VCÖ: Österreich hat bei Elektro-Transportern und Elektro-Lkw Rückstand auf Europas Spitze

VCÖ-Fachkonferenz: Vorreiter Unternehmen zeigen, dass E-Lkw Praxistest bestehen

VCÖ (Wien, 10. Juli 2025) – Der Straßengüterverkehr ist für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen von Österreichs Verkehrssektor verantwortlich. Neben der Verlagerung auf die Schiene ist vor allem der Einsatz von Elektro-Lkw wirksam, um den Lkw-Verkehr auf Klimakurs zu bringen. Im Europa Vergleich hat Österreich großen Aufholbedarf. In den Niederlanden fahren bereits 83 Prozent der neuzugelassenen mittelschweren Lkw mit Strom, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Die Erfahrungen mit Elektro-Lkw sind positiv, wie heimische Pionier-Unternehmen bei der heutigen VCÖ-Fachkonferenz schilderten.

Die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs in Österreich haben sich gegenüber dem Jahr 1990 verdoppelt, der Lkw-Verkehr ist für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich. „Neben Vermeiden, etwa durch die Stärkung regionaler Kreisläufe und dem Verlagern auf die Schiene, ist das Ersetzen der Diesel-Lkw durch Elektro-Lkw die zentrale Maßnahme, um den Schwerverkehr auf Klimakurs zu bringen. Dabei hat Österreich im europäischen Vergleich noch großen Aufholbedarf“, stellte VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky bei der heutigen VCÖ-Fachkonferenz fest.

Eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt, dass heuer im 1. Quartal in Österreich zwölf Prozent der neuzugelassenen Lkw der Klasse N2 (3,5 bis 12 Tonnen) mit Strom fahren, während der Anteil in Schweden 45 Prozent, in Dänemark 54 Prozent und in den Niederlanden sogar 83 Prozent beträgt. „In den Niederlanden haben 30 Städte emissionsfreie Lieferzonen beschlossen, die seit heuer schrittweise eingeführt werden. Das hat den Elektro-Lkw einen Boost gegeben“, erklärt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Alle ab dem Jahr 2025 zugelassenen Kleintransporter und Lkw müssen emissionsfrei sein, um in diese Zonen einfahren zu dürfen. Auch bei den neuen Klein-Lkw in den Niederlanden hat bereits jeder vierte einen Elektromotor, in Dänemark jeder dritte und in Norwegen sogar vier von zehn. In Österreich lag der Anteil in den ersten fünf Monaten zwar bei 17 Prozent, dieser Anteil wird jedoch sinken, weil mit 1. Juli die NoVA (Normverbrauchsabgabe) für Verbrenner-Transporter abgeschafft wurde. Damit werden Diesel-Transporter um viele tausend Euro billiger, der Anreiz für den Kauf von Elektro-Transportern sinkt dadurch. Ein teurer Rückschritt für das Ziel, den E-Anteil bei den Klein-Transportern zu erhöhen.  

Dabei gibt es auch in Österreich bereits etliche Unternehmen, die Elektro-Lkw erfolgreich einsetzen. Laut Austria Tech gab es mit Stand Ende Mai in Österreich 75 elektrische Sattelzugfahrzeuge, 332 E-Lkw der Klassen N2 und N3 sowie 14.933 Elektro-Transporter (Klein-Lkw). Tobias Begle von Österreichs Leitstelle für Elektromobilität bei der Austria Tech: „Unsere Prognosen zeigen: die Wachstumskurve der batterieelektrischen Lkw könnte noch steiler werden als bei den E-Pkw. Während erste Logistik-Unternehmen ihre Flotte auch schon für die Langstrecke umrüsten, gibt es auch weiterhin Zurückhaltung und Unsicherheit. Jetzt ist es essentiell, Planungs- und Investitionssicherheit für die Branche zu schaffen.“ Bei der heutigen online durchgeführten VCÖ-Fachveranstaltung berichteten einige dieser Pionier-Unternehmen von ihren Erfahrungen.

Das steirische Transportunternehmen Innofreight setzt Elektro-Lkw im intermodalen Gütertransport für Naturgips-Transporte als Zubringer zur Bahn ein. Insgesamt werden 110.000 Tonnen Naturgips pro Jahr transportiert. Die 28 Kilometer lange Strecke vom Gipswerk in Tragöß zum Terminal nach Kapfenberg wird mit fünf bis sechs Elektro-Lkw bedient, pro Tag sind es im Schnitt 28 Lkw-Transporte. Die 105 Kilometer lange Hauptstrecke erfolgt mit der Bahn. Früher erfolgte der gesamte Transport mit Diesel-Lkw. „Die Physik ist hier im Einsatz für die Umwelt. Die Kombination aus Gefälle und Ladung sorgt für eine Rückgewinnung an Energie, das schafft nur die E-Mobilität“, erklärt Hannes Pichler von Innofreight.

