Tourismusregionen punkten mit nachhaltiger Mobilität

Eine Hand hält eine Gästekarte einer Tourismusregion

Die einfache und stressfreie Erreichbarkeit von Tourismusregionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird immer entscheidender dafür, wer im Wettbewerb um Gäste die Nase vorne hat.

Von Doris Neubauer

Wer seit dem Jahr 2020 im Schweizer Appenzell Innerrhoden drei oder mehr Übernachtungen bucht, kann kostenlos innerhalb des Schweizer Verkehrsnetzes mit dem Öffentlichen Verkehr an- und abreisen. Immer mehr Urlauberinnen und Urlauber tun genau das: Der Anteil der Gäste mit drei oder mehr Übernachtungen, die statt mit dem Auto mit Bus oder Bahn in der Urlaubsdestination ankamen, konnte um zehn bis 15 Prozentpunkte gesteigert werden. Das ergab eine Studie, die die Hochschule Luzern (HSLU) gemeinsam mit Appenzellerland Tourismus im Jahr 2023 durchführte. Die Forschenden schätzen, dass eine Person, die Bus oder Bahn anstelle des Autos nutzt, ihre jährlichen durch Mobilität verursachten inländischen Treibhausgas-Emissionen um durchschnittlich 3,6 Prozent reduziert. „Das ist insofern wichtig, weil der Verkehr für einen beachtlichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich ist“, erklärt Co-Studienautor Kevin Blättler. Von den rund fünf Prozent aller CO2- Emissionen, die direkt auf touristische Aktivitäten zurückzuführen sind, entfallen laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen 75 Prozent auf die Mobilität und hier insbesondere die An- und Abreise. Doch nicht nur ökologisch, auch wirtschaftlich macht es Sinn, wenn sich die Mobilität auf nachhaltige Angebote verlagert. „Ein wesentlicher Punkt aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer auf drei oder mehr Nächte: 20 Prozent der Befragten sagten, sie wären ohne das Angebot kürzer geblieben”, weiß Mobilitätsexperte Blättler von der HSLU, „oder sie hätten gar eine andere Destination gewählt.” Das Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen ist daher ein zentraler und nachhaltiger Bestandteil der Marketingstrategie des Appenzellerland Tourismus.

Mobilitätsangebote schaffen Wettbewerbsvorteil

Mit umfassenden Mobilitätsangeboten punktet auch die Tiroler Tourismusregion Wilder Kaiser bei den Gästen. „Im Sommer sind wir für drei Dinge bekannt”, berichtet Lukas Krösslhuber, Geschäftsführer des gleichnamigen Tourismusverbands, „die TV-Serie ‚Bergdoktor‘, die Bergerlebniswelten und die Mobilität vor Ort.“ Im Jahr 2013 wurde in der Region, die im letzten Jahr mehr als 420.000 Gäste-Ankünfte und über zwei Millionen Beherbergungen verzeichnete, der erste „Bahnhofshuttle Tirol“ ins Leben gerufen. Inzwischen bieten über 150 Mitgliedsbetriebe diese „letzte Meile“ vom Bahnhof bis zur Unterkunft kostenlos an. „Die Bahnreisenden entscheiden sich für uns”, ist Krösslhuber angesichts der Nutzungsraten und wiederkehrenden Besucherinnen und Besucher vom Erfolg der Maßnahme überzeugt. Er erwartet, dass der Anteil derjenigen, die mit dem Zug kommen, weiter steigen wird.

Während die Mobilitätsangebote für die An- und Abreise stark von ÖBB, Deutscher Bahn und anderen Verkehrsdienstleistern abhängen, liegt die Gestaltung der Mobilität vor Ort in den Händen von Krösslhuber und seinem Team vom Tourismusverband Wilder Kaiser. Diese arbeiten daran, die touristische Mobilität mit dem Alltagsverkehr zusammenzulegen. Schon jetzt können Gäste wie Einheimische die flächendeckenden, kostenlosen Angebote – vom Kaiserjet über die Wanderbusse bis hin zum Skibus – gleichermaßen nutzen. Geht es nach Krösslhuber, sollen künftig Linienbusse, die Schulen und Dörfer anfahren, auch touristische Punkte ansteuern und dadurch gemeinschaftlich finanziert werden. Zudem sollen in den nächsten vier Jahren die Bushaltestellen modernisiert werden: „Wir investieren 350.000 Euro in die Erneuerung, damit die Bushaltestellen ein Symbol für die Bedeutung und Qualität unseres Busverkehrs werden“, verrät der Touristiker einen der vielen Pläne, um die nachhaltige Mobilität zu fördern.

