VCÖ: Fast zwei Drittel der Verkehrsunfälle passieren im Ortsgebiet – mit mehr Tempo 30 Verkehrssicherheit in Gemeinden und Städten erhöhen

VCÖ: Tempo 30 statt 50 halbiert Anhalteweg, bringt weniger Unfälle, rettet Menschenleben

VCÖ (Wien, 17. April 2024) – In den ersten drei Quartalen des Vorjahres ereigneten sich 64 Prozent der Verkehrsunfälle mit Personenschaden im Ortsgebiet, macht der VCÖ aufmerksam. Der Nationalrat behandelt heute die StVO-Novelle, die es den Gemeinden und Städten erleichtern wird, Tempo 30 umzusetzen. Die Mobilitätsorganisation VCÖ sieht darin einen wichtigen Schritt zu mehr Verkehrssicherheit, insbesondere für die Schwächsten im Verkehr. Mehr als 90 Prozent der Fußgängerunfälle ereignen sich im Ortsgebiet. Tempo 30 statt 50 halbiert den Anhalteweg, reduziert die Zahl der Unfälle, rettet Menschenleben.


Im Schnitt passieren in Österreichs Ortsgebieten 65 Verkehrsunfälle pro Tag, das sind fast zwei Drittel aller Verkehrsunfälle mit Personenschaden, macht der VCÖ aufmerksam. Allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres kam es im Ortsgebiet zu 17.773 Verkehrsunfällen bei denen 20.933 Menschen verletzt und 76 getötet wurden. Die Daten für das gesamte Jahr wurden von der Statistik Austria noch nicht veröffentlicht.

Am höchsten ist der Anteil der im Ortsgebiet Verletzten bei den Fußgängerinnen und Fußgängern, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse der Unfalldaten für das Gesamtjahr 2022 zeigt. 94 Prozent der im Straßenverkehr verunglückten Fußgängerinnen und Fußgänger werden im Ortsgebiet verletzt. Beim Fahrrad (inklusive E-Scooter) beträgt der Anteil der im Ortsgebiet Verletzten 80 Prozent, beim Moped 72 Prozent und beim Motorrad 53 Prozent. Anders beim Pkw: Es ereigneten sich zwar 63 Prozent der Verkehrsunfälle mit Pkw-Beteiligung im Ortsgebiet, aber nur 46 Prozent der im Straßenverkehr verunglückten Pkw-Insassen wurden im Ortsgebiet verletzt.

109 Menschen kamen im Jahr 2022 bei Verkehrsunfällen im Ortsgebiet ums Leben. Mit 34 Todesopfern waren Fußgängerinnen und Fußgänger die größte Opfergruppe. Das verdeutlicht, wie wichtig Maßnahmen sind, die die Verkehrssicherheit beim zu Fuß gehen erhöhen, betont der VCÖ. Besonders gefährdet sind Seniorinnen und Senioren sowie Kinder: 20 der 34 Todesopfer waren älter als 64 Jahre, vier Todesopfer waren Kinder.

Der VCÖ begrüßt daher, die heute im Nationalrat behandelte StVO-Novelle, die es Gemeinden und Städten erleichtern wird, Tempo 30 umzusetzen, insbesondere dort, wo vermehrt Kinder oder ältere Menschen unterwegs sind, wie beispielsweise bei Schulen, Kindergärten, Seniorenheime, Krankenhäuser oder Freizeiteinrichtungen. „20 Kilometer pro Stunde klingen nach wenig, machen aber in der Verkehrssicherheit einen großen Unterschied. Tempo 30 statt 50 halbiert den Anhalteweg, reduziert die Zahl der Unfälle, rettet Menschenleben“, stellt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky fest.

Zuletzt zeigte eine Evaluierung für die französische Stadt Lille, dass in den zwei Jahren nach Einführung von großflächigem Tempo 30 im Jahr 2022, die Zahl der Verkehrsunfälle um ein Drittel abnahm, die Zahl der Unfälle mit Schwerverletzten und Todesopfern sogar um 39 Prozent.

Darüber hinaus sind Straßen, wo 50 Kilometer pro Stunde gefahren werden darf, für die Anrainerinnen und Anrainer lauter. „Straßen im Ortsgebiet sind nicht nur ein Verkehrsweg für den Kfz-Verkehr, entlang der Straßen wohnen auch viele Menschen. Und es sind hier auch viele zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner ist entsprechend Rücksicht zu nehmen“, betont VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky.

