„Recht auf lebenslanges Lernen“

Sabine Köszegi direkt gefragt

„Wir brauchen ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Weiterbildung“

Mit der Sozial- und Arbeitswissenschaftlerin Sabine Köszegi sprach das VCÖ-Magazin darüber, welche Regelungen es braucht, damit künstliche Intelligenz und Digitalisierung ihr positives Potenzial entfalten können, negative Wirkungen unter Kontrolle gebracht werden und warum es dazu eine digitale Alphabetisierung braucht.

 

VCÖ-Magazin: Wie wird sich Künstliche Intelligenz KI auf die Arbeitsplätze auswirken?

Sabine Köszegi: Die Sorge sollte nicht sein, dass es weniger Arbeitsplätze gibt, sondern eher, wie können Menschen in Beschäftigung bleiben, indem sie die richtigen Qualifikationen haben. In vielen Berufen wird die Anforderung digitaler Kompetenzen dazukommen. Die Anforderung wird in Zukunft sein, flexibler am Arbeitsplatz zu werden, immer wieder die Bereitschaft zu haben, sich auf Neues einzulassen, dazuzulernen, immer wieder Qualifikationsschritte zu machen.

Wir haben auf europäischer Ebene darüber diskutiert, dass ein Recht auf lebenslanges Lernen eingeführt werden sollte, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht bekommen, sich weiterzubilden, gesetzlich verbrieft, um ihnen die Chance zu geben, sich auch tatsächlich weiterbilden zu können und nicht bloß der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber einfordern kann, dass sie sich weiterbilden müssen.

VCÖ-Magazin: Was für eine Art von Ausbildung wird es da brauchen? Soll jetzt jeder Programmierer und Computerfachfrau werden?

Sabine Köszegi: Es braucht digitale Grundkompetenzen. Also eine allgemeine „digital literacy“ für die digitale Welt schaffen, was dem Alphabetismus beim Lesen und Schreiben entspricht. Also zu verstehen, welche Konsequenzen mein Tun in der Digitalen Welt hat.

Wichtig sind diese Grundkompetenzen auch, weil in Zukunft viele Services, auch  der öffentlichen Hand, online angeboten werden, weil das ein einfacher Zugang ist, von zu Hause aus genutzt werden kann, zu relativ geringen Kosten.

In der EU-Arbeitsgruppe, der „High Level Expert Group“, haben wir Empfehlungen abgegeben, dass eine Bildungsoffensive von den Kindergärten bis hin zu Universitäten stattfinden muss. Wir müssen schon unsere Kinder mit diesen digitalen Grundkompetenzen ausstatten, sodass Menschen an diesem digitalen Leben einfach teilhaben können, Chancengleichheit herrscht, sie aber auch kritisch mit dieser Technologie umgehen können. In allen Berufen wird es solche Grundkompetenzen brauchen. Und im tertiären Bildungsbereich, an den Universitäten und Fachhochschulen, muss grundlegendes Knowhow zu Data Science, KI-Technologie und maschinellem Lernen in allen Curricula eingeführt werden. Also auch wenn ich Medizin studiere, soll ich zumindest Grundkompetenzen in diesen Technologien haben, weil ich später mal Entscheidungssysteme für die Diagnose nutzen werde. Das wird auch im Verkehrsbereich so sein – etwa wenn das autonome Fahrzeug kommt. Oder innovative Mobilitätskonzepte, die verschiedene Mobilitätsformen und Mobilitätsanbieter viel stärker vernetzen, implementiert werden – da spielen diese Technologien auch eine große Rolle.

VCÖ-Magazin: Braucht es nicht auch viel strengere Gesetze, die die Menschen vor den oft schwer durchschaubaren Gefahren durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz besser schützen?

Sabine Köszegi: Ich vergleiche das immer mit Medikamenten. Manche Medikamente bekommen Sie nur auf ärztliche Verschreibung.  Andere Medikamente können Sie in der Apotheke kaufen und ein Beipackzettel weist Sie auf mögliche Gefahren oder Nebenwirkungen hin. Jeder kann selbst entscheiden, will er oder sie das Risiko eingehen für die Nebenwirkungen. Aber ich muss zumindest wissen, dass es diese Nebenwirkungen gibt. So ähnlich sehe ich das auch bei der Digitalisierung und den KI-Technologien. Manchmal macht es Sinn den Einfluss zu regulieren und sicher zu gehen, dass die Menschen keinen Schaden nehmen. Wichtig ist jedenfalls eine KI, die allen Gesetzen entspricht und legal ist, die die Autonomie des Menschen respektiert, keinen Schaden zufügt, die verlässlich, sicher und transparent ist, das heißt, wenn KI-Technologie zur Entscheidungsunterstützung herangezogen wird, oder gar autonom Entscheidungen trifft – dann muss es nachvollziehbar sein, wie diese Entscheidungen zustande kommen. Manche Dinge – wenn wir nicht überregulieren wollen, müssen wir aber den Konsumentinnen und Konsumenten und ihrem vernünftigen und ethisches Verhalten überlassen können. Das sind große Herausforderungen, da sind viele Anwendungen noch weit davon entfernt. Da gibt es Entwicklungen, die die Gesetzgebung erst wieder einfangen muss.

