Mobilitätsgarantie in Stadt und Land

Den Einstieg erleichtern: Smartphone-Apps erleichtern den Zugang zu öffentlich zugänglichen Mobilitätsangeboten.

Viele Wege führen zu einer echten Mobilitätsgarantie ohne auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein. Es braucht ein durchgehendes, integratives Angebot von der Stadt in die Region, aus der Region in die regionalen Zentren. Ein dichtes Angebot bis in die Nacht, auch am Wochenende.

Von Christian Höller

Im hessischen Landkreis Odenwald in Deutschland, einem ländlichen Raum mit 96.000 Einwohnenden und vielen kleinen Ortschaften, sichert die integrierte Mobilitätsplattform „garantiert mobil!“ Mobilität für alle, indem sie den Öffentlichen Verkehr mit privaten und gewerblichen Mitnahmefahrten vernetzt. Ist weder ein Linienbus noch eine Mitnahmefahrt zur gewünschten Zeit verfügbar, schließt das taxOMobil die Angebotslücke. „Das Rückgrat unseres Angebots sind die öffentlichen Buslinien, verstärkt durch die Mobilitätsgarantie von fünf bis 22 Uhr, auch wenn kein Bus fährt. Private und gewerbliche Mitnahmefahrten ergänzen, verdichten und verlängern zeitlich das Linienbusangebot. In letzter Konsequenz wird die Mobilitätsgarantie durch das taxOMobil sichergestellt“, erklärt Stefan Reichardt vom Geschäftsbereich Nahverkehr der Odenwald-Regional-GmbH. Das Informations- und Buchungssystem zur Nutzung der Mobilitätsangebote steht als Web-Anwendung, als App für Smartphones und auch, um Barrierefreiheit sicherzustellen, telefonisch über die Mobilitätszentrale zur Verfügung.
Beim Start im Jahr 2017 war die Vorgabe, dass nicht mehr Kosten entstehen dürfen als für den Öffentlichen Verkehr bisher, das On-Demand-Angebot musste daher gegenfinanziert sein. Die Fahrt kostet den Verbundtarif plus Entfernungszuschlag. Bis spätestens 60 Minuten vor gewünschter Abfahrt muss eine Bedarfsfahrt angemeldet werden. Frühzeitiges Anmelden kann den Preis um bis zu 30 Prozent reduzieren. Etwa wenn jemand die Fahrt zu einem Arzttermin in vier Tagen online stellt, sodass sich andere dazu buchen können. Derzeit wird „garantiert mobil!“ von 3.000 registrierten Personen genutzt, vor allem älteren Menschen.
Eine zentrale Rolle spielt die Mobilitäts-Zentrale Michelstadt. Diese wickelt die komplette Buchung des Anrufsammeltaxi-Verkehrs ab und ist Anlaufstelle zu Fragen zum „garantiert mobil!“-System. Hier sitzt auch die Mobilitätsberatung, die zu Veranstaltungen in Kommunen und bei Firmen, zu Senioren-Nachmittagen und Volksfesten kommt und das System erklärt.

Geteiltes Auto ist doppelte Mobilität

In Kufstein gibt es seit vier Jahren Beecar E-Carsharing. „Begonnen haben wir mit sieben Fahrzeugen. Heute sind es bereits 18, davon 13 in Kufstein, fünf in den vier Partnergemeinden“, erzählt Martin Tschurtschenthaler von den Stadtwerken Kufstein. „Bei 400 Nutzenden kommen damit rund 20 Personen auf ein Fahrzeug – damit haben wir ein gutes Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Besonders stolz sind wir, dass in Kufstein binnen fünf Minuten zu Fuß ein Carsharing-Standort erreichbar ist, wir sind somit die erste Stadt Österreichs in unserer Größe mit einem flächendeckenden Carsharing- Angebot. Der Mix bei den Nutzenden aus Privatpersonen sowie kleinen und größeren Unternehmen bewährt sich. Denn Firmen haben eher unter der Woche Bedarf, Privatpersonen stärker am Wochenende. Das sorgt für kontinuierliche Auslastung.“ Bereits um zehn Euro im Monat kann mitgemacht werden, abgerechnet werden die gefahrenen Kilometer und Stunden. Es gibt Varianten, die die Nutzung des Stadtverkehrs in Kufstein einschließen. Wer ein Klimaticket Tirol besitzt, kann dieses mit Carsharing upgraden und alle drei Carsharing-Angebote, die es in Tirol gibt – neben Beecar, Flugs E-Carsharing in Osttirol sowie Flo Mobil E-Carsharing in 22 Orten Tirols - mitnutzen. Als wichtig haben sich gut zugängliche, öffentliche Standorte erwiesen. Parkgaragen etwa bewähren sich nicht. Tschurtschenthaler ist überzeugt: „Wichtig ist, das Angebot sanft und stetig wachsen zu lassen. Und es bewährt sich, regional zu bleiben und es
selbst zu machen.“

Maßgeschneidert via App

Fairtiq ist ein schnell wachsendes Start-Up mit Check-in/Check-out- Lösungen basierend auf Geolokalisierung via App. „Dauerfahrkarten wie das Klimaticket schätzen jene, die den Öffentlichen Verkehr viel nutzen und sich mit dem Ticketkauf nicht mehr beschäftigen wollen.
Bei Fairtiq wird vor jeder Fahrt eingecheckt. Wir verstehen unsere App als Ergänzungsangebot für Gelegenheitsnutzende, mit dem wir digital viele Nutzungshürden des Öffentlichen Verkehrs wie Tarifkenntnis und Ticketkauf beseitigen“, so Markus Fedra von Fairtiq. „Unser System ermöglicht auch maßgeschneiderte Modelle für Kundenbindung und Rabattierung.“ So wurden in der Region Okzitanien in Frankreich angedachte Gratisfahrten für junge Erwachsende via Fairtiq-App so gestaltet, dass die ersten zehn Fahrten pro Monat zum halben Preis bezahlt werden, die nächsten zehn Fahrten sind kostenlos. Und mit den weiteren ebenfalls kostenlosen Fahrten 21 bis 30 wird ein Guthaben für den Folgemonat angesammelt.

Analoge Alternativen

Beim Werkzeughersteller Hilti in Liechtenstein wickeln die Mitarbeitenden über die Fairtiq-App Fahrten zwischen den Firmenstandorten ab, ohne übertragbare Tickets weitergeben zu müssen. Studierende der Universität für Bodenkultur in Wien konnten im Rahmen eines Pilotprojektes mittels persönlichem Promocode ihre Fahrten zum Unistandort in Tulln zurücklegen - die Universität zahlte 80 Prozent der Ticketkosten. Solche punktgenauen Lösungen ermöglichen Unternehmen des Öffentlichen Verkehrs das Erstellen neuer Angebote und das Erschließen neuer Finanzierungsquellen etwa durch Unternehmen, die sich im Gegenzug vielleicht Firmenparkplätze ersparen. Auch der Verkehrsverbund Vorarlberg bietet seine Angebote via Fairtiq-App an. So etwa auch zwei jährliche Aktionswochen, wo automatisch für den Preis einer Tageskarte eine ganze Woche gefahren werden kann „Grundsätzlich gibt es aber in allen Regionen, wo die Fairtiq-App verfügbar ist, immer auch weiterhin analoge Vertriebskanäle, um diese technische Barrierefreiheit zu erhalten“, beruhigt Fedra digitalisierungsskeptische Menschen.

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