Öffentlicher Verkehr auf Autobahnen hat Potenzial

Visualisierung einer künftigen Busstation auf der Autobahn

Öffentlicher Verkehr auf Autobahnen und Schnellstraßen wird in Ballungszentren erfolgreich priorisiert. Dabei werden Pannenstreifen oder eigene Spuren genutzt und sogar Haltestellen auf Autobahnen eingerichtet.

Von Doris Neubauer

Über zehn Kilometer erstreckt sich die Busspur auf der Autovía A-6, der Autobahn zwischen den spanischen Städten Madrid und Arteixo. „Sie wird abschnittsweise als getrennte und umkehrbare Spur betrieben“, weiß Flavio Grazian, Project & Knowledge Manager der International Association of Public Transport (UITP). „Morgens führt die Busspur in Richtung Madrid und nachmittags wird sie für den Verkehr in die andere Richtung genutzt.“ Schon seit dem Jahr 1991 gibt es diese Lösung. Neben Bussen können auch High occupancy vehicles (HOV) die Busspur nutzen, also mehrfach besetzte Kraftfahrzeuge, im deutschen Sprachraum mbK. Seit fast ebenso langer Zeit diskutieren Busbetreiber und Behörden dieses Beispiel. Im Rahmen der UITP-Familie tauschen sie sich über die wichtigsten Entwicklungen in diesem Sektor aus. Denn „als eine der ersten Fahrspuren speziell für stark besetzte Fahrzeuge in Spanien hat die Busspur Staus erheblich reduziert und sie dient weiterhin als Vorbild und Modell für ähnliche Projekte”, erklärt Grazian. Mittlerweile verfügt auch Barcelona über eine zweispurige Bus-HOV-Straße auf der Zufahrt vom Norden der Stadt, „und eine neue im Süden ist derzeit im Bau, wobei der Seitenstreifen einer bestehenden Autobahn teilweise genutzt wird.“

Auf der Überholspur

Auch Städte wie Montreal, Toronto und Los Angeles setzen auf ausgedehnte Netze von HOV-Spuren. Zudem beobachtet Manel Rivera Bennassar, Bus Knowledge Manager bei der UITP, weltweit eine wachsende Nutzung von Bus Rapid Transit – auch auf Autobahnen und Schnellstraßen. Die Express-Busse fahren mit extrem dichter Taktung auf einer eigenen Spur und können bis zu 60.000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung befördern. Früher sind sie vor allem innerstädtisch unterwegs gewesen, nun verkehren sie in Lateinamerika und Afrika häufig auch auf Autobahnen. Eines der noch seltenen europäischen Beispiele kommt aus den Niederlanden, so Grazian: „Die mit Elektro-Bussen betriebene Linie 300 zwischen Amsterdam, Haarlem und dem Flughafen Schiphol hat nicht nur Vorfahrt an Kreuzungen, sie nutzt auch die Autobahn A9.“

Künftig könnten Bus Rapid Transit-Systeme „Städte mit ihren Vororten oder mit wichtigen Infrastrukturen wie Flughäfen verbinden”, fügt Rivera Bennassar hinzu. Das würde die Mobilität insbesondere den Pendelverkehr in städtischen und vorstädtischen Gebieten erleichtern und damit die Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs steigern, sind sich die UITP-Experten sicher.

