Rückbau von Straßen als Chance

Geh- und Radweg neben einer Ortseinfahrt

Viele Straßen sind überdimensioniert und nicht mehr zeitgemäß. Ihre Sanierungen können dazu genützt werden, neue Rad- und Gehwege anzulegen oder Flächen zu entsiegeln. Viele Gemeinden in Österreich setzen das bereits um.

Von Susanne Wolf

Obsteig an der B 189 Mieminger Straße: In der Tiroler Gemeinde wurde vor kurzem ein Rückbau der Ortsdurchfahrt abgeschlossen. Am Beginn stand ein Beteiligungsprozess auf Initiative der Gemeinde und der Anwohnenden. Die überbreite Fahrbahn wurde auf den Mindestquerschnitt reduziert. Damit wurde Platz für Geh- und Radwege geschaffen, zugleich die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der motorisierten Fahrzeuge auf der Straße reduziert und so die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden erhöht. Die Rückmeldungen aus der Gemeinde sind nach Umsetzung durchwegs positiv. „Jeder investierte Euro ist wichtig und richtig, um den Verkehr sicher und möglichst entlastend für die Bevölkerung abzuwickeln“, betont Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler. Zudem wurde kürzlich eine Geh- und Radwegunterführung fertiggestellt. Damit wurde im Rahmen des Fernpass-Pakets ein weiteres Projekt zur Steigerung der Verkehrssicherheit und zur Entlastung der Anrainerinnen und Anrainer umgesetzt. Die Fernpassroute, die Reutte mit dem Inntal verbindet, ist eine der meistfrequentierten Straßenverbindungen in Tirol.

Verschmälerung von Straßen

Die voranschreitende Bodenversiegelung in Österreich ist ein viel diskutiertes Thema. Verkehrsflächen machen einen erheblichen Anteil dieser Bodenversiegelung aus. Versiegelte Flächen, etwa durch asphaltierte Straßen und Parkplätze, stellen ein zunehmendes Umweltproblem dar und verschärfen die Folgen von Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hitze. Laut Umweltbundesamt entfallen 95 Prozent der vom Verkehr verursachten Bodenversiegelung – das sind 1.209 Quadratkilometer – auf Straßenverkehrsflächen. Der Verkehr insgesamt verantwortet 43 Prozent der versiegelten Flächen.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Market zeigt,  dass 64 Prozent der Bevölkerung eine Verschmälerung überdimensionierter Straßen befürworten, um mehr Platz für Grünstreifen, Geh- und Radwege zu schaffen. Während in vielen Siedlungsgebieten bereits Rückbaumaßnahmen von Fahrbahnen umgesetzt wurden, sind Rückbauten von Straßen im ländlichen Bereich noch selten. Anstehende Sanierungen von Straßen oder Brücken können jedoch als Chance gesehen werden, oft überdimensionierte Abmessungen wie etwa die Straßenbreite zu verringern.

Rad- und Gehwege schaffen

So wie es zwischen den Gemeinden Gaaden und Hinterbrühl in Niederösterreich geschehen ist: Dort wurde im Rahmen eines Straßenrückbaus ein Geh- und Radweg eingerichtet. Davor mussten Radfahrende zwischen Hinterbrühl und Gaaden teilweise die Landesstraße B 11 benutzen. Verkehrszählungen zeigten, dass in diesem Bereich täglich durchschnittlich 5.000 Kraftfahrzeuge unterwegs sind. „Die Radwege werden von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen und auch gut benutzt“, sagt der Gaadener Bürgermeister Anton Jenzer. Auch Baden ist nun mit einem Geh- und Radwegenetz über das Rosental mit Mödling verbunden. Die für den neuen Radweg benötigten Flächen wurden von den betroffenen Grundeigentümern zur Verfügung gestellt. „Neue Geh- und Radwege zu weiteren Nachbarortschaften sind bereits in Planung und sollen – sofern das Gemeindebudget es zulässt – in den nächsten Jahren gebaut werden“, ergänzt Jenzer.

Wirklich nachhaltig bauen

Beim Straßenbau und Straßenrückbau ist nachhaltige Planung zunehmend gefragt: „Das sind riesige Massen, die in die Jahre gekommen und jetzt zu sanieren beziehungsweise rückzubauen sind“, sagt Anna Huditz vom Austrian Institute of Technology (AIT). „Die Straße besteht ja nicht nur aus ein paar Zentimetern Beton oder Asphalt, da gibt es einen riesigen Unterbau. Es herrscht mittlerweile viel Bewusstsein, dass nicht mehr einfach alles zubetoniert werden kann, sondern dass da schon ein gewisser gesellschaftlicher Druck dahinter ist, wirklich nachhaltig zu bauen“, so Huditz. Bei den Sanierungen stieße man allerdings an gewisse Grenzen, deshalb gelte: „Die nachhaltigste Brücke ist die, die nicht gebaut wird.“ Ein Satz, der sich ohne weiteres auf den Straßenbau insgesamt ausweiten lässt. Bei den bestehenden Verkehrswegen ist es jedenfalls ein guter Ansatz, bei Sanierungen die Dimensionen zu hinterfragen und umweltverträgliche Mobilitätsformen stärker zu berücksichtigen. Die Zustimmung dafür ist hoch, wie nicht nur die Beispiele aus Obsteig und Gaaden zeigen.

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