VCÖ und Umweltmediziner Hutter: Mit niedrigerem Tempolimit Verkehrslärm reduzieren

Umweltmediziner Hutter: Verkehrslärm erhöht Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

VCÖ (Wien, 25. April 2023) – Verkehrslärm ist für rund 1,2 Millionen Menschen in Österreich eine Belastung, davon geben 980.000 den Kfz-Verkehr als Hauptursache an, erinnert die Mobilitätsorganisation VCÖ anlässlich des morgigen Tages gegen Lärm. Dauerhafte Lärmbelastung erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle, warnt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Eine wirksame Maßnahme zur Reduktion der Verkehrsbelastung sind niedrigere Tempolimits. Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet wirkt hinsichtlich Verkehrslärm so wie eine Halbierung der Verkehrsmenge.

Lärm beeinträchtigt die Lebensqualität von fast zweieinhalb Millionen Menschen in Österreich ab 16 Jahren. "Jede zweite lärmgeplagte Person gibt Verkehrslärm als Hauptursache an, davon wiederum 82 Prozent den Lärm des Kfz-Verkehrs“, weist VCÖ-Expertin Lina Mosshammer auf Daten der Statistik Austria hin.

Für die menschliche Gesundheit ist dauerhafte Lärmbelastung eine ernstzunehmende Gefahr, wie auch der Umweltmediziner Hans Peter Hutter von der Medizinischen Universität erklärt: „Seit Jahrzehnten ist bekannt: Lärm ist ein starker Stressor mit Auswirkungen auf die körperliche, psychische und soziale Gesundheit. Nach wie vor sind Hunderttausende Menschen Lärmpegeln aus dem Straßenverkehr ausgesetzt, die unter anderem das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle deutlich erhöhen oder zumindest die Lebensqualität beeinträchtigen. Hier kann man durchaus von Körperverletzung sprechen. Und das muss sich endlich ändern.“

Eine kostengünstige Maßnahme sind niedrigere Tempolimits, wie Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet. Laut deutschem Umweltbundesamt reduziert Tempo 30 bis 50 die dauerhafte Lärmbelastung um bis zu 4 Dezibel. Auch die Maximalpegel gehen bei Tempo 30 zurück. Weniger Beschleunigung und ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss reduzieren den Lärm. Eine Schweizer Studie zeigte, dass der maximale Vorbeifahrpegel bei Tempo 30 statt 50 um sechs Dezibel zurückging, im Schnitt konnte eine Lärmminderung um vier Dezibel erreicht werden. „Tempo 30 statt 50 wird so wahrgenommen wie eine Halbierung der Verkehrsmenge“, verdeutlicht VCÖ-Expertin Lina Mosshammer. Da ab etwa 30 km/h die Rollgeräusche den Motorenlärm übertönen, wirkt Tempo 30 statt 50 auch bei Elektroautos lärmmindernd.

Auf die Gesundheit der Anrainerinnen und Anrainer ist stärker Rücksicht zu nehmen, vor allem auch in der StVO (Straßenverkehrsordnung), betont der VCÖ. Diese erschwert es den Gemeinden und Städten, Temporeduktion umzusetzen. Möchte eine Gemeinde auf Straßen im Ortsgebiet, die auf Tempo 50 ausgelegt werden, Tempo 30 zur Minderung des Verkehrslärms umsetzen muss sie mit Gutachten nachweisen, dass die Temporeduktion „erforderlich“ ist, um die Lärmreduktion zu erreichen. Gelingt das nicht, wird die Temporeduktion von der zuständigen Bezirksbehörde unter Berufung auf die StVO abgelehnt, auch dann, wenn der Gemeinderat per Beschluss die Temporeduktion möchte.

Weiteres Manko in der aktuellen Straßenverkehrsordnung: Kriterien in Bezug auf Klimaschutz, Klimawandelanpassung sowie Lebens- und Aufenthaltsqualität können aktuell nicht als Begründung für Tempo 30 geltend gemacht werden. Der VCÖ hat daher eine Initiative zur Änderung der Straßenverkehrsordnung gestartet, damit es Gemeinden und Städten erleichtert wird, Tempo 30 umzusetzen. Die VCÖ-Initiative wird vom Österreichischen Städtebund unterstützt sowie durch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder Verkehrsstadträtinnen und Verkehrsstadträte aus 110 Gemeinden und Städten.

Zu hohes Tempo des Kfz-Verkehrs ist zudem ein häufiger Grund, warum Strecken in Raddistanz nicht mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. „Durch Verkehrsberuhigung und Tempo 30 statt 50 wird es vor allem auch Familien erleichtert, mehr Alltagswege mit dem Rad statt mit dem Auto zu fahren. Der Gesundheitsnutzen ist damit ein doppelter: Die Kinder und Erwachsenen kommen dadurch auf gesunde Bewegung, für die Anrainerinnen und Anrainer wiederum sinkt durch den vermehrten Umstieg vom Auto auf das Fahrrad der Verkehrslärm“, stellt VCÖ-Expertin Mosshammer fest.

VCÖ: Lärm des Kfz-Verkehrs ist die größte Lärmquelle in Österreich (Hauptquelle für Lärm im Wohnbereich – Bevölkerung ab 16 Jahre)

Insgesamt ist in Österreich ein Drittel der Bevölkerung in ihrer Wohnung durch Lärm belastet. Das sind rund 2,5 Millionen Personen ab 16 Jahre. Als Hauptursache der Lärmbelastung werden angegeben:

Kfz-Verkehr: 980.000 Menschen
Nachbarwohnung: 570.000 Menschen
Baustellen: 370.000 Menschen
Flugverkehr: 120.000 Menschen
Freizeit / Tourismus: 74.000 Menschen
Andere Betriebe: 69.000 Menschen
Eisenbahnen: 69.000 Menschen
Lokale: 59.000 Menschen
Straßenbahnen: 25.000 Menschen
Sonstiges und weiß nicht: 125.000 Menschen

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2023

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Foto: Sarah Duit