Pilotprojekte mit Potenzial

In Österreich arbeitet die Asfinag an Projekten, um das bestehende Autobahnnetz effizienter zu nutzen und den öffentlichen Nahverkehr zu beschleunigen. In einem ersten Schritt wurden die Verkehre öffentlicher Busse im Autobahnnetz analysiert. „In einem weiteren Schritt ist die Errichtung einer Bushaltestelle auf der Autobahn geplant“, berichtet Bernd Datler, Geschäftsführer der Asfinag Maut Service GmbH. Er verweist auf Vorbilder: In Frankreich wurde im Jahr 2024 ein diesbezüglicher Rahmenplan veröffentlicht. Auch in Italien und Norwegen gebe es punktuell Haltestellen im direkten Autobahn-Umfeld. Derzeit arbeitet die Asfinag mit dem Verkehrsverbund Steiermark und der TU Graz an einem konkreten Forschungsprojekt. Es geht dabei um die Errichtung einer Bushaltestelle auf der A2 Südautobahn in der steirischen Stadt Gleisdorf. Bei der Projektanalyse spielte auch die fußläufige Erreichbarkeit vom Bahnhof Gleisdorf aus eine Rolle. Die Ergebnisse bestätigten Gleisdorf als nahezu optimalen Standort für eine Autobahn-Bushaltestelle. Im März 2025 soll mit dem Bau begonnen werden. „Die Bushaltestellen werden auf beiden Richtungsfahrbahnen im Zuge einer Generalsanierung errichtet – das spart Zeit und Kosten“, erklärt Datler. Zusätzlich analysierten das Land Steiermark und der Verkehrsverbund, ob die Taktung der bestehenden Express-Busse in diesem Bereich verdichtet werden kann. Offen ist, ob weitere Autobahn-Bushaltestellen umgesetzt werden. „Es haben uns in den letzten Wochen und Monaten wiederholt Gemeinden in Autobahnnähe kontaktiert, die das Potenzial erkannt haben“, so Datler.

Auch ein weiteres Konzept, das in Israel, den USA, Frankreich und den Niederlanden vielerorts Praxis ist, wird in Österreich verfolgt: die Nutzung des Pannenstreifens durch den Öffentlichen Verkehr. „Seit mehreren Jahren werden Busse auf der A7 Mühlkreisautobahn zwischen den Anschlussstellen Gallneukirchen und Linz-Dornach in der Hauptverkehrszeit bevorzugt. Sie können an zähfließendem Verkehr oder Stau vorbeifahren“, nennt Datler ein Beispiel. Auch auf der A10 Tauernautobahn wurde im Zuge der Generalerneuerung von Ofenauer- und Hieflertunnel ein Pilotprojekt umgesetzt. Ein weiteres Projekt zur Verbesserung des Verkehrsflusses während einer Baustelle läuft auf der A12 Inntalautobahn in Tirol. „Das soll – nach positiver Evaluierung – als dauerhafte Lösung verbleiben“, so Datler. Das Potenzial des Öffentlichen Verkehrs auf Autobahnen wird immer mehr erkannt.

Zurück zur Übersicht

VCÖ-Bahntest: 58 Prozent der Bahn-Fahrgäste haben Autofahrten auf die Bahn verlagert

VCÖ (Wien, 19. September 2024) – Autofahrten auf die Bahn zu verlagern, reduziert den CO2-Ausstoß und die Schadstoff-Emissionen und trägt zur Vermeidung von Staus bei. Aber was bewegt zum Umstieg vom Auto auf die Bahn? Beim diesjährigen VCÖ-Bahntest sagten 58 Prozent der Fahrgäste, dass sie heute Strecken mit der Bahn fahren, die sie früher mit dem Auto zurückgelegt haben. Als Hauptgründe wurden der Kauf eines Klimatickets und die nutzbare Reisezeit im Zug genannt. Um aktuelle Autofahrten auf die Bahn verlagern zu können, brauchen die meisten Fahrgäste eine kürzere Gesamtreisezeit sowie häufigere Verbindungen außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Die Mobilitätsorganisation VCÖ fordert ein verbessertes Bahnangebot sowohl in den Ballungsräumen als auch auf den Regionalbahnen.

Mehr dazu

VCÖ: Im Vorjahr passierten in Österreich 100 Schulwegunfälle am Schutzweg!

VCÖ (Wien, 30. August 2024) – 100 der 450 Schulwegunfälle des Vorjahres passierten auf Schutzwegen, wie eine aktuelle Analyse der Mobilitätsorganisation VCÖ auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. Um die Sicht auf Kinder, die den Schutzweg überqueren möchten, zu verbessern, ist eine Ausweitung des Halte- und Parkverbots vor Schutzwegen von fünf auf zehn Metern wichtig. Zudem erinnert der VCÖ an die seit 30 Jahren in der Straßenverkehrsordnung verankerte Regelung, dass Kindern immer – auch ohne Schutzweg – das sichere Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen ist. Der VCÖ ruft zudem auf, Problem- und Gefahrenstellen beim VCÖ-Schulwegcheck zu melden und hier in eine Online-Karte einzutragen.

Mehr dazu
Foto: Norbert Novak