Das Transportunternehmen Schlager aus Saxen in Oberösterreich setzt seit 16 Monaten Elektro-Lkw ein.  In Summe wurden damit bereits 720.000 Kilometer zurückgelegt, das entspricht der Distanz von 18 Mal um die Erde. 42 Prozent der Energie stammt aus der betriebseigenen Photovoltaikanlage, das Verbrennen von 168.000 Liter Diesel wurde dank der E-Lkw vermieden.  Hubert Schlager, Geschäftsführer von Schlager Transporte: „Die E-Mobilität in der Logistik ist gekommen, um zu bleiben.“

Hofmann & Neffe setzt seit dem Februar 2023 eine E-Sattelzugmaschine ein und hat mittlerweile sieben E-Lkw im Fuhrpark. Davon sind vier im Werkverkehr im Einsatz und drei auf der Straße. Die Reichweite wird durch schnelles Zwischenladen erhöht. „Die Elektromobilität dient uns als effiziente Technologie. Software-Updates sind häufiger als technische Fehler. Die Kundennachfrage ist vorhanden“, fasst Geschäftsführerin Elisabeth Andrieux die Erfahrungen von Hofmann & Neffe zusammen.

Lidl Österreich setzt in Ostösterreich bereits sechs Elektro-Lkw (27 bis 33 Tonnen) mit einer realen Reichweite von rund 300 Kilometer ein. Im nächsten Schritt werden nun auch für Steiermark, Kärnten und Osttirol sowie für Westösterreich große 40 Tonnen E-Lkw auf die Straße gebracht. Für das vom Verteilzentrum Wundschuh versorgte Gebiet sollen 20 große E-Lkw die Transporte erledigen, für das vom Verteilzentrum Laakirchen versorgte Gebiet werden 30 große E-Lkw angeschafft. „Bis zum Jahr 2030 will Lidl Österreich österreichweit keine Fahrzeuge mit fossilen Treibstoffen mehr für die Filialbelieferung einsetzen“, gibt Simon Lindenthaler von Lidl Österreich die Zielrichtung vor.

Inna Wettstein-Schneigelberger von ZEV-Consulting erklärte: „Die Einführung von E-Lkw gelingt, wenn technische, organisatorische und wirtschaftliche Aspekte frühzeitig zusammengedacht werden. Eine strukturierte Herangehensweise in fünf Schritten – von der Analyse bis zur Mitarbeitereinbindung – schafft die Grundlage für einen erfolgreichen Einstieg.“ Bernardo Galantini (Transport & Environment) stellte die rechtlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene vor und betonte: „Europäische Unternehmen haben begonnen, Elektro-Lkw in ihren Betrieb zu integrieren. Jetzt ist es entscheidend, dass die EU für regulatorische Stabilität sorgt und die Förderung sauberer Lkw beschleunigt.“

VCÖ: Niederlande ist EU-Spitzenreiter bei Elektro-Lkw der Klasse N2
(Anteil von E-Lkw an Neuzulassungen Klasse N2 (3,5 bis 12 Tonnen) im 1.Quartal 2025 (in Klammer 1. Quartal 2024))

Niederlande: 83 Prozent (7 Prozent)
Dänemark: 54 Prozent (27 Prozent)
Schweden: 45 Prozent (1 Prozent)
Rumänien:  21 Prozent (0 Prozent)
Deutschland: 19 Prozent (15 Prozent)
EU 27: 18 Prozent (8 Prozent)
Italien: 17 Prozent (6 Prozent)
Österreich: 12 Prozent (4 Prozent)
Frankreich: 11 Prozent (7 Prozent)
Portugal: 9 Prozent (7 Prozent)
Belgien: 9 Prozent (3 Prozent)
Irland: 7 Prozent (9 Prozent)
Finnland: 6 Prozent (2 Prozent)
Tschechien:  5 Prozent (0 Prozent)
Luxemburg:  5 Prozent (0 Prozent)
Spanien: 4 Prozent (2 Prozent)
Polen: 3 Prozent (0 Prozent)
Ungarn: 2 Prozent (14 Prozent)
Griechenland: 1 Prozent (3 Prozent)
Slowakei: 0 Prozent (2 Prozent)
Lettland: 0 Prozent (1Prozent)
Litauen: 0 Prozent (1 Prozent)

