Schlanke Lösungen statt dicker Luft
Die Städte machen mobil. Sie verbannen Stinker aus stark belasteten Straßen und stellen die echten Autoabgaswerte online. Gleichzeitig setzen sie Umdenkprozesse in Gang, machen die Wege fürs Gehen und Radfahren schneller und kürzer und sprechen, wenn nötig, in Echtzeit Mut zu.
>> Von Ursula Jungmeier-Scholz
Gut beraten mobil
Am empfänglichsten für Informationen über Mobilitätsalternativen sind Menschen, wenn sich ihre Alltagswege ändern, etwa wenn sie übersiedeln, den Job wechseln oder ihr Kind in die Schule kommt. Daher setzen Städte, etwa München, Bremen, Stuttgart und Tübingen, auf Informations-pakete für neu zugezogene Personen, gekoppelt mit individueller Mobilitätsberatung. In einigen Regionen, wie Saarbrücken oder im Großraum Hannover, erhalten die Zugezogenen auch einen Gutschein für ein Schnupperticket für den Öffentlichen Verkehr.
Effizient ist diese Beratung dann, wenn sie alle möglichen Verkehrsmittel optimal vernetzt. Dazu braucht es entsprechend qualifizierte Mobilitätscoaches, wie das deutsche Projekt ProMobiE (Professionelle Mobilitätsberatung für multimodale Verkehrsangebote im Kontext Elektromobilität) aufgezeigt hat. „Die Verkehrsdienstleistungsunternehmen sind hier gefragt, eine kundenfreundliche Beratungsleistung anzubieten, damit bei der Vielzahl der Kombinationen nicht die Übersicht verloren geht“, erklärt René Stich vom Projektträger Karlsruhe.
Städte stellen Autoabgaswerte online
Auf Information anderer Art setzen etwa die Bürgermeisterin von Paris und der Bürgermeister von London: Unter der derzeitigen C40-Cities-Führung der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wurde verkündet, Emissionswerte aller Automodelle unter realen städtischen Bedingungen – also keine geschönten Laborwerte –auf einer Website zu veröffentlichen. London und Paris wollen noch heuer Daten online stellen, Moskau, Seoul und andere folgen. Insgesamt repräsentierten die C40-Städte ein Viertel der Weltbevölkerung und damit eine nicht unerhebliche Wirtschaftsmacht. „Diese Ankündigung ist ein Weckruf an alle Unternehmen, die Autos herstellen, dass sie jetzt handeln müssen“, erklärte daher auch Hidalgo.
Geleitschutz am Telefon
Letztlich sollte das – eigene – -Auto in der städtischen Mobilität aber nur die letztmögliche Variante darstellen. Zahlreiche kurze Wege lassen sich auch zu Fuß bewältigen, kleinere Lasten können mittels Einkaufstrolley transportiert werden. Ausreichend breite Gehwege, Abkürzungen, Druckknopf-Ampeln, die Gehende bevorzugen, machen das Gehen attraktiv. Schwieriger wird es nachts, wenn sich manche Menschen fürchten, zu Fuß unterwegs zu sein. Daher wurde in Graz ein österreichweit einzigartiges Projekt gestartet: das Heimwegtelefon. Wer dort freitags und samstags zwischen 22 und 3 Uhr anruft, kann sich am Telefon „heimbegleiten“ lassen. Das heißt, ein Mitarbeiter der Ordnungswache telefoniert mit den Anrufenden, bis sie daheim sind. „Das längste Gespräch dauerte 41 Minuten; viele Nutzerinnen – meist sind es junge Frauen – gehen auch nur kurz vom Nachtbus heim“, erklärt Wolfgang Hübel, Leiter des Sicherheitsmanagements der Stadt Graz.
Zügiges Radfahren ermöglichen
Sind die Wege länger oder die Lasten schwerer, bietet sich der Umstieg auf das Fahrrad an. Reichen die eigenen Fahrradkörbe und Packtaschen nicht, kann mittlerweile in vielen Städten – etwa in Graz, Innsbruck, Wr. Neustadt und Wien – ein Lastenrad ausgeliehen werden. Auch der Kinder-anhänger lässt sich zum Transporter für Blumenerde, Geburtstagstorten oder Kleinmöbel umfunktionieren.
Aus dem Speckgürtel in die -City geht es oft mit dem Fahrrad am schnellsten. Vor allem auf Radschnellwegen, wie sie etwa in Kopenhagen, London oder in den Niederlanden bereits verstärkt gebaut werden. Sie sind so breit, dass die Schnellen – etwa E-Fahrräder – die Langsamen überholen können, und vermeiden Wartezeiten an Kreuzungen. Österreich steht hier noch am Beginn. Je nach lokalen Möglichkeiten variieren die Begriffe. So spricht das Land Oberösterreich von Radhauptrouten, der Baubeginn der Radhauptroute St. Georgen–Steyregg–Linz ist für heuer angekündigt. Ein anderes Beispiel ist die Radschnell-Variante zwischen Hard und Bregenz, von Ortsmitte zu Ortsmitte fünf Kilometer lang, also in weniger als einer halben Stunde zu schaffen. „Einen echten Radschnellweg, ausschließlich für den Radverkehr, konnten wir aus Platzgründen nicht errichten“, erklärt Peter Moosbrugger, Vorarlberger Radverkehrs-beauftragter. „Aber unsere „Radschnellverbindung“ setzt auf möglichst konfliktfreie Koexistenz der am Verkehr Teilnehmenden.“ Gefahren wird auch in Tempo-30-Zonen, wobei der Weg überall mindestens vier Meter breit ist. Priorität hat die „persönliche Fahrzeitgarantie“, so Moosbrugger, also ohne Halt durchfahren zu können. Dazu wurde auf den fünf Kreuzungen der Fahrradverkehr bevorrangt. Der Erfolg gibt dem Modell recht: Bis zu 3.500 Menschen befahren die Strecke an einem Tag.
>>Zur Autorin:
Ursula Jungmeier-Scholz ist freie Journalistin in Graz.
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„Das längste Gespräch an unserem Heimwegtelefon dauerte 41 Minuten. Viele Nutzerinnen – meist sind es junge Frauen – gehen auch nur kurz vom Nachtbus heim.“
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„Auf den fünf Kreuzungen wurde der Fahrradverkehr bevorrangt und kann ohne Halt durchfahren. Der Erfolg gibt dem Modell Recht: Bis zu 3.500 Menschen befahren die Strecke an einem Tag.“