Nachgefragt - Juliane Stark

Der öffentliche Raum wird attraktiver und vielfältiger nutzbar

Porträtfoto von Juliane Stark
Juliane Stark, Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Verkehrswesen

Juliane Stark forscht unter anderem zu Kinder- und Jugendmobilität, zu aktiver Mobilität und zu Mobilitätseinstellungen. Sie kennt die vielen Vorteile von Verkehrsberuhigung und weiß warum die Zustimmung nach der Umsetzung meist hoch ist.

VCÖ-Magazin: Die Ankündigung von Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung stößt häufig auf Kritik. Umgekehrt ist die Zustimmung nach der Umsetzung meist hoch. Wie lässt sich das erklären?

Juliane Stark: Menschen neigen generell dazu, auf Veränderungen skeptisch und unsicher zu reagieren. Vor allem, wenn diese Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung passieren und ihren Alltag betreffen. Diese Unsicherheiten und Widerstände resultieren oft aus einem Mangel an Information zu den Vorteilen, die mit derartigen Maßnahmen einhergehen können. Beispielsweise werden Zeitverluste durch Verringerungen des Tempolimits von Autofahrerenden häufig überschätzt.
Nach der Umsetzung können positive Effekte der Verkehrsberuhigung direkt erlebt werden. Dazu gehören beispielsweise eine gesteigerte Lebensqualität, erhöhte Verkehrssicherheit und weniger Lärm. Wenn Menschen diese Vorteile selbst erfahren, wandelt sich ihre Einstellung oft ins Positive.

VCÖ-Magazin: Welche Auswirkungen hat Verkehrsberuhigung auf die Umgebung?

Juliane Stark: Der öffentliche Raum wird attraktiver und vielfältiger nutzbar. Menschen können sich sicherer zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen, was die Gesundheit fördert und zu einer aktiveren Lebensweise beiträgt. Die höhere Aufenthaltsqualität motiviert dazu, mehr Zeit im Freien zu verbringen. Insbesondere Anwohnende profitieren von durch weniger Lärm, bessere Luftqualität und eine sicherere Umgebung. Es entsteht mehr Raum für soziale Interaktionen, Erholung und Freizeitaktivitäten. Auch das Sicherheitsgefühl, besonders für Kinder und ältere Menschen, wird verbessert. Verkehrsberuhigte Zonen beleben zudem oft den Handel, da Einkaufsstraßen und Gastronomiebetriebe in ruhigerer, angenehmer Atmosphäre besser frequentiert werden. Der Raum für Außengastronomie erweitert sich, und die Geschäfte profitieren von einem ansprechenderen Umfeld, das mehr Kundinnen und Kunden anzieht.

VCÖ-Magazin: Gibt es Bevölkerungsgruppen, die davon besonders profitieren? Und, wenn ja, warum?

Juliane Stark: Grundsätzlich profitieren alle Bevölkerungsgruppen. Besonders hervorzuheben sind jedoch Kinder, ältere Menschen und mobilitätseingeschränkte Personen. Kinder sind besonders verletzlich im Straßenverkehr. Verkehrsberuhigung reduziert die Geschwindigkeit von Fahrzeugen und schafft sicherere Bedingungen für das Spielen und Gehen von Kindern, insbesondere in Wohngebieten und Schulnähe. Durch sichere Fußgängerzonen und Fahrradwege können Kinder häufiger zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren, was ihre körperliche Aktivität erhöht und zu einer besseren Gesundheit beitragen kann. Verkehrsberuhigung in der Nähe von Schulen schafft sicherere Schulwege und reduziert das Risiko von Verkehrsunfällen. Ältere Menschen haben oft eine eingeschränkte Mobilität und Reaktionsfähigkeit. Ein ruhigeres Verkehrsaufkommen erhöht für sie nicht nur die Sicherheit und die Erreichbarkeit, sondern reduziert zudem den Stress und die Angst, die im Verkehr entstehen können. Verkehrsberuhigte Zonen ermöglichen eine bessere Planung für barrierefreie Zugänge, wie abgesenkte Bordsteine und breite Gehwege. Dies erleichtert die Mobilität für Menschen mit Rollstühlen oder anderen Hilfsmitteln.

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VCÖ: Öffi-Angebot in Österreichs 124 regionalen Zentren weist große Unterschiede auf

VCÖ (Wien, 10. November 2023) – Während in 20 der 124 regionalen Zentren Österreichs mehr als 150 Züge pro Werktag halten, sind zwölf regionale Zentren gar nicht mit der Bahn erreichbar, wie eine aktuelle VCÖ-Studie zeigt. Gegenüber dem Jahr 2019 ist in 90 regionalen Zentren die Zahl der Zughalte gestiegen. Mit Linienbussen sind alle regionalen Zentren erreichbar, in jedem dritten gibt es ein Mikro-ÖV Angebot. Die Mobilitätorganisation VCÖ fordert mehr öffentliche Verkehrsverbindungen für die Regionen sowie eine Rad-Infrastruktur-Offensive, da auch in den Regionen viele Alltagswege kurz sind. Bis zum Jahr 2030 soll eine flächendeckende Mobilitätsgarantie in Österreich umgesetzt werden.  

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Foto: Sarah Duit

Mobilitätszentrale für den Pongau

Im Jahr 2001 gründeten die 25 Gemeinden des Pongaus in Salzburg die Mobilitätszentrale „Mobilito“. Das Kundencenter am Bahnhof Bischofshofen bietet persönliches Service mit Ticketverkauf für Bahn und Bus, Carsharing in Kooperation mit ÖBB Rail & Drive sowie ein Reisebüro. Mobilito koordiniert und bestellt zudem den Pongau-Takt, das regionale Netz aus 20 Buslinien und drei Taxilinien mit insgesamt rund 740.000 Fahrplankilometern pro Jahr.

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Bild der Mobilitätszentrale "Mobilito"