Digitalisierung verändert Mobilität, das steht fest

Eine verwirrende Vielfalt an konkurrierenden Apps, mangelhafte Kooperation und Vernetzung der agierenden Unternehmen, der Kampf um lukrative Datenhoheit und lückenhafte gesetzliche Regelungen lassen offen, ob digitale Neugestaltung die Mobilität klimaverträglicher macht.

Von Doris Neubauer

Folgendes Szenario: Sie möchten von A nach B. Statt einfach in Ihr Auto zu steigen, tippen Sie Ausgangspunkt und Ziel in eine App. Die spuckt die schnellste Transportlösung aus, verrät wie viel CO2 Sie verursachen und ob die Emission noch im Rahmen Ihres monatlichen Mobilitätsbudgets liegt. Eine solche App könnte in der urbanen Mobilität bald gang und gäbe sein. Zumindest wenn es nach Florian Lorenz, interdisziplinärer Stadtplaner im Bereich Dekarbonisierung, Mobilität, Kommunikation und Leiter der Denkfabrik „Smarter Than Car“ geht. Gemeinsam mit Designteams hat er für das Projekt „Futurama Redux“ das Bild städtischer Mobilität in einer Welt ohne fossile Brennstoffe gezeichnet.

Eine Zusammenarbeit der Unternehmen ist notwendig

So wie eine solche App ist vieles noch Zukunftsmusik. Digitalisierung beeinflusst schon heute das Unterwegssein. In der Verkehrsplanung kommen Drohnen, Roboter und Virtual Reality zum Einsatz. Menschen buchen ihr Taxi via Smartphone oder reservieren per App den Parkplatz. Und geht es nach der Automobil- und Logistikbranche, sollen bald automatisierte Fahrzeuge neue Zielgruppen wie Menschen mit Behinderungen automobil machen. „Die Digitalisierung steht aber noch ganz am Anfang“, bringt es Florian Lorenz auf den Boden der Tatsachen zurück, „gerade in Sachen Klimaverträglichkeit.“ Bester Beweis dafür scheint ausgerechnet einer der Hoffnungsträger des umweltverträglichen Verkehrs der Zukunft, die Sharing Economy zu sein. Ob Pkw, Wohnmobil, Yacht oder Privat-Helikopter – dank Digitalisierung sind zwar sämtliche Verkehrsmittel einfacher gemeinschaftlich nutzbar, verbreitet sind die Möglichkeiten jedoch noch wenig. Das besagt die Studie „Digitalisierung und Mobilität“, die im Jahr 2016 vom Institut SCM@ISM der International School of Management mit der „Frankfurter Messe“ durchgeführt wurde. Mehr als 40 Prozent der 500 befragten Privatpersonen haben keine Erfahrungen mit Sharing-Diensten. Nur rund 15 Prozent nutzen Gemeinschaftsangebote regelmäßig. Schuld sei die Unkenntnis über Services sowie mangelndes Angebot in der Region. „Paketdienstleister sind deshalb so gut, weil sie viele Zugangsstationen haben“, erklärt Leiter Michael Benz, „diese Kapazität fehlt der Sharing Economy.“ Die Mobilitätsangebote müssten deutlicher am Markt platziert und kommuniziert werden, so Benz: „Dafür wäre eine Zusammenarbeit der Unternehmen notwendig.“

Was passiert mit den Daten?

Auf Kooperation beruht auch eine weitere digitale Zukunftschance klimaverträglicher Mobilität: „All-in-one-Mobilitäts-Apps“, die verschiedene Mobilitätsdienstleistungen  vernetzt und den nahtlosen Übergang von einem Verkehrsmittel zum nächsten möglich machen. „In der Mobilität geht es nicht um das Gefühl, im Auto zu sitzen oder eine tolle Fahrt zu haben“, erklärt Michael Benz, „es geht um das pünktliche Erreichen eines Ortes und darum, die Zeit bestmöglich zu nutzen.“ Ein „Mobilitätskurator“ solle helfen, die Reisekette verlässlich zu planen. Hätten sie verlässliche Informationen, würden laut Studie mehr als 50 Prozent der Befragten auf Carsharing oder den Öffentlichen Verkehr umsteigen. „Wenn die Kundinnen und Kunden sehen, dass mit dem Rad 17 Minuten benötigt werden, mit dem Auto aber 25 Minuten – und das zu höheren Kosten – unterstützt das längerfristig Verhaltensänderungen“, hofft auch Florian Lorenz.

Informationen werden im digitalen Zeitalter auch bei Verkehrsdienstleistungen immer entscheidender: „Derjenige, der die Daten hat, kann die Kundinnen und Kunden besser verstehen und geeignetere Produkte sowie Services anbieten“, meint Benz. „Am Ende des Tages gilt: Who owns the data, owns the business.“ Genau hier werden die Gefahren der Digitalisierung im Allgemeinen und im Bereich der Mobilität im Besonderen offenkundig: Was passiert mit den Daten? Wer hat Zugriff darauf? Welche Konsequenzen entstehen, wenn Informationen veruntreut werden? Diese heiklen Fragen müssen auch auf internationaler Ebene dringend geregelt werden.

Der Ruf nach Gesetzgebung

Gesetzliche Rahmenbedingungen sind auch ausschlaggebend dafür, ob sich Digitalisierung als Motor oder Bremse von klimaverträglicher Mobilität entpuppt. „Digitale Angebote können auch eine erhöhte Nachfrage nach Autoverkehr erzeugen“, hat sich für Florian Lorenz etwa am Beispiel „Uber“ gezeigt. Da müsse der Gesetzgeber eingreifen. „Es geht darum, Anreize für den Umstieg, weg von der Nutzung des Autos im Privatbesitz, zu schaffen“, bekräftigt Michael Benz. „Auch die EU ist gefragt, denn sie kann den Grundstein für die Bewertung von Logistik- und Mobilitätsprozessen legen, die heutzutage leicht über Smartphones erfasst werden können. Allerdings fehlt hier ein ganzheitliches Konzept auf Basis von Digitalisierung.“ Ohne diese Rahmenbedingungen und Regelungen kann laut Fachleuten deren Potenzial für klimaverträgliche Mobilität nicht ausgeschöpft werden. Wie es eben ist, wenn ein Fuß Gas gibt, der andere aber bremst.

 

>>Zur Autorin:

Doris Neubauer – Journalistin, Bloggerin, -Reisende, www.dorisneubauer.com

Florian Lorenz, interdisziplinärer Stadtplaner und Leiter der Denkfabrik „Smarter Than Car“

„Die Digitalisierung steht gerade in Sachen Klimaverträglichkeit noch ganz am Anfang.“

Michael Benz, Institut SCM@ISM der International School of Management

„Wer die Daten hat, kann die Kundinnen und Kunden besser verstehen und geeignetere Produkte sowie Services anbieten – who owns the data, owns the business.“

Zurück zur Übersicht