Hoher Sanierungsbedarf auf Österreichs Straßennetz
Das Straßennetz in Österreich kommt in die Jahre. Der Erhaltungszustand vieler Landes- und Gemeindestraßen wird zunehmend schlechter. Vor allem die dringend notwendige Sanierung von Brücken und Tunneln wird das Budget erheblich belasten.
Von Doris Neubauer
Österreichs Straßennetz ist 128.300 Kilometer lang. Nur knapp mehr als 2.260 Kilometer davon sind Autobahnen und Schnellstraßen. Während es um diese relativ gut bestellt ist, sieht die Situation der 92.250 Kilometer Gemeindestraßen sowie 33.800 Kilometer Landesstraßen schlechter aus. Risse, Schlaglöcher und unebene Fahrbahnen sorgen nicht nur für Ärger, sie stellen ein wachsendes Sicherheitsrisiko dar. Neu ist das Problem nicht: Schon im Jahr 2016 bescheinigte eine Studie des Instituts für Straßenbau der TU Wien einem Drittel der Landesstraßen in Österreich einen „schlechten bis sehr schlechten Zustand“. Ähnlich umfassende Studien für die Gemeindestraßen wären interessant.
Auch wenn die Investitionen in den Straßenneubau zurückgegangen sind und sich zugunsten von Erhaltung und Instandhaltung verschoben haben, gibt es immer noch einen hohen Anteil im Neubau. „Bei den Ländern gehen rund 50 Prozent der Finanzmittel in diesen Bereich“, erklärt Infrastruktur-Experte Markus Hoffmann. Periphere Gemeinden mit Abwanderung müssen ein Straßennetz erhalten, das in der Vergangenheit mit Bedarfszuweisungen und EU-Geldern asphaltiert worden ist, für das sie aber vielfach nicht mehr die Mittel haben. In Gemeinden im „Speckgürtel“ der Ballungsräume werden zusätzliche Erschließungsstraßen für Einfamilienhaussiedlungen gebaut, deren Erhaltung das Budget in Zukunft erheblich belasten wird. Und auch das hochrangige Straßennetz wächst: Während das Schienennetz schrumpfte, sind Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich in den Jahren von 2000 bis 2025 um rund 330 Kilometer länger geworden. Und das, obwohl das Straßennetz in Österreich pro Kopf gerechnet in Summe deutlich länger ist als etwa jenes in Italien, Deutschland oder der Schweiz.
Hoher Erhaltungsaufwand
Die Erschließung von Neubauvierteln, Umfahrungen oder Ortsdurchfahrten seien „Umgestaltungen, die wir uns zunehmend weniger leisten können“, warnt Infrastruktur-Experte Hoffmann. Jede neu gebaute Infrastruktur erhöht den künftigen Erhaltungsaufwand – und dafür fehlt vielerorts das Geld. Bereits in den Jahren 2013 und 2014 kritisierte der Rechnungshof, dass die Erhaltungsinvestitionen mehrerer Bundesländer nicht ausreichten, um eine Verschlechterung des Straßenzustands zu verhindern. Mit der zunehmenden Überalterung des Bestandes in den nächsten Jahrzehnten und den aktuell und absehbar unzureichenden Investitionen in die Erhaltung werden diese Herausforderungen immer sichtbarer.
Es gibt kaum Finanzierungsmodelle, um die wachsenden Erhaltungskosten ohne zusätzliche Verschuldung zu bewältigen. „Die Gretchenfrage ist daher, wie die Finanzierung der Straßeninfrastruktur mit Fokus auf Betrieb und Erhaltung von Landesstraßen und Gemeindestraßen langfristig auf eine solide Grundlage gestellt werden kann“, so Hoffmann.
Da derzeit klare Antworten fehlen und die Infrastruktur noch geduldig ist, wird diese Problematik vielfach in die Zukunft verschoben. Dabei sei eine rechtzeitige präventive Erhaltung nicht nur ökologisch sinnvoller, sondern meist auch wirtschaftlich günstiger. Zudem führt der Aufschub notwendiger Investitionen zu einer stetig wachsenden Hypothek, die angesichts bereits jetzt angespannter Haushalte in Zukunft kaum ohne erhebliche Einschränkungen an anderer Stelle bewältigbar sein wird.
