VCÖ: Nachhaltige Mobilität schafft in Österreich bereits mehr als 200.000 Arbeitsplätze

VCÖ: Österreich als Europas Kompetenzzentrum für nachhaltige Mobilität positionieren

VCÖ (Wien, 4. Dezember 2024) – Die nachhaltige Mobilität ist in Österreich ein starker, aber sehr unterschätzter Wirtschaftsfaktor, stellt die Mobilitätsorganisation VCÖ fest. Dass Österreichs Bahnindustrie am Weltmarkt im Spitzenfeld liegt oder allein Gehen, Radverkehr und Radtourismus mehr als 52.000 Arbeitsplätze sichern, ist hierzulande wenig bekannt. Österreich hat innovative Unternehmen in allen Bereichen der nachhaltigen Mobilität, vom Öffentlichen Verkehr, über Fahrradproduktion über Elektro-Mobilität bis hin zu digitalen Mobilitätsservices. Der VCÖ fordert verstärkte wirtschaftspolitische Maßnahmen, damit das Exportland Österreich die weltweit steigende Nachfrage nach klimaverträglicher Mobilität als Konjunktur-Lokomotive nutzt.

 

 

„Spätestens seit der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 ist bekannt, dass am Weltmarkt die Nachfrage nach klimaverträglicher Mobilität stark steigen wird. Es ist sehr bitter, dass in der Europäischen Union und auch in Österreich zu spät auf die geänderten Marktbedingungen reagiert wurde. Besonders bitter wäre es, wenn jetzt die notwendige Transformation erneut verschoben wird und sich die europäische Industriepolitik somit selbst auf ein Abstellgleis manövriert. Umso wichtiger ist es, jetzt rasch die wirtschaftspolitischen Weichen zu stellen, dass statt Arbeitsplätze zu verlieren, neue Jobs geschaffen werden“, betont VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Umso mehr als gerade Österreich die besten Voraussetzungen mitbringt, um Europas Kompetenzzentrum für nachhaltige Mobilität zu sein.

Österreichs Bahnindustrie spielt am Weltmarkt in der Champions League. Beim Export von Schienenfahrzeugen liegt das kleine Österreich sogar in absoluten Zahlen an vierter Stelle, nur Deutschland, China und die USA liegen – knapp – vor Österreich. Pro Einwohnerin und Einwohner ist Österreich bei Schienenfahrzeugen Export-Weltmeister, verdeutlicht der VCÖ. 7,9 Prozent des gesamten Welthandels der Bahnindustrie ist „Made in Austria“. Die Unternehmen von Österreichs Bahnindustrie schaffen eine Gesamtwertschöpfung von 2,7 Milliarden Euro und sichern direkt, indirekt und induziert 28.000 Arbeitsplätze. In vielen Bereichen der Bahnindustrie ist die Nachfrage größer als das Angebot. Der VCÖ fordert verstärkte Förderungen für Umschulungen von Beschäftigen aus anderen Branchen, die ihren Job verloren haben.

„Österreichs Automobil- und Zulieferindustrie kann E-Mobilität“, erinnert VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Beispielsweise hat BMW in Steyr im Herbst mit der Vorserienproduktion von Elektromotoren begonnen. Schon heute arbeitet im ursprünglich reinen Diesel-Entwicklungszentrum ein überwiegender Teil der Beschäftigten im Bereich der E-Mobilität. Im Jahr 2030 sollen in Steyr 600.000 E-Antriebe produziert werden. AVL List in Graz wiederum hat im Herbst eine E-Achse für Langstrecken-Lkw bis 40 Tonnen vorgestellt. Bei der Nachnutzung von Elektroauto-Batterien ist das Vorarlberger Unternehmen e.battery systems ein Vorreiter. Und Österreich liegt bei Patenten in der Elektroauto-Mobilität über dem EU-Durchschnitt.

„Es ist höchste Zeit, E-Mobilität-Cluster in Österreich zu schaffen. Und die Verunsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten durch den Schlingerkurs bei der Antriebstechnologie ist zu beenden und rasch Technologie-Klarheit zu schaffen“, betont VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Der deutsche Auto-Experte Ferdinand Duddenhöffer weist darauf hin, dass es bei Pkw „voll und ganz in Richtung Batterie-Elektrisches Auto geht“ und warnt, dass die Antriebsdiskussion „den Hochlauf der Elektromobilität zerstört“. Der IHS-Experte Christian Kimmich drängt im Interview im heute erschienenen VCÖ-Magazin auf einen raschen Wandel und weist darauf hin, dass Elektro-Fahrzeuge schon jetzt „in vielen Anwendungsbereichen wirtschaftlicher sind als fossile Autos“.

