VCÖ-Factsheet: Massiver Ausbau des Öffentlichen Verkehrs nötig
Die Erreichung der Klimaziele im Verkehr macht einen größeren Anteil des Öffentlichen Verkehrs an der Mobilität notwendig. Für einen Zuwachs an Fahrgästen braucht es mehr Angebot und hohe Qualität sowie weitere Investitionen insbesondere in den Ballungsräumen.
Gemäß den Klimazielen Österreichs soll der Verkehr im Jahr 2030 ein Drittel weniger CO2 verursachen als heute. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, dass in den Städten und Regionen wesentlichmehr Kilometer statt mit dem Auto mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren werden. Die Kapazitäten im Öffentlichen Verkehr sind auch für die zunehmende Nachfrage in den Ballungsräumen auszubauen. Viele der Stadtregionen in Österreich rechnen bis zum Jahr 2030 mit einem Bevölkerungswachstum von rund 20 Prozent. Damit der Öffentliche Verkehr einen größeren Anteil der Mobilität übernehmen kann, braucht es gesicherte Finanzierungen.
Über den VCÖ
Der VCÖ ist eine auf Mobilität und Transport spezialisierte, gemeinwohlorientierte Organisation. Ziel des VCÖ ist ein ökologisch verträgliches, ökonomisch effizientes und sozial gerechtes Verkehrssystem.
VCÖ unterstützen
Der VCÖ setzt sich als gemeinnützige Organisation für eine ökologisch verträgliche und sozial gerechte Mobilität mit Zukunft ein. Der intensive Einsatz des VCÖ ist nur Dank der Unterstützung durch Spenden von Privatpersonen möglich.
Mehr Bahn und Bus für Städte und Regionen
Für die Verbesserung des Angebots und den dazu notwendigen Ausbau der Bahninfrastruktur sind in Österreich verstärkte Investitionen notwendig. Die wachsenden Stadtregionen brauchen leistungsfähigen Öffentlichen Verkehr, um die Ein- und Auspendelströme vom Auto weg zu verlagern. In den Regionen haben häufigere Verbindungen und längere Betriebszeiten sowie eine bessere Erreichbarkeit der Bahnhöfe oberste Priorität. Mikro-ÖV zur Ergänzung des Linienverkehr sind dauerhaft darin zu integrieren. Durch Siedlungspolitik sind lange Wege möglichst zu vermeiden.
Im Jahr 2016 wurden in Österreich 80,5 Milliarden Personenkilometer mit dem Pkw gefahren, bei einem Besetzungsgrad von lediglich 115 Personen pro 100 Pkw. In der Gesamtbilanz, von Fahrzeugherstellung, Betrieb und Recycling, verursacht ein Pkw mit Verbrennungsmotor im Schnitt pro Personenkilometer 15-mal so viel CO2 als die Bahn in Österreich. Würden alle derzeitigen Fahrten im Öffentlichen Verkehr in Österreich stattdessen mit dem Pkw zurückgelegt werden, bedeutete dies zusätzlich rund drei Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr.
Pkw-Kilometer sind deutlich zu reduzieren
Die mit dem Auto gefahrenen Kilometer sind deutlich zu reduzieren, damit die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs wie von der Bundesregierung beschlossen bis zum Jahr 2030 um ein Drittel reduziert werden können. Darüber hinaus sind Autofahrten auch deshalb zu verringern, weil sonst die Verkehrsprobleme in den wachsenden Ballungsräumen massiv zunehmen. Steigt der die Stadtgrenzen überschreitende Verkehr analog zur Bevölkerungsdynamik so ist für Wien und das Umland bis zum Jahr 2030 mit einem Zuwachs von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2010 zu rechnen.
In Österreich gute Voraussetzungen für mehr Öffentlichen Verkehr
Pro Person und Jahr werden in Österreich rund 2.250 Kilometer mit Bahn, U-Bahn oder Straßenbahn zurückgelegt, mehr als doppelt so viele als im EU-Durchschnitt. Mit allen städtischen öffentlichen Verkehrsmitteln wurden im Jahr 2017 mehr als 1,35 Milliarden Fahrten getätigt. Die mit der Bahn in Österreich zurückgelegten Personenkilometer sind zwischen den Jahren 2010 und 2017 um 23 Prozent auf 12,7 Milliarden Personenkilometer gestiegen. Setzt sich diese Steigerungsrate fort, ist die Kapazität soweit auszubauen, dass im Jahr 2030 rund 48 Prozent mehr Personenkilometer mit der Bahn gefahren werden können als heute.