In Bulgarien, Kroatien, Zypern, Estland, Malta und Slowenien sowohl im 1.  Quartal 2025 als auch im 1.  Quartal 2024 keine Neuzulassung von E-Lkw Klasse N2

Quelle: ICCT, VCÖ 2025

VCÖ: Bei Elektro-Klein-Lkw liegt Norwegen an Europas Spitze
(Anteil von E-Lkw an Neuzulassungen Klasse N1 im 1.Quartal 2025 (in Klammer Gesamtjahr 2024))

Norwegen: 40,1 Prozent (27,9 Prozent)
Malta: 33,6 Prozent (18,0 Prozent)
Dänemark: 31,1 Prozent (16,6 Prozent)
Niederlande: 23,1 Prozent (6,4 Prozent)
Schweden: 22,4 Prozent (21,2 Prozent)
Österreich: 13,2 Prozent (8,6 Prozent)
Finnland: 13,0 Prozent (13,2 Prozent)
Luxemburg: 12,4 Prozent (6,1 Prozent)
Rumänien: 12,3 Prozent (4,1 Prozent)
Schweiz: 12,2 Prozent (7,6 Prozent)
Island: 11,7 Prozent (12,2 Prozent)
Griechenland: 9,8 Prozent (12,4 Prozent)
Portugal: 9,8 Prozent (6,9 Prozent)
Großbritannien: 9,5 Prozent (5,8 Prozent)
Frankreich 8,8 Prozent (7,2 Prozent)
EU 27: 7,3 Prozent (5,4 Prozent)
Ungarn: 6,4 Prozent (5,5 Prozent)
Deutschland: 5,2 Prozent (4,8 Prozent)
Tschechien: 5,0 Prozent (2,4 Prozent)
Belgien: 4,8 Prozent (3,8 Prozent)
Slowakei: 4,2 Prozent (1,8 Prozent)
Irland: 4,1 Prozent (3,0  Prozent)
Italien: 3,5 Prozent (1,9 Prozent)
Zypern: 3,2 Prozent (0,5 Prozent)
Spanien: 3,2 Prozent (2,4 Prozent)
Lettland: 3,1 Prozent (2,6 Prozent)
Polen: 2,1 Prozent (2,8 Prozent)
Estland: 1,8 Prozent (1,2 Prozent)
Slowenien: 1,6 Prozent (0,8 Prozent)
Litauen: 1,6 Prozent (2,5 Prozent)
Bulgarien: 0,7 Prozent (1,0 Prozent)
Kroatien: 0,6 Prozent (0,5 Prozent)

Quelle: EAFO, VCÖ 2025

Zurück zur Übersicht

AFIR stellt die Weichen: Infrastruktur für emissionsfreien Straßengüterverkehr

Im Straßengüterverkehr gibt es unterschiedliche Technologien, die derzeit im Zusammenhang mit der angestrebten Dekarbonisierung diskutiert werden. Grob eingeteilt sind das elektrische Lkw (E-Lkw), Wasserstoff-Lkw (H2-Lkw) und Flüssiggas-Lkw (LNG-Lkw). Jede dieser Technologien braucht eine separate Infrastruktur, um betrieben werden zu können und jede Technologie hat naturgemäß gewisse Vor- und Nachteile. In der Praxis braucht es eine betriebsnotwendige Infrastruktur, bevor die Lkw auf die Straße geschickt und angeschafft werden. In einer Welt mit beschränkten Ressourcen an Geld, Baukapazitäten, Rohstoffen und Zeit zielt die zentrale Frage somit vor allem auf die Priorität: Worauf den Fokus legen?

Mehr dazu
Foto: Spencer Imbrock, unsplash

VCÖ: Allein über Brenner im Vorjahr 3 Mal so viele schwere Lkw wie über alle Schweizer Alpenpässe

VCÖ (Wien, 18. Februar 2022) – 2,45 Millionen schwere Lkw überquerten im Vorjahr den Brenner, auf allen Schweizer Alpenübergängen zusammen waren es lediglich 0,81 Millionen, macht der VCÖ aufmerksam. Und während seit dem Jahr 2010 der Alpentransit in der Schweiz um ein Viertel zurückgegangen ist, nahm die Lkw-Belastung am Brenner um ein Drittel zu. Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der EU-Wegekostenrichtlinie braucht es verstärkte Maßnahmen in Österreich, um die Belastung für die Bevölkerung und die Umwelt zu reduzieren.

Mehr dazu
Foto: Sarah Duit