Ruf Rudi für die letzte Meile

Von Tür zu Tür ganz ohne Auto, das ist die Vision klimaverträglicher Verkehrsplanung. In der Region ist die letzte Meile von der Haltestelle zur Wohnadresse oft noch eine Hürde. Doch es bewähren sich bereits unterschiedlichste Lösungen.

Von Jutta Berger

Ruf den Rudi“ heißt es im Kärntner Drautal. Fünf Gemeinden des Unteren Drautals probieren seit dem Jahr 2019 den Rufbus Rudi (Rufbus Unteres Drautal Interkommunal) in einem Pilotprojekt aus. Rudi bringt Menschen – in der Region wohnen rund 12.000 – zu den Haltepunkten, die innerhalb von 300 Metern von jeder Wohnadresse erreichbar sind. Wer gesundheitliche Beeinträchtigungen hat, wird vor die Haustüre gebracht.

Rudi erfüllt viele Bedürfnisse

„Rudi wird sehr gut angenommen“, sagt Gottfried Seebacher, Geschäftsführer der Mikromobilitäts- und Logistikmanagement GmbH, die Rudi organisiert. Der Lockdown im Zuge der Covid-19- Pandemie wurde gut überstanden. Die Zahl der Fahrgäste reduzierte sich im April 2020 zwar auf ein Drittel, rund 200, stieg aber im September wieder auf über 700. Wer fährt mit Rudi? Seebacher: „Unser Publikum ist sehr unterschiedlich. Pendelnde fahren frühmorgens, die Jungen, wenn sie zum Zug in die Stadt wollen.“ Buchbar ist Rudi online oder telefonisch. Auch der Verkehrsverbund Tirol setzt auf Ergänzung zum Öffentlichen Verkehr insbesondere durch Carsharing für die sogenannte „letzte Meile“, vom Bahnhof in kleinere Orte. In 21 kleinen Gemeinden stehen dafür 38 E-Autos zur Verfügung. Um 100 Euro kann das Autoteilen zusätzlich zum Jahres- oder Regionalticket genutzt werden.

Erfolgsprojekt Landbus Bregenzerwald

In Vorarlberg können ländliche Regionen wie der Bregenzerwald werktags im Halbstundentakt per Bus erreicht werden. Der Landbus Bregenzerwald gilt als Erfolgsprojekt. „Das liegt am Fahrplan, der sich sehen lassen kann“, sagt Landbus-Mobilitätskoordinator Alois Greussing. Auf der Hauptlinie fährt der „Wälderbus“ im Halbstundentakt, eine Schnellbuslinie führt ins Rheintal, auf Nebenlinien wird im Stundentakt gefahren. Zwei Nachtlinien am Wochenende ergänzen das Angebot. Alle 23 Gemeinden der Region, in der rund 34.000 Menschen leben, sind erschlossen. Das Problem letzte Meile geht der Vorarlberger Verkehrsverbundes (VVV) unterschiedlich an. Im Rheintal und Walgau, wo der Großteil der Bevölkerung lebt, wird vor allem das Fahrrad für die letzte Meile genutzt. Leihräder, Jobräder und Fahrradboxen an Bahnhöfen unterstützen dabei. An 40 Standorten wird Carsharing angeboten. Anruf- und Sammeltaxis werden in fünf Talschaften angeboten, nachts auch in Ballungsräumen. „On-Demand-Lösungen sehe ich als Ergänzung des klassischen Öffentlichen Verkehrs“, sagt VVV-Geschäftsführer Christian Hillbrand. Voraussetzung für ein funktionierendes Mikro-ÖV-Angebot sei eine gute Organisation, um die Leerfahrten zu minimieren. „Der Zugang zum Angebot muss zudem so einfach wie möglich sein“, betont Hillbrand. Deshalb werde daran gearbeitet, alle Angebote, Öffentlicher Verkehr ebenso wie Mikro- ÖV, über die VMobil-Card und die cleVVVer-App zugänglich zu machen. Langfristig müssen Raumplanung und Verkehrsinfrastruktur synchronisiert werden, so Hillbrand. Mit neuen Betriebs- oder Wohngebieten sollte gleichzeitig die öffentliche Verkehrsanbindung geplant werden.

Güteklassen für Öffentlichen Verkehr in der Schweiz

In der Schweiz wurde zur Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Verkehrsinfrastruktur das System von Güteklassen des Öffentlichen Verkehrs entwickelt und im nationalen Raumplanungsgesetz verankert. Die Güteklassen – je Region bis zu sieben – zeigen wie gut ein Standort mit Öffentlichem Verkehr erschlossen ist und damit auch, wo Verdichtung möglich ist, und wo auf neue Siedlungsgebiete verzichtet werden sollte. „Das schafft keine Verpflichtung, aber eine klare Regelung, die hilft das nationale Gesetz umzusetzen. Mit ÖV-Güteklassen auf Stufe Kanton können wir nun diese schwammige Definition parzellenscharf festlegen“, sagt Thierry Müller, Leiter Öffentlicher Verkehr des Schweizer Kantons Graubünden. Es gelte Interessen zwischen Raumplanung, Verkehrsplanung und Grundbesitzern auszugleichen. In Graubünden, einer teils sehr touristischen, teils dünn besiedelten Bergregion mit knapp 200.000 Menschen, wird seit dem Jahr 2013 mit Güteklassen des Öffentlichen Verkehrs gearbeitet. Kriterien sind Erreichbarkeit und Intervalle von Bahn und Bus. Als gut erreichbar gilt eine Haltestelle, wenn sie weniger als 500 Meter von der Wohnung entfernt liegt. Müller zeichnet ein Bild des Systems des Öffentlichen Verkehrs in seinem Kanton: „Die Intercity-Strecke Zürich- Chur ist der Baum, die Strecken der Rhätischen Bahn sind die Äste, die Busse die Blätter.“ Ergänzt wird durch Bustaxis, die auch im Generalabonnement, dem Schweizer Jahresticket für den Öffentlichen Verkehr, inkludiert sind. Bis zum Jahr 2025 ist geplant Angebotskonzepte mit Halbstundentakt auf den Hauptlinien von Bahn und Bus im ganzen Kanton zu schaffen. Prämisse der Bündner Mobilitätsplanung: „Der Öffentliche Verkehr muss pünktlich sein, die Tarifsuche einfach. Fahrgäste müssen sich auf den Öffentlichen Verkehr verlassen können.“ In Österreich wurde im Jahr 2017 im Auftrag der Österreichischen Raumordnungskonferenz ÖROK ein Umsetzungskonzept für österreichweite Güteklassen des Öffentlichen Verkehrs erarbeitet. Eine verbindliche Umsetzung in die Praxis ist noch nicht erfolgt.

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