Wenig Beachtung findet auch der ökonomische Fußabdruck von Gehen und Radfahren. Die Mobilität zu Fuß und mit Fahrrad schaffen inklusive dem Radtourismus in Österreich direkt, indirekt und induziert mehr als 52.400 Arbeitsplätze und generieren eine Wertschöpfung von rund 3,5 Milliarden Euro, macht der VCÖ aufmerksam. Allein im Jahr 2023 wurden in Österreich 421.000 Fahrräder im Wert von fast 1,2 Milliarden Euro verkauft. Mit woom kommt Europas erfolgreichster Kinderfahrrad-Hersteller aus Österreich. In Deutschland ist jedes vierte neu gekaufte Kinderfahrrad von woom.  

Eine Gesamtstudie für den gesamten Bereich von nachhaltiger Mobilität fehlt für Österreich. Auf Basis der vorliegenden Daten für Teilbereiche ist davon auszugehen, dass der Öffentliche Verkehr (inklusive Bahnindustrie), Gehen und Radverkehr, Elektro-Mobilität sowie Carsharing in Summe direkt, indirekt und induziert deutlich mehr als 200.000 Arbeitsplätze sichert, stellt der VCÖ fest. Und das Beschäftigungspotenzial in diesem Bereich ist in Österreich noch deutlich höher.

Quellen:
VCÖ-Magazin: Nachhaltige Mobilität – Unterschätzter Wirtschaftsfaktor, Dezember 2024
Verband der Bahnindustrie, Austrian Rail Report 2023
BMK Wirtschaftsfaktor Radverkehr, Wien  2022
Österreichische Energieagentur, TU-Wien, Econmove, Wien 2023

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Blick zurück aus der Zukunft

Von Willi Nowak, VCÖ-Geschäftsführung

„Papa, Papa, das ist super schön“, jauchzt die kleine Brigid und läuft laut Anweisungen rufend hinter einem sprachgesteuerten Fluggerät durch den Raum. Bernd ist überrascht. Er hatte das Ding nicht bestellt. Schnell geht er vor die Türe und sieht die Transport-Drohne auch beim Nachbargebäude Lieferungen absetzen. Das Display am Eingang blinkt und zeigt an, dass Bestellung und Lieferung korrekt bestätigt sind. Wenig später trifft Leonore ein, abgesetzt vom Sharing-Modul ihrer Arbeitsstelle, das Beschäftigte für die wenigen noch erforderlichen Meetings holt und nach Hause bringt. „Wo kommt denn dieses Ding her?“, fragt Leonore, etwas genervt von den immer lauter werdenden Sprachbefehlen der Tochter. Bernd fängt schnell das herumflitzende Gerät aus der Luft und bekommt so die Aufmerksamkeit der kleinen Brigid. Auf seinen fragenden Blick hin bemerkt diese: „Jetzt, wo ich die Stimme so machen kann wie Mama, werden viel mehr schöne Sachen zu uns gebracht!“ Seit auch Bernd und Leonore im Jahr 2030 auf das Nur-einmal- -täglich-Liefern durch Drohnen umgestiegen sind, gibt es viel weniger Lieferverkehr in ihrer Gegend. Aber mit dem Erfindungsreichtum ihrer Tochter hatten sie nicht gerechnet. Leonore steht seufzend auf, storniert die Sprachsteuerung für Bestellungen und stellt das System auf Iris-Scan um.

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Die Chance ergreifen

Die Entwicklung geht klar in Richtung emissionsfreier Antriebe. Steigende Reichweiten sprechen dafür, dass sich beim Pkw der batterie-elektrische Antrieb mittelfristig durchsetzen wird. Synthetische Treibstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren CO2-neutral betrieben werden könnten, sind für den Masseneinsatz absolute Zukunftsmusik. Unter den etablierten Autoherstellern gab Volvo als Teil eines chinesischen Konzerns als erster bekannt, vollständig auf Elektro-Antriebe umzustellen. Auch Volkswagen ziele „auf den Punkt, an dem sich jeder fragen muss, warum er einen Verbrenner haben will. Denn wir glauben nicht, dass es eine Alternative zur E-Mobilität gibt“, wird ein Vorstandsmitglied von Volkswagen zitiert. Die Pkw-Neuwagenflotte von Mercedes soll bis zum Jahr 2039 CO2-neutral werden. Entwicklungskapazitäten werden aktuell von Motoren und Getrieben hin zu Batterietechnologie und Leistungselektronik verschoben. Das bedeutet einschneidende Veränderungen, auch für Beschäftigte der Automobilbranche. Doch die Entwicklung lässt sich auf Dauer nicht aufhalten und nur Unternehmen, die sich rechtzeitig umstellen, werden auch in Zukunft noch Arbeitsplätze bieten können. Viele Autozulieferer diversifizieren bereits ihre Produktpalette in Richtung Elektro- Antriebe oder anderer Sektoren, etwa der Autozulieferer Miba, der Bremsen für Windkraftanlagen herstellt. Für die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte werden Tausende Fachkräfte für Aufbau und Wartung der E-Ladeinfrastruktur gebraucht werden. Geld, das bisher in den Import von Erdöl geflossen ist, kann künftig verstärkt im Inland ausgegeben werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Mobilitätswende unterm Strich für ein Plus an Beschäftigung sorgen wird.

>> Ihre Meinung dazu an markus.gansterer@vcoe.at

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