Zielnetz 2040: Bahninfrastruktur verstärkt ausbauen
Im Ausbau der Bahninfrastruktur Österreichs wird derzeit am „Zielnetz 2025+“ gearbeitet. Es soll unter anderem die Basis für einen österreichweiten Taktfahrplan im Personenverkehr schaffen und die Hauptverkehrsachsen der Schiene stärken. Damit darüber hinaus Maßnahmen für die notwendige Verkehrsverlagerung von der Straße und der Luft definiert werden können, ist rasch mit der Planung für die Jahre nach 2025 zu beginnen, etwa für ein „Zielnetz 2040“. Kernelemente eines solchen Zielnetzes könnten beispielsweise der Ausbau und die Beschleunigung des Nadelöhrs zwischen Bruck an der Mur und Graz, die Durchbindung der Mühlkreisbahn zum Linzer Hauptbahnhof, die infrastrukturelle Verstärkung der Strecken Wels – Linz und Mödling – Meidling oder der Ausbau von Regionalbahnen sein. Zusätzlich sind in den Städten und Stadtregionen das S-Bahn-Angebot und Straßenbahn-Linien auszubauen.
Stadt und Region besser verbinden
Neben einem dichten Angebot an S-Bahn-Linien sind Regionalstadtbahnen oder Regio-Trams eine Option für attraktive, umsteigefreie Verbindungen direkt in die Stadtzentren. In Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum braucht es den Bau neuer siedlungsnaher Haltestellen ebenso wie neue Bahnverbindungen. Während die durchschnittliche Reisezeit ins nächste regionale Zentrum in Österreich außerhalb Wiens mit dem Pkw lediglich rund 15 Minuten beträgt, sind es mit öffentlichen Verkehrsmitteln 24 Minuten. Außerhalb regionaler Zentren ist der Öffentliche Verkehr zumeist durch eingeschränkte Betriebszeiten geprägt, teilweise begrenzt auf Schulzeiten.
Zahlreiche Bahnstrecken werden höchstens im Stundentakt oder im Zwei-Stunden-Takt bedient. So gibt es einen Zwei-Stunden-Takt auf Abschnitten der Salzkammergutbahn, der Pyhrnbahn, der Mühlkreisbahn, Nordwestbahn, Thermenbahn und der Wechselbahn. Für ein attraktives Angebot ist die vorhandene Bahninfrastruktur mit häufigeren Verbindungen zu nutzen. Viele Regionalbahnen haben durch Beschleunigungsmaßnahmen und zweigleisigen Ausbau der Strecke das Potenzial für kürzere Fahrzeiten und dichtere Intervalle, etwa die Franz-Josefs-Bahn oder die Murtalbahn.
Öffentlichen Verkehr vollständig elektrifizieren
Die Elektrifizierung von Bahnstrecken trägt nicht nur zur weiteren CO2-Vermeidung innerhalb des Öffentlichen Verkehrs bei, sie hat auch betriebliche Vorteile wie Direktverbindungen über bereits elektrifizierte Hauptstrecken in die Städte. Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2030 den Elektrifizierungsgrad der ÖBB-Strecken von derzeit 73 Prozent auf 85 Prozent zu steigern. Nebenstrecken können statt mit Oberleitung mittels neuen elektrischen Antriebskonzepten per Akku oder Wasserstoff bedient werden. Reichweiten von mehr als 80 Kilometern per Akku sind bereits möglich. Elektro-Busse ohne Oberleitung für den Regionalverkehr werden seit dem Jahr 2018 in Vorarlberg und Kärnten getestet. Aufgrund der hohen Anschaffungs- und Umstellungskosten bedürfen E-Busse der Unterstützung durch die Öffentliche Hand. In Deutschland wird die Beschaffung von E-Bussen mit insgesamt einer Milliarde Euro gefördert.
Flexibles Angebot ergänzt Öffentlichen Verkehr
Öffentliche Verbindungen auch zu Randzeiten oder an Wochenenden bereitzustellen, ist nicht zwingend im klassischen Linienverkehr abzuwickeln. Im Mikro-ÖV bewähren sich Rufbusse insbesondere im Auslauf einer Linie gut und Anrufsammeltaxis ermöglichen ein nachfragegesteuertes Angebot ohne feste Linien.