Brücken kommen in die Jahre
Besonders deutlich zeigt sich der Sanierungsbedarf bei Brücken. „Nicht durchgeführte präventive Instandsetzungen erhöhen die Kosten bei der nächsten Instandsetzung“, berichtet Andreas Kammersberger, Bereichsleiter Brückenbau im Amt der Steiermärkischen Landesregierung aus der Praxis. Konkrete Zahlen variieren je nach Größe und Bedeutung des Bauwerks stark. Die Kosten pro Quadratmeter Brückenfläche liegen zwischen einigen hundert und mehreren tausend Euro. Zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten entstehen vor allem bei größeren Objekten, weil hier kaum provisorische Ersatzbrücken herstellbar sind und die Arbeiten unter Verkehr erfolgen müssen. Das erhöht die Kosten weiter und bringt Verkehrsbeeinträchtigungen mit sich.
Alle 20 bis 30 Jahre sind solche intensiven Instandsetzungen notwendig, um eine durchschnittliche Nutzungsdauer von rund 80 Jahren – und damit das Ziel bei fast allen der rund 3.300 Brücken in der Steiermark – zu erreichen. Noch wirkt die Situation entspannt, der Großteil der Brücken wird im Schulnotensystem mit den Noten 2 oder 3 bewertet, 71 Brückenobjekte (etwa zwei Prozent) mit einer Gesamtzustandsnote 4 (schlechter Zustand) und ein Brückenobjekt mit der Gesamtzustandsnote 5 (sehr schlechter Zustand). In Vorarlberg ist dagegen bereits jede achte Brücke in einem schlechten Zustand. Kammersberger ist zuversichtlich, mit einem Jahresbudget von etwa 13 Millionen Euro den Zustand der Brücken erhalten zu können – zumindest für die nächsten Jahre.
Große Herausforderungen
Der steirische Landesrechnungshof empfiehlt allerdings etwa die doppelte Summe und sein Bericht aus dem Jahr 2024 zeigt: Die großen Herausforderungen kommen erst, sie kommen bald und sind massiv. „Da die Brückenpopulation zu einem großen Teil in den Jahren 1965 bis 1985 errichtet wurde, würde ab den 2030er-Jahren eine größere Zahl an Ersatzneubauten anstehen“, sagt Kammersberger. Wenn bis zu 80 Prozent der Brücken innerhalb weniger Jahre erneuert werden müssten, steige der Budgetbedarf deutlich. Um dieser Kostenlawine entgegenzuwirken, müsse die durchschnittliche Lebensdauer von Brücken von derzeit 80 auf 100 bis 120 Jahre verlängert werden. „Dafür braucht es neue Materialien und Baumethoden. Die gewählten Maßnahmen müssen eine lange Wirksamkeit haben und zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt werden. Außerdem können wir durch das Hinterfragen von Brückenanlagen auch immer wieder Brücken auflassen und ersetzen“, so Kammersberger.
Erhalten statt neu bauen
Auch Hoffmann fordert ein Umdenken: Nicht mehr bauen, sondern intelligenter erhalten. Dazu gehören rechtzeitige Sanierung, längere Lebenszyklen, Recycling, nachhaltige Baustoffe und eine Reduktion unnötiger Projekte. „Internationale Zahlen zeigen, dass auch mit weniger Straßen ein vergleichbares Wohlstandsniveau gehalten werden kann, sofern diese in ausreichend gutem Zustand und verfügbar gehalten werden“, betont er. Fehle der politische Kurswechsel, drohe ein infrastruktureller Rückschritt – besonders in ländlichen Regionen. Hoffmanns Warnung fällt deutlich aus: „Ohne die ehestmöglichen entsprechenden Weichenstellungen wird es irgendwann in den nächsten zehn bis 20 Jahren schwierig werden, das gegenwärtige Niveau auch nur annähernd zu halten.“
Zukünftige Herausforderungen für die Straßeninfrastruktur
Österreichs Straßennetz ist mehr als 128.000 Kilometer lang. Viele Tunnel, Brücken und Straßen in Österreich stammen aus der Nachkriegszeit und erreichen in den kommenden Jahren ein Alter, in dem eine umfangreiche Generalsanierung nötig ist. Damit steht Österreichs Straßen eine große Sanierungswelle bevor. Insbesondere die Sanierung von Brücken und Tunneln ist aufwändig und teuer. Überdies nehmen Extremwetterereignisse aufgrund des Klimawandels zu – und mit ihnen Infrastrukturschäden durch Muren, Hochwasser, Hitze und Stürme. Das VCÖ-Factsheet liefert zahlreiche Daten zur Ist-Situation des Straßennetzes auf Bundes- und Landesebene und beleuchtet anstehende und erwartbare Kosten durch Sanierungen und Klimaschäden. >>> zum VCÖ-Factsheet