VCÖ-Magazin 2021-02 Infrastrukturen für die Verkehrswende schaffen

Was heute gebaut wird, wird auch noch in einigen Jahrzehnten genutzt. Deshalb ist die Infrastrukturpolitik rasch an die Klimaziele anzupassen. Vorbilder, wie das gemacht werden kann, gibt es bereits viele.

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Eisenbahn-Paket, Radverkehr-Förderprogramme der Bundesländer und des Bundes – mit Förderungen klimaverträglicher Mobilitätslösungen holt Österreich derzeit jahrzehntelange Versäumnisse nach. Für einen Paradigmenwechsel, für die nötige Mobilitätswende, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, reicht das noch nicht. Dazu ist auch konsequentes Umnutzen und Neuverteilen vorhandener Straßeninfrastruktur und öffentlicher Räume sowie Rückbauen von nicht zukunftsfähiger Infrastruktur nötig. Es braucht mutige Ansätze, wie die Superblocks, die das Gehen und Radfahren unterstützen und die lokale Lebensqualität in den Fokus der Verkehrsplanung rücken. Das spanische Vitoria-Gasteiz beispielsweise erweiterte durch die Einrichtung von Superblocks die Fläche für Fußgängerinnen und Fußgänger von 45 auf 74 Prozent.

Vom Vorbild zum Standard

Auch aktive Parkraumbewirtschaftung schafft neuen urbanen Freiraum. Die Stadt Rotterdam wandelt insgesamt 3.000 Pkw-Abstellplätze im öffentlichen Raum der Innenstadt in Geh- und Radwege, Aufenthaltsflächen, Grünflächen und zur multifunktionalen Nutzung um. Unterstützend wurden die Gebühren von Abstellplätzen auf der Oberfläche doppelt so teuer wie jene für Tiefgaragen-Stellplätze. Die Stadt Groningen in den Niederlanden führte bereits im Jahr 1977 ihren „Verkehrsregulierungsplan“ ein. Alle Haushalte sind per Auto zu erreichen, aber die Durchfahrt durch das Stadtzentrum wurde für Kfz gesperrt und nur für aktive Mobilität ermöglicht. Das führte zu einem sehr hohen Radverkehrsanteil von 61 Prozent im Kernstadtbereich und 33 Prozent im gesamten Stadtgebiet. Das Zentrum von Pontevedra im spanischen Galizien ist seit dem Jahr 1999 autofrei. Gehende haben Vorrang. Für den Kfz-Verkehr wurden 15.000 Pkw-Abstellplätze am Stadtrand geschaffen. Kostenlose Stadtbusse fahren ins Zentrum. Die stark gestiegene Lebensqualität hat die Zahl der vormals stagnierenden Stadt von 70.000 Einwohnerinnen und Einwohnern um 12.000 anwachsen lassen. Die große Herausforderung der nächsten Jahre ist es, die vielen bereits bewährten Good-Practice-Beispiele zu Standardlösungen werden zu lassen.

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Grünflächen gegen Hitze brauchen Platz

Da die Klimakrise den Trend zu mehr Hitzetagen fortsetzen wird, arbeiten Städte und Forschungseinrichtungen an Maßnahmen zur Klimawandelanpassung. Insbesondere sollen mehr Grünflächen, Bäume und Fassadenbegrünung urbane Hitzeinseln und die Folgen von Starkregen reduzieren. Derzeit beansprucht der Kfz-Verkehr für Fahrbahnen und Stellplätze besonders im dicht verbauten Stadtraum viel von dem knappen Platz, der für Bepflanzungen, Entsiegelung der Böden oder Vernetzung von Grünräumen dringend gebraucht wird. Das zeigt, wie wichtig es für das urbane Mobilitätssystem ist, dass Verkehrsmittel nicht nur emissionsfrei sondern auch platzsparend sind, wie der Öffentliche Verkehr, Gehen, Radfahren und Sharing-Systeme.

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Die dritte Piste ist eine verpasste Chance

Unser Alltag basiert darauf, dass wir systematisch auf die Ausbeutung von billiger Natur und billiger Arbeitskraft angewiesen sind. Das erzeugt Handlungsfähigkeit und materiellen Wohlstand, aber gleichzeitig Zerstörung und Dominanzverhältnisse. Dieses Ausgreifende, auf die billigen Ressourcen und billige Arbeitskraft andernorts Zugreifende kann durch den Begriff „Imperiale Lebensweise“ benannt werden. In den früh industrialisierten Staaten leben wir schon lange in dieser Form. Neu ist, dass diese Lebensweise immer deutlicher an ökologische Grenzen stößt.
Das zweite Neue ist, dass sich diese Lebensweise über den Aufstieg von Schwellenländern, wie China oder Brasilien, ganz dynamisch auch im globalen Süden in der Bevölkerung ausbreitet. Diese Staaten werden nun zu Akteuren, die an dieser Aufteilung der Welt teilhaben wollen. Denn sie haben selbst wohlhabende Mittelschichten und große Unternehmen. das erzeugt zunehmend Spannungen, etwa um Landbesitz in Osteuropa oder in Afrika.

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Ulrich Brand