Immer mehr Gemeinden setzen auf Verkehrsberuhigung

Foto einer Begegnungszone

Von Tempo-30-Zonen im Ortsgebiet und verkehrsberuhigten Ortskernen profitiert die ganze Gemeinde. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wünschen sich weitere Erleichterungen bei der Umsetzung.

Von Doris Neubauer

Rund 30.000 Euro will die Gemeinde Gföhl in Niederösterreich heuer in verkehrsberuhigende Maßnahmen investieren. Im April hat Bürgermeisterin Ludmilla Etzenberger das Verkehrskonzept für Straßenabschnitte rund um den Kindergarten vorgestellt. Verkehrsmessungen zeigen, dass 15 Prozent der Autofahrenden schneller als die damals im Ortsgebiet erlaubten 50 Kilometer pro Stunde fuhren. Besonders für Fußgängerinnen und Fußgänger aber auch für Anrainerinnen und Anrainer ist das hohe Tempo des Autoverkehrs unangenehm. Deshalb gilt nun Tempo 30. „Außerdem haben wir bauliche Maßnahmen wie Schwellen und Pflanzenbeete geplant, um das Tempo zu verlangsamen”, ergänzt die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde mit 3.800 Einwohnerinnen und Einwohnern. Etzenberger hofft, dass „es damit besser wird“.

Geschwindigkeitsüberwachung für Tempo 30

Während die Gföhler Bürgermeisterin an alle Verkehrsteilnehmenden appelliert, im Straßenverkehr „Hausverstand und Rücksicht“ zu zeigen, sieht das Marion Török aus Zwentendorf im Bezirk Tulln anders: „Wenn eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht überwacht wird, dann bringt sie nichts.“ Hier liege die Krux: „Wir können uns eine Überwachung wünschen“, meint sie. „Es liegt aber im Ermessen der Bezirkshauptmannschaft, ob die Gemeinde eine erhält. Denn Gemeinden dürfen Geschwindigkeitsmessungen nicht selbst durchführen.“

Zuvor steht die Bürgermeisterin der niederösterreichischen Gemeinde mit 4.200 Einwohnenden aber vor einer weiteren Herausforderung: Vor ein paar Jahren hatte der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss getroffen, auf Gemeindestraßen Tempo 30 einzuführen. Nun werden alle Straßen und Kreuzungen auf Machbarkeit von Tempo 30 und die Durchführbarkeit baulicher Maßnahmen überprüft.

Zudem möchte die Gemeinde einen durchgehenden Rad- und Gehweg durch die elf Dörfer von Zwentendorf zum nächsten Bahnhof umsetzen. Dafür braucht die Gemeinde Grundeinlösung von Landwirten und Privatpersonen. „Ich bin dabei, die 20 Grundeigentümer abzuklappern”, erzählt Török, „manche sagen ja, manche nein. Es ist nicht so einfach. Die Pläne der Gemeinden und die Umsetzbarkeit liegen oft weit auseinander.” So bietet Zwentendorf Leih-E-Bikes und kostenlose Schul- und Kindergartenbusse an, um die Anzahl der Pkw auf der Straße zu Stoßzeiten zu reduzieren. Ein Ausbau des Öffentlichen Verkehrs hingegen sei von den Verkehrsanbietern – und damit von der Finanzierung durch das Land – abhängig.

Vorher Nachher Zwentendorf Foto (c) Marktgemeinde Zwentendorf
Platz zum Verweilen: Die Hauptstraße in Zwentendorf links vor und rechts nach der baulichen Umgestaltung.

Begegnungszone im Ortszentrum mit Mehrwert für alle

Eine andere Baustelle ist im September letzten Jahres abgeschlossen worden: Nach einem Beteiligungsprozess mit Stakeholdern wurden Abschnitte der Hauptstraße zu einer Begegnungszone umgebaut. „Wir haben mehr Grünraum und Aufenthaltsplätze für die Menschen geschaffen“, freut sich Török. Sie ist überzeugt, dass es der richtige Ansatz ist: „Seit wir die Begegnungszone haben, kommen mehr Radfahrende vom Donauradweg ins Zentrum und besuchen das Lebensmittelgeschäft und das Wirtshaus.“ Außerdem können Kinder und die „zunehmend älter werdende Bevölkerung, die mit dem Rollator langsam unterwegs ist”, jetzt sicher über die Straße gehen.

Was es in Zwentendorf schon seit einem halben Jahr gibt, ist auch in Hart bei Graz geplant: Eine Begegnungszone im Ortszentrum ist Teil eines Verkehrskonzept, das der Gemeinderat nach einem Abstimmungsprozess mit Bürgerinnen, Bürgern und Stakeholdern Anfang Juli dieses Jahres beschlossen hat. „Wie alle Umlandgemeinden sind wir für den Autoverkehr entworfen worden“, erklärt Bürgermeister Jakob Frey. „Jetzt geht es darum, ein Gleichgewicht herzustellen und dem Gehen und Radfahren einen ähnlichen Raum zu gewähren.“ Dafür wird in der Gemeinde mit 5.500 Einwohnerinnen und Einwohnern die aktive Mobilität bei Straßensanierungen mitgedacht. Gleichzeitig sollen starke Einbauten und 20 bis 30 Meter lange einspurige Streckenabschnitte den „Autofahrenden helfen, die Geschwindigkeit zu drosseln”, erklärt er.

Noch lieber wäre es dem Bürgermeister, wenn das Auto zu Hause stehen bliebe. Angebote wie das Car-Sharing-Konzept REGIOtim, ein Leih-E-Lastenrad oder das Sammeltaxi-System flux sollen das vereinfachen. Zusätzlich setzt Hart auf den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs. Seit Sommer 2023 gibt es Verbindungen im 20-Minuten-Takt nach Graz sowie nach Seiersberg. Künftig sollen zudem Radverkehrsrouten die Gemeinde mit Graz und der Umgebung verbinden. Der erste Abschnitt wird gerade gebaut, der Zweite befindet sich in Planung.

Schule und Kindergarten: Tempo 30 wird verlängert

In Hart bei Graz soll ein Zentrum geschaffen werden, das die Menschen zum Verweilen einlädt. „Das zu Fuß Gehen im Ortskern soll in Zukunft erleichtert werden”, fügt Frey hinzu, denn: „Es kann nicht sein, dass der Supermarkt über Luftlinie 150 Meter entfernt ist, man zu Fuß aber 700 Meter gehen muss.” Damit solche Wege schnell und sicher zurückgelegt werden können, braucht es weitere Maßnahmen. „Im konkreten Fall wollen wir Tempo 30 auf der Straße von der Volksschule bis zum Kindergarten um 200 Meter verlängern”, bringt Frey
ein Beispiel.

„Generell würde ich mir wünschen, dass die Gesetzeslage mehr Bezug und Rücksicht auf das Gehen und Radfahren nimmt. Behörden sind oft gezwungen so zu entscheiden, dass der Autoverkehr nicht behindert wird, das ist nicht zeitgemäß!“, appelliert Frey an die Bundesregierung. Zudem sollten Gemeinden von Anfang an stärker als bisher in die Gesetzgebung eingebunden werden, ergänzt Zwentendorfs Bürgermeisterin Marion Török. Schließlich seien sie es, die die Gesetze vorwiegend ausführen und Umgestaltungen finanzieren müssen.

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