Auch Eltern nehmen Straßen, wo 50 km/h gefahren werden darf, als gefährlicher wahr, wodurch Kinder häufiger im Elterntaxi chauffiert werden und seltener selbständig zu Fuß oder mit dem Fahrrad mobil sind. Auch das Überqueren dieser Straßen ist schwieriger, vor allem für ältere Menschen, die Barrierewirkung der Straße ist stärker.

„Mehr Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet erhöht die Verkehrssicherheit, erleichtert es der Bevölkerung Alltagswege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, verringert Verkehrslärm und Abgasbelastung und erhöht die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Erfahrungen zeigen zudem, dass Verkehrsberuhigung und Tempo 30 Nahversorgung und Einzelhandel stärken“, fasst VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky zusammen.

Damit das Tempolimit eingehalten wird, sind auch Kontrollen wichtig. Bisher konnten nur Gemeinden und Städte mit eigenem Wachkörper Tempokontrollen durchführen. Der VCÖ begrüßt es, dass die StVO-Novelle vorsieht, dass künftig Gemeinden und Städte beim jeweiligen Bundesland eine Erlaubnis für punktuelle Geschwindigkeitskontrollen beantragen können.

Der VCÖ hat im Vorjahr eine Initiative für eine leichtere Umsetzung von Tempo 30 im Ortsgebiet gestartet, die parteiübergreifend von mehr als 280 Gemeinden und Städten und dem Österreichischen Städtebund unterstützt wurde. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erklärten, warum es wichtig ist, dass Gemeinden und Städte leichter Tempo 30 umsetzen können:

„Im Abschnitt der Volksschule kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, da dort Tempo 50 erlaubt ist. Bisher sind wir mit der Forderung nach Tempo 30 beim Land abgeblitzt.“ Bürgermeisterin Bärbel Stockinger (Bad Erlach, Niederösterreich)

„Wir wollen seit Jahren, dass es auf der B70 rund um Kindergarten, Musikschule und Volksschule ein 30er-Limit gibt. Bisher vergebens.“ Bürgermeister Stefan Helmreich (Lieboch, Steiermark)

„Wir kämpfen für weniger Tempo auf den gefährlichen Landesstraßen, denn auch hier wohnen und leben Menschen, fahren Rad, gehen zur Schule. Tempo 30 bedeutet weniger krankmachenden Lärm, weniger schwere Unfälle, mehr Sicherheit, besseren Schutz für unsere Kinder.“ Bürgermeister Kurt Fischer (Lustenau, Vorarlberg)

„Im Stadtkern von St. Andrä befinden sich zwei Volksschulen und zwei Pflegeheime. Im Hinblick auf die Priorität der allgemeinen Verkehrssicherheit, ist es uns ein großes Anliegen durch Tempo 30 wesentlich zur Sicherheit von Groß und Klein beizutragen“, Bürgermeisterin Maria Knauder (St. Andrä, Kärnten)

„Tempo 30 im Stadtgebiet bringt mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Wir können damit aber noch mehr positive Auswirkungen für die Menschen erreichen, denn Studien zeigen, dass der Lärmpegel deutlich gesenkt wird und ein verbesserter Verkehrsfluss gegeben ist.“ Bürgermeister Georg Rosner, (Oberwart, Burgenland)

„Durch die Reduzierung der Geschwindigkeit wird das Risiko von Verkehrsunfällen und deren Folgen deutlich verringert. Zudem trägt Tempo 30 auch zu einer besseren Lebensqualität in den Wohngebieten bei, da Lärm- und Abgasemissionen reduziert werden.“ Bürgermeister Franz Aigner (Kirchberg am Wagram, Niederösterreich)

„Wir müssen auch für Fußgänger und Fußgängerinnen und Radfahrer und Radfahrerinnen planen. Viele Menschen im Ort betonen mir gegenüber, wie wichtig die Temporeduzierung ist. Neben der Sicherheit steigert ein niedrigeres Tempo auch die Lebensqualität und reduziert die Lärmbelastung.“ Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (St. Valentin, Niederösterreich)

„Unsere Gemeinde wird von Landesstraßen durchschnitten. Bislang sind unsere Bemühungen zur Geschwindigkeitsreduktion leider an den gesetzlichen Vorgaben gescheitert“, Max Oberleitner, der Bürgermeister von Schwertberg (Oberösterreich).

