Weitreichende Folgen – hier kommen Fahrräder in Fahrt
Was in Dänemark und den Niederlanden seit Jahren Erfolge verbucht, hat als Trend ganz Europa erfasst: Qualitativ hochwertige „Rad-Highways“ machen das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel über größere Distanzen attraktiver – auch in Österreich
>> von Doris Neubauer
45 Minuten braucht ein Radfahrender für die 15 Kilometer lange Strecke vom Vorort Albertslund bis ins Zentrum Kopenhagens. Das entspricht einem Schnitt von 20 km/h. Wofür anderorts schweißtreibendes In-die-Pedale-Treten nötig ist, das klappt auf dem „Cykelsuperstier C99“ seit dem Jahr 2012 dank Grüner-Ampel-Welle und durchgehender Streckenführung kinderleicht. 28 solcher Radschnellrouten sollen bis zum Jahr 2018 bisher noch ungenützte Fahrradpotenzia-le erschließen: Während 35 Prozent aller Menschen in Kopenhagen ins Büro oder auf die Uni radeln, sind es bei Entfernungen von mehr als fünf Kilometern „nur“ 20 Prozent. Mit den hochwertigen Cykelsuperstiers sollen künftig auch Pendlerinnen und Pendler sowie die wachsende Anzahl der E-Bike-Fahrenden auch über größere Distanzen zügig von A nach B gelangen. Neu erfunden wird das Rad dabei nicht: Schon in den 1980er-Jahren wurden im niederländischen Tilburg und Den Haag durchgängige Fahrradschnellrouten erprobt, um Staus zu reduzieren. Mittlerweile haben sich „Fietssnel-wege“ in ganz Holland etabliert und das Netz soll bis zum Jahr 2025 auf 675 Kilometer ausgebaut werden. Neben weniger Staus hat das auch positive Auswirkungen auf Gesundheit, Klima und Luftqualität: Zehn Kilometer mit dem Fahrrad statt dem Auto reduzieren den CO2-Ausstoß um 1,6 Kilogramm und sparen rund acht Euro an Gesundheitskosten ein, haben dänische Studien ergeben.
Europaweite Beispielwirkung
Inzwischen folgen weitere Staaten dem Beispiel. Norwegen etwa möchte die zehn größten Städte des Landes mit Fahrradschnellwegen ausstatten. Nicht weniger ehrgeizig ist das Projekt des deutschen Radschnellwegs Ruhr (RS1), der über rund 100 Kilometer Duisburg mit Hamm verbinden wird. Auch in Österreich sind Radlangstrecken ein Thema. Stecken einige Bundesländer noch in der Analysephase, sind die Pläne in Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg sowie Wien bereits konkreter. National wie international werden Qualitätsstandards wie in den Niederlanden angestrebt: Mindestens vier Meter breit bei einem Zwei-Richtungs-Radweg und zwei Meter bei einem Ein-Richtungs-Radweg sollten sie sein, um nebeneinander radeln und überholen zu können. Darüber hinaus gut markiert und beleuchtet, asphaltiert und bei jeder Witterung sicher befahrbar. Gewünscht ist die Trennung von anderen Verkehrsarten, zumindest aber eine Bevorrangung an Knotenpunkten und Lichtsignalanlagen. Die Anforderungen haben ihre Tücken: „Die baulich getrennten vier Meter Mindestbreite sind nur im Stadtrand- und Umlandbereichen wirklich schaffbar. In der Kernstadt und in urba-nem, dicht bebautem Gebiet wird es schwierig. Hier war für uns das erste Kriterium, einen spürbar höheren Komfort im Vergleich zu herkömmlichen Radwegen herzustellen“, berichtet Michael Szeiler vom Planungbüro „Rosinak & Partner ZT GmbH“, das im Jahr 2014 Grundlagenpläne zu den drei Korridoren Nord, West, Süd für „Radlangstrecken“ zwischen dem Stadtzentrum Wiens und dem Umland konzipiert hat. Erlebbar soll dieser Komfort in Wien ab dem Jahr 2018 sein, wenn die Route Süd vom Karlsplatz über den Hauptbahnhof und Favoritenstraße bis zum Anschluss Leopoldsdorf zu 75 Prozent den hohen Qualitätskriterien entsprechen soll. In Oberösterreich sind neun sogenannte Radhauptrouten geplant. „Wir möchten die erste Hauptroute 2017/18 in Betrieb nehmen. Wir streben für die Errichtung eine 40:60-Co-Finanzierung zwischen Gemeinde und dem Land Oberösterreich an“, so Günther Steinkellner, Verkehrslandesrat Oberösterreich. In Salzburg wird laut Verkehrslandesrat Hans Mayr gemeinsam mit Freilassing, Deutschland, an einer grenz-überschreitenden „Premium-Radroute“ gearbeitet: „Vor allem die dafür notwendige Querung über die Saalach ist dabei herausfordernd.“
Das Gesamtangebot macht es aus
„Sie sind wichtig, aber ich brauche auf der gesamten Strecke ab der Haustür durchgehend gute Bedingungen“, relativiert Peter Moosbrugger vom Amt der Vorarlberger Landesregierung den Trend. Vorarlberg hat im Jahr 2013 die erste Fahrradstraße zwischen Hard und Bregenz umgesetzt und ist bei Radschnellwegen Vorreiter. In Vorarl-berg konnte durch Radlangstrecken der Alltagsradverkehr bis zu einem Drittel gesteigert werden. „Wir brauchen für das Rad genauso Wahlmöglichkeiten wie für das Auto“. Radfahrende ausschließlich auf Radlangstrecken zu ziehen, aber Straßen im Ortsgebiet weiterhin auf Autofahrende auszurichten, hielte er für kontra-produktiv. Moosbrugger plädiert daher zusätzlich für attraktive Mischverkehrsverhältnisse wie Tempo-30-Zonen in den Gemeinden. Günstiger sind letztere allemal. Die Rad-Highways haben ihren Preis: So werden die Kosten des deutschen RS1 auf rund 184 Millio-nen Euro geschätzt. Doch werden damit auch Kosten gespart, so würden dadurch die allgemeinen Krankheitskosten um elf Millionen Euro im Jahr reduziert – vom Rückgang an Unfällen, Verletzten und Verkehrs-toten ganz zu schweigen. Nicht nur wegen dieser „Nebenwirkungen“ sind 1,84 Millionen Euro pro Kilometer gut investiert. Auch im Vergleich etwa zum Autobahnbau. Da kostet der Kilometer nämlich durchschnittlich 14 Millionen Euro.
Peter Moosbrugger, Radverkehrsbeauftragter Land Vorarlberg:
„Radschnellrouten wirken sehr anziehend, wenn sie auch bei höherer Geschwindigkeit freie Sicht bieten, konfliktarm sind und ich als Radfahrer das Gefühl habe, ich komme von A nach B ohne beengte Platzverhältnisse. Keine Ampelserie, kein Stop-und-Go. Dann bringt es mir einen Mehrwert gegenüber dem Auto. Dann fahre ich Fahrrad.“