Das Gespräch führte Christian Höller.

Sabine Köszegi, Sozialwissenschaftlerin, Professorin für Arbeitswissenschaft und Organisation am Institut der Managementwissenschaften der TU Wien, Vorsitzende des „Österreichischen Rat für Robotik und künstliche Intelligenz“, der die österreichische Regierung bei der Strategie für Robotik berät und Mitglied in der „High Level Expert Group“ der EU zum Thema Digitalisierung.

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Blick zurück aus der Zukunft

Von Willi Nowak, VCÖ-Geschäftsführung

„Papa, Papa, das ist super schön“, jauchzt die kleine Brigid und läuft laut Anweisungen rufend hinter einem sprachgesteuerten Fluggerät durch den Raum. Bernd ist überrascht. Er hatte das Ding nicht bestellt. Schnell geht er vor die Türe und sieht die Transport-Drohne auch beim Nachbargebäude Lieferungen absetzen. Das Display am Eingang blinkt und zeigt an, dass Bestellung und Lieferung korrekt bestätigt sind. Wenig später trifft Leonore ein, abgesetzt vom Sharing-Modul ihrer Arbeitsstelle, das Beschäftigte für die wenigen noch erforderlichen Meetings holt und nach Hause bringt. „Wo kommt denn dieses Ding her?“, fragt Leonore, etwas genervt von den immer lauter werdenden Sprachbefehlen der Tochter. Bernd fängt schnell das herumflitzende Gerät aus der Luft und bekommt so die Aufmerksamkeit der kleinen Brigid. Auf seinen fragenden Blick hin bemerkt diese: „Jetzt, wo ich die Stimme so machen kann wie Mama, werden viel mehr schöne Sachen zu uns gebracht!“ Seit auch Bernd und Leonore im Jahr 2030 auf das Nur-einmal- -täglich-Liefern durch Drohnen umgestiegen sind, gibt es viel weniger Lieferverkehr in ihrer Gegend. Aber mit dem Erfindungsreichtum ihrer Tochter hatten sie nicht gerechnet. Leonore steht seufzend auf, storniert die Sprachsteuerung für Bestellungen und stellt das System auf Iris-Scan um.

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Die Chance ergreifen

Die Entwicklung geht klar in Richtung emissionsfreier Antriebe. Steigende Reichweiten sprechen dafür, dass sich beim Pkw der batterie-elektrische Antrieb mittelfristig durchsetzen wird. Synthetische Treibstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren CO2-neutral betrieben werden könnten, sind für den Masseneinsatz absolute Zukunftsmusik. Unter den etablierten Autoherstellern gab Volvo als Teil eines chinesischen Konzerns als erster bekannt, vollständig auf Elektro-Antriebe umzustellen. Auch Volkswagen ziele „auf den Punkt, an dem sich jeder fragen muss, warum er einen Verbrenner haben will. Denn wir glauben nicht, dass es eine Alternative zur E-Mobilität gibt“, wird ein Vorstandsmitglied von Volkswagen zitiert. Die Pkw-Neuwagenflotte von Mercedes soll bis zum Jahr 2039 CO2-neutral werden. Entwicklungskapazitäten werden aktuell von Motoren und Getrieben hin zu Batterietechnologie und Leistungselektronik verschoben. Das bedeutet einschneidende Veränderungen, auch für Beschäftigte der Automobilbranche. Doch die Entwicklung lässt sich auf Dauer nicht aufhalten und nur Unternehmen, die sich rechtzeitig umstellen, werden auch in Zukunft noch Arbeitsplätze bieten können. Viele Autozulieferer diversifizieren bereits ihre Produktpalette in Richtung Elektro- Antriebe oder anderer Sektoren, etwa der Autozulieferer Miba, der Bremsen für Windkraftanlagen herstellt. Für die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte werden Tausende Fachkräfte für Aufbau und Wartung der E-Ladeinfrastruktur gebraucht werden. Geld, das bisher in den Import von Erdöl geflossen ist, kann künftig verstärkt im Inland ausgegeben werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Mobilitätswende unterm Strich für ein Plus an Beschäftigung sorgen wird.

>> Ihre Meinung dazu an markus.gansterer@vcoe.at

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