„Eine Landesstraße führt direkt durch unser Dorfzentrum. Durch die hohe Verkehrsgeschwindigkeit leidet die Aufenthaltsqualität und die öffentliche Nutzung als Treffpunkt. Bei Landesstraßen hat aber die Gemeinde keinen Handlungsspielraum“, Bürgermeister Florian Küng (Vandans, Vorarlberg).

„Tempo 30 kann insbesondere in den Gemeinden mit überregionalen Verkehrswegen einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten. Darüber hinaus wirken sich Maßnahmen zur Reduktion der Verkehrsgeschwindigkeit nachhaltig positiv auf die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger aus.“ Bürgermeister Rudi Hemetsberger (Gemeinde Attersee, Oberösterreich)

„Es soll im Ortsgebiet nicht um paar Sekunden Fahrzeit, sondern um mehr Sicherheit, weniger Lärm und mehr Lebensqualität der unmittelbar Betroffenen gehen.“ Infrastrukturstadtrat Rainer Widmann (Stadtgemeinde Freistadt, Oberösterreich)

VCÖ: Fast zwei Drittel der Verkehrsunfälle passieren im Ortsgebiet
(Anzahl in Österreich 1. bis 3. Quartal 2023 (in Klammer 1. Bis 3. Quartal 2022)

Verkehrsunfälle mit Personenschaden im Ortsgebiet: 17.773 (17.489)
Verletzte: 20.933 (20.564)
Verkehrstote: 76 (81)

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2024

VCÖ: Bei Fußgängerunfällen Anteil der Unfälle im Ortsgebiet besonders hoch
(Anteil der Unfälle im Ortsgebiet im Gesamtjahr 2022 je Verkehrsmittel, in Klammer Anteil der Verletzten)

Fußgängerinnen und Fußgänger: 93 Prozent der Unfälle im Ortsgebiet (94 Prozent der Verletzten im Ortsgebiet)
Fahrrad (inklusive E-Scooter): 81Prozent (80 Prozent)
Moped: 72 Prozent (72 Prozent)
Motorrad: 54 Prozent (53 Prozent)
Pkw: 63 Prozent (46 Prozent)

Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2024

Zurück zur Übersicht

VCÖ zu Unfallstatistik 2023: Verkehrssicherheitsziel massiv verfehlt

VCÖ (Wien, 26. April 2024) - Österreich hat im Vorjahr sein Verkehrssicherheitsziel massiv verfehlt. Statt zu sinken ist die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2023 um 32 von 370 auf 402 gestiegen. Die Hauptunfallursachen für die tödlichen Verkehrsunfälle waren laut Statistik Austria nichtangepasste Geschwindigkeit sowie Unachtsamkeit und Ablenkung. Besonders stark ist die Zahl der tödlichen Unfälle auf Freilandstraßen sowie auf Autobahnen und Schnellstraßen gestiegen, macht der VCÖ aufmerksam.

Mehr dazu
Foto: Sarah Duit

VCÖ: Zahl der Fahrraddiebstähle im Vorjahr erstmals seit neun Jahren gestiegen

VCÖ (Wien, 4. April 2024) – Die Zahl der Fahrraddiebstähle ist in Österreich im Vorjahr zum ersten Mal seit dem Jahr 2014 wieder gestiegen und zwar um zehn Prozent auf 18.566, informiert die Mobilitätsorganisation VCÖ. Nur in Wien wurden im Vorjahr weniger Fahrräder gestohlen als im Jahr davor. 60 Prozent der Fahrraddiebstähle passierten in den Landeshauptstädten, im Verhältnis zur Bevölkerungszahl waren es bei den Landeshauptstädten in Linz die meisten. Der VCÖ fordert mehr sichere Fahrrad-Abstellplätze bei Freizeiteinrichtungen, Einkaufsstraßen und Bahnhöfen. Wichtig ist, das abgestellte Fahrrad immer abzusperren und ein gutes Fahrradschloss zu verwenden.

Mehr dazu
Foto: Sarah Duit