Saskia Sassen im Interview
Urban Land Grabbing auch in Europa
Saskia Sassen direkt gefragt
VCÖ-Magazin: Sie arbeiten viel zur Bedeutung von Städten. Und Sie stellen da eine erschreckende Entwicklung fest, die Städte entscheidend verändert.
Saskia Sassen: Ich beschäftige mich vor allem mit den 100 größten Städten der Welt. Und hier erleben wir derzeit ein „urban land grabbing“ großen Stils. Denn nicht nur in den Staaten des globalen Südens wird Land in großem Stil aufgekauft, sondern auch in den großen Städten. Hier legen die Superreichen Geld an, weil andere Optionen dafür vorbei sind. London und New York sind die dramatischsten Fälle. In Paris kaufen Kasachstan und China Immobilien. In Amsterdam kaufen chinesische Firmen die alten Grachtenhäuser in großem Stil auf. Singapur hat große Teile des ziemlich runtergewirtschafteten Detroit gekauft. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, weil sie die Städte aushöhlt und die Menschen aus der Stadt vertreibt, nicht nur arme Leute. In London ist es ein großes Thema, dass auch der Mittelstand, der durchschnittliche Universitätsprofessor, Buchhalter, Rechtsanwalt, aus der Stadt zieht, weil er sich London nicht mehr leisten kann.
VCÖ-Magazin: In früheren Büchern habe Sie auch viel über die positive, demokratietragende Kraft der Städte geschrieben.
Saskia Sassen: Wir müssen die Städte als funktionierende Räume wiedergewinnen. Mobilität ist dabei entscheidend. Wenn den Menschen ermöglicht wird, zu Fuß zu gehen, auch Kinder zur Schule gehen können, sind das Mikro-Eingriffe, die viel Unterschied ausmachen können. Mich beschäftigen die Wohngegenden, wo Menschen mit niedrigem Einkommen leben, die keine Stimme haben, aber sehr lebendig sind. Da gibt es Wissen, das aktiviert werden sollte. Eine wirkliche „Smart City“ ist eine, die die Technologie verwendet, um Partizipation und Wissen, Projekte, Ideen all der verschiedenen Teile, die eine Stadt ausmachen, zu aktivieren. Und um den ärmeren Schichten Zugang zur Technologie zu ermöglichen.