähigkeit und materiellen Wohlstand, aber gleichzeitig Zerstörung und Dominanzverhältnisse. Dieses Ausgreifende, auf die billigen Ressourcen und billige Arbeitskraft andernorts Zugreifende kann durch den Begriff „Imperiale Lebensweise“ benannt werden. In den früh industrialisierten Staaten leben wir schon lange in dieser Form. Neu ist, dass diese Lebensweise immer deutlicher an ökologische Grenzen stößt.
Das zweite Neue ist, dass sich diese Lebensweise über den Aufstieg von Schwellenländern, wie China oder Brasilien, ganz dynamisch auch im globalen Süden in der Bevölkerung ausbreitet. Diese Staaten werden nun zu Akteuren, die an dieser Aufteilung der Welt teilhaben wollen. Denn sie haben selbst wohlhabende Mittelschichten und große Unternehmen. das erzeugt zunehmend Spannungen, etwa um Landbesitz in Osteuropa oder in Afrika.

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Ulrich Brand