Wenn schon Geschäftsreise, dann mit der Bahn

Mann mit Koffer steigt in Zug ein

Immer mehr Unternehmen reduzieren ihre Geschäftsreisen. Viele haben für die unverzichtbaren Fahrten den Umstieg auf die Bahn festgeschrieben, manche setzen auf eine interne CO2-Steuer. Tools helfen beim Vergleich der Verkehrsmittel.

von Jutta Berger

Geschäftsreisen machen 15 bis 20 Prozent des weltweiten Flugverkehrs aus. Durch Reduktion der Geschäftsreisen ließen sich die Emissionen des Flugverkehrs am effektivsten und schnellsten verringern, sagt der europäische Dachverband des VCÖ, Transport & Environment (T&E). Auf bestimmten Routen könnte die Emissionsreduktion durch Umstieg auf die Bahn bis zu 97 Prozent betragen.

Mit der Travel Smart Campaign versucht T&E Unternehmen zu motivieren, ihre durch Flugreisen verursachten Emissionen um 50 Prozent zu reduzieren und die Einsparungen jährlich durch Daten zu belegen. Im Jahr 2022 haben die ersten europäischen Unternehmen an die Travel Smart Campaign Daten geliefert. Eines davon ist Swiss Re, die Schweizer Rückversicherung, ein Unternehmen mit weltweit 14.500 Beschäftigten. Im Vergleich zum Jahr 2018 verursachte der Konzern im Jahr 2022 durch Reduktion der Flüge bei Geschäftsreisen 70 Prozent weniger CO2-Emissionen.

Eine der Maßnahmen von Swiss Re ist eine interne CO2-Steuer. Für jede Flugreise wird der jeweiligen Abteilung eine CO2-Abgabe verrechnet. Der globale Reisestandard empfiehlt den Beschäftigten, wo immer möglich und sinnvoll, mit der Bahn zu reisen. Der mit den Reisen verbundene CO2-Ausstoß wird bei der Buchung über das eigene Buchungstool automatisch errechnet und dem CO2-Budget des jeweiligen Teams in Rechnung gestellt. Im Jahr 2022 waren es 112 US-Dollar pro Tonne CO2, bis zum Jahr 2030 soll der Betrag auf 200 US-Dollar steigen, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht der Swiss Re.

Vermeiden und reduzieren

Immer mehr Unternehmen und Institutionen schreiben Emissionsreduktion und Umstieg auf die Bahn in ihren Reiserichtlinien fest. Die Asfinag hat die Zahl der dienstlichen Flüge von 661 im Jahr 2019 auf 188 im Jahr 2023 reduziert, die Zahl der Inlandsflüge von 290 auf 16. Gleichzeitig wurden die mit der Bahn gefahrenen Kilometer auf knapp mehr als eine Million versechsfacht. Zusätzlich haben rund 420.000 Videokonferenzen im Jahr 2023 zahlreiche Dienstfahrten vermieden. Auch bei der Erste Group lauten die Grundprinzipien Vermeiden und Reduzieren. Angela Lille, Head of Travel Management and HR Systems, erläutert: „Die nicht gemachte Dienstreise ist die nachhaltigste Reise. Wir reisen daher nur, wenn eine Videokonferenz nicht möglich ist und die Reise einen Mehrwert für das Unternehmen bringt.“ Konkrete Ziele für die Reduktion gibt es allerdings nicht. Im Inland wird nur noch mit dem Zug gereist. Für die internationale Reiseplanung sollte es optimierte Vergleichstools geben, sagt Lille: „Die Planung ist oft zeitintensiv, Flug- und Bahnverbindungen müssen in separaten Tools gesucht werden. Das spiegelt nicht den Fortschritt der Digitalisierung wider.“ Nicht nur die Preise, sondern auch die CO2-Emissionen müssten vergleichbar werden.

Der Zugang zu praktischen Buchungstools ist eine wesentliche Voraussetzung für den Umstieg auf umweltverträglichere Verkehrsmittel, sagten 67 Prozent der Befragten bei einer internationalen Umfrage von SAP-Contur. Die Bahn arbeitet an Verbesserungen, sagt ÖBB-Pressesprecher Bernhard Rieder: „Seit letztem Jahr sind ÖBB-Züge bereits auf der Plattform ‚onesto‘ buchbar, mit der Plattform ‚cytric‘ befinden wir uns in einer Testphase.“ Derzeit buchen laut ÖBB-Kommunikation mehr als 5.000 nationale und internationale Unternehmen ihre Dienstreisen auf der Buchungsplattform ÖBB Businesskonto.

Tools und Steuergerechtigkeit

Wenn brauchbare Tools für den Vergleich von CO2-Emissionen von Reisen fehlen, machen wir uns selbst welche, war wohl der Gedanke an der Universität Graz. Dort wurde der Carbon Tracer entwickelt. „Der Carbon Tracer ermöglicht es, Treibhausgas-Emissionen von Reisen durch eine einfache Handhabung bei gleichzeitig wissenschaftlich höchster Qualität darzustellen“, erklärt Stefanie Hölbling vom Carbon Tracer-Team. Gibt jemand beispielsweise eine Reise von Graz nach München ein, liefert der Tracer umgehend die Daten: Flug 215 Kilogramm CO2-Äquivalente, Zug mit um neun Kilogramm 96 Prozent weniger. Seit Jahresbeginn werden an der Universität Graz die Treibhausgas-Emissionen jeder Dienstreise errechnet.

Der Carbon Tracer steht auch uni- fremden Personen und Unternehmen kostenlos zur Verfügung. Aktuell werden monatlich 40.000 Zugriffe verzeichnet. Das Tool kann um Zeit- und Kostenvergleiche und spezifische Bedürfnisse erweitert werden.

Beschleunigt könnte der Umstieg auf Bahnreisen auch durch Steuergerechtigkeit im intermodalen Wettbewerb werden, meint ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder: „Die Bahn ist im Vergleich zum Flugverkehr steuerlich benachteiligt. Der grenzüberschreitende Flugverkehr ist von der Mehrwertsteuer befreit, auf Flugkerosin werden keine Steuern eingehoben, während Bahnunternehmen für Bahnstrom Steuern zahlen müssen.“

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Foto: ÖBB / Hanno Thurnher