Nachgefragt - Linda Dörrzapf

Preiswerte Angebote und Bewusstseinsbildung sind wichtig

Porträtfoto von Linda Dörrzapf
Linda Dörrzapf, Wissenschafterin TU Wien, Forschungsbereich Verkehrssystemplanung (MOVE)

Linda Dörrzapf hat unter anderem an dem Projekt „GECAR-Gendersensibles Carsharing“ geforscht. Großes Potenzial für Sharing sieht sie beim Wohnbau und in Angeboten, die besser auf die Mobilitätsmuster von Frauen abgestimmt sind.

VCÖ-Magazin: Welchen Beitrag kann Sharing für ein nachhaltiges Mobilitätssystem leisten?

Linda Dörrzapf: Carsharing hat das Potenzial den privaten Pkw-Besitz zu reduzieren. Das bedeutet zum einen, dass weniger Fahrzeuge im öffentlichen Raum abgestellt werden und diese Flächen für andere Nutzungen zur Verfügung stehen. Zum anderen kann durch eine effizientere Nutzung der Fahrzeuge und durch Umstieg auf E-Antrieb der CO2-Ausstoß verringert werden. Bike- und Car-Sharing fördern aber auch den Öffentlichen Verkehr: Sharing-Angebote an Haltestellen machen die Öffis attraktiver.

VCÖ-Magazin: Wie unterscheiden sich einzelne Sharing-Modelle in dieser Hinsicht voneinander? Haben alle positive Effekte?

Linda Dörrzapf: Es zeichnet sich ab, dass stationsbasiertes Carsharing nachhaltiges Mobilitätsverhalten mehr fördert als free-
floating Carsharing. Auch wenn E-Scooter keine direkten Emissionen erzeugen, sind Lebensdauer und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung kritisch zu betrachten. Studien zeigen darüber hinaus, dass E-Scooter auch viele Fahrten mit Öffis, Radfahren und Gehen ersetzen.

VCÖ-Magazin: Was müsste sich an den Rahmenbedingungen ändern, damit die Sharing-Formen mit positiver Wirkung attraktiver werden?

Linda Dörrzapf: Insbesondere im Wohnbau bestehen in Zusammenhang mit einer (reduzierten) Stellplatzverordnung enorme Potenziale für Sharing-Angebote: Kfz-Stellplätze könnten für Car- und Bikesharing bereitgestellt werden, aber eine Verpflichtung gibt es dafür (bisher) nicht. Auch durch privatrechtliche Vereinbarungen wie städtebauliche Verträge können Sharing-Angebote in Wohnprojekte integriert werden. Ein alternativer Ansatz könnte eine „Mobilitätsabgabe“ durch Bauträger sein. Auch Regelungen, die private Autonutzung weniger attraktiv machen, fördern indirekt die Nutzung von Sharing-Angeboten.

VCÖ-Magazin: Carsharing-Nutzende sind tendenziell jung und männlich. Wie können andere Bevölkerungsgruppen angesprochen werden?

Linda Dörrzapf: Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Mobilitätsmuster. Frauen leisten mehr Care-Arbeit und arbeiten häufiger in Teilzeit. Zu ihren Mobilitätsbedürfnissen passt Carsharing häufig nicht. Carsharing wird von Frauen zwar als umweltfreundlich, aber gleichzeitig als sehr unübersichtlich, kompliziert und kostenintensiv wahrgenommen. Daher sind – neben der Ausweitung des Sharing-Angebotes – Informationsbereitstellung, preiswerte Angebote und Bewusstseinsbildung wichtige Ansätze.

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Bessere Mobilität für die Regionen

Auch die Menschen in den Regionen haben das Recht auf ein gutes, öffentlich zugängliches Mobilitätsangebot. Dazu zählt neben öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Mikro-ÖV-Angeboten auch eine sichere Rad-Infrastruktur. Dass auch in dünner besiedelten Regionen ein qualitätsvolles öffentliches Mobilitätsangebot möglich ist, zeigen Beispiele sowohl in Österreich als auch international. Damit wird die Mobilität der Bevölkerung erhöht. Statt Autoabhängigkeit gibt es mehr Freiheit in der Verkehrsmittelwahl, was wiederum die Mobilitätskosten für die Bevölkerung reduziert. Die Region wird sowohl als Wohn- als auch Arbeitsort attraktiver und nicht zuletzt kommt Österreich damit auch seinen Klimazielen näher.

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Kleinstädtisches Sharing-Angebot aus einer Hand

Die steirische Kleinstadt Weiz bietet mit WeizBike und E-Carsharing auf einer Plattform gebündelt zwei Sharing-Systeme an. Nutzerinnen und Nutzer können nach einmaliger Registrierung an 14 Standorten – davon einer in der Nachbargemeinde St. Ruprecht an der Raab – 60 Fahrräder und 80 E-Bikes ausleihen. Für Carsharing stehen drei E-Autos zur Verfügung.

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Bild eines Carsharing-Autos