Das Prinzip des Anrufsammeltaxis wird immer häufiger mittels Smartphone-App und IT-gestützter Disponierung verbessert. Zeitpunkt, Abholort und Fahrstrecke werden dynamisch koordiniert, um Fahrten mit ähnlichen Routen zusammenzufassen, etwa im Raum Korneuburg von ISTmobil zur Ergänzung des Verbundangebots. Im Odenwaldkreis in Bayern werden seit dem Jahr 2017 private und gewerbliche Mitnahmefahrten zum Verbundtarif in den Öffentlichen Verkehr integriert.
Stadtregionen brauchen mehr Schiene
In Wien und den Großstadtregionen österreichs werden im Jahr 2050 etwa eine Million Menschen mehr leben als im Jahr 2017. Der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ist von entscheidender Bedeutung für die Lebensqualität und das Funktionieren der städtischen Wirtschaftsräume. Die Straßeninfrastruktur kann in den Städten kaum erweitert werden, und wenn dann nur zu sehr hohen Kosten. Für den Westring Linz sind für weniger als fünf Straßenkilometer und Tunnelbauten Kosten von 668 Millionen Euro veranschlagt. Der Schienenverkehr kann die Zuwächse und nötige Verlagerung umweltverträglich aufnehmen, allerdings ist auch hier hoher Bedarf an Infrastrukturinvestitionen und Angebotsverdichtung gegeben. Die Salzburger Landesregierung hat im Herbst 2018 beschlossen, anstatt eine Straßen-Nordspange samt Tunnel zu bauen, die Lokalbahn in die Stadt Salzburg zu verbessern.
Bus und Straßenbahn Vorrang geben
In Städten ist Platz stark begrenzt und prioritär flächeneffizienten Mobilitätsformen zuzuteilen. Um 150 Fahrgäste einer Straßenbahn zu befördern sind durchschnittlich 130 Pkw nötig. Im Fließverkehr sind Straßenbahnen 12- bis 15-mal so flächeneffizient als Pkw.
Damit der Öffentliche Verkehr zuverlässige und schnelle Verbindungen bieten kann, ist es besonders in Städten wichtig, öffentliche Verkehrsmittel gegenüber dem Kfz-Verkehr zu bevorrangen. Dies kann klassisch durch getrennte Fahrstreifen erfolgen oder durch Vorrangschaltungen an Ampelanlagen. Nicht nur in den Stadtregionen ist langfristige, strategische Planung zwischen den Akteuren auszubauen. Die Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs in Österreich ist auf transparente, wirkungsbasierte Kriterien umzustellen.
VCÖ-Empfehlungen
Mehr Angebot und hohe Qualität schaffen
- Bahnnetz 2040: Kapazitätserweiterungen, Beschleunigungen und Lückenschlüsse sowie Elektrifizierungen zur Erreichung der Klimaziele
- Häufigere Verbindungen anbieten, auch später in den Abend, ergänzt durch Mikro-ÖV-Angebot
- Mobilitätsoptionen an den Bahnhöfen erweitern: Sammeltaxis, Carsharing und Leihradstationen, direkte Fahrradverbindungen und Fußwege, viele wetter- und diebstahlgeschützte Radabstellanlagen
Mehr Kapazitäten im Ballungsraum, Vorrang in der Stadt
- Direkte Verbindungen in die Stadtzentren schaffen, Straßenbahnen verlängern, S-Bahn-Intervalle verdichten, Bahnlinien in wachsenden Regionen ausbauen
- Busse und Straßenbahnen durch Bevorrangung beschleunigen: Busspuren und eigene Gleiskörper, Ampelsteuerung, Beseitigung von Engstellen für mehr Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit
Lückenloser Öffentlicher Verkehr für die Regionen
- Mehr Bahnverbindungen: Durchgängiger Halbstunden-Takt, auf Nebenstrecken zumindest in der Hauptverkehrszeit oder in Kombination mit Buslinien
- Busknoten an Bahnhöfen einrichten sowie Fahrplan-Abstimmung und Anschlusssicherung weiter verbessern
Markus Gansterer,
VCÖ-Verkehrspolitik:
„