Freie Fahrt mit Bus und Bahn nimmt zu

„Das Angebot ist da”, meint Anna Engstler von der Alpenregion Bludenz Tourismus GmbH, der Destinationsmanagement-Organisation für das Brandnertal, die Alpenstadt Bludenz, das Klostertal und den Bio- sphärenpark Großes Walsertal in
Vorarlberg. Neben Direktverbindungen aus der Schweiz und dem Osten Österreichs über die österreichische Westbahnstrecke bietet der tägliche ICE aus Berlin direkt nach Bludenz eine komfortable und zugleich klimaverträgliche Anreise. Zwar nutzen derzeit unter zehn Prozent aller Gäste diese Möglichkeit, zitiert die Expertin eine T-MONA-Gästebefragung aus der Saison 2022/23, sieht aber eine positive Entwicklung: „Die Zahlen steigen.“

Um diesen Trend weiter zu forcieren, sollen Vermietende und Gastgeberinnen und Gastgeber in der Kommunikation der verschiedenen Mobilitätsmöglichkeiten geschult und mit Info-Material versorgt werden. Zudem soll auf der neuen Homepage der Region künftig verstärkt auf die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln hingewiesen werden. Auch eine grafische Darstellung, die die wichtigsten Zugverbindungen und die Dauer der Anreise anzeigen soll, ist vorgesehen. „Flugzeug und Auto klammern wir hingegen total aus“, fügt sie hinzu, sanfte Mobilitätsangebote stehen im Vordergrund. Neben Carsharing, E-Bike-Verleih und Ladestationen zählt dazu die Gästekarte, mit der das Brandnertal, Bludenz und das Klostertal seit 2019 unter anderem die freie Fahrt mit Bus und Bahn in Vorarlberg bis zu den Grenzhaltestellen in Deutschland, Tirol und der Schweiz anbieten. „Die digitale Variante erhalten die Gäste schon vor ihrer Ankunft und können so ab der Vorarlberger Landesgrenze kostenlos anreisen“, erklärt Engstler und will diesen Zusatznutzen künftig bekannter machen.

Die Gästekarte selbst jedenfalls erfreut sich breiter Akzeptanz: Einer Umfrage aus dem Sommer 2019 und Winter 2019/20 zufolge nutzten über 50 Prozent der Befragten das Angebot, mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Umgebung des Urlaubsorts zu erkunden. Aufgrund dieses Erfolgs wurde das Pilotprojekt in die Tourismusstrategie Vorarlberg 2030 aufgenommen. Bald soll es für Gäste in weiteren Destinationen heißen: „Freie Fahrt mit Bus und Bahn!“

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Motivierende Slogans wirken

Die Kampagne „Sei schlau, pfeif auf’n Stau“ der Radlobby Oberösterreich soll Autofahrende dazu motivieren, auf den Öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad umzusteigen.

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Foto: Radfahrer auf einer Brücke vor einem Transparent der Radlobby mit einem Slogan

Jobs in der EU durch Green New Deal

Von Ulla Rasmussen VCÖ-Verkehrspolitik

Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihre Vorstellungen und politischen Richtlinien präsentiert. Diese haben es in sich: es ist die Rede von einem „European Green New Deal“ und von einer Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet – und das alles unter dem Leitgedanken, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Auf die Umsetzung bin ich gespannt. Wir sehen in Österreich, wie schwierig es politisch ist, verbindliche und überprüfbare Klima-Zielsetzungen festzulegen und mit konkreten und überprüfbaren Maßnahmen umzusetzen. Nicht nur Österreich, die ganze Welt sucht Lösungen zur CO2-Reduktion im Verkehrsbereich – und die Zeit läuft. Wir müssen uns beeilen, wenn wir bei den Lösungen, die dann auch Beschäftigung bieten, vorne mit dabei sein wollen. Das heißt, auf dezentrale Lösungen für die Erzeugung erneuerbarer Energie zu setzen, auf Kompetenz bei der Herstellung von Schienenfahrzeugen und Schieneninfrastruktur, auf digitale Mobilitätsmanagement-Lösungen und auf Ideen für die Stadtmobilität und Stadtlogistik. Wenn die neue EU-Kommission dann auch noch eine wirksame Carbon Border Tax schafft, die sinnlose Transporte quer durch die Welt ökonomisch uninteressant macht und regionale Kreisläufe unterstützt, dann sind die Weichen für eine klimaverträgliche Beschäftigungspolitik gestellt.

>> Ihre Meinung dazu an: ulla.rasmussen@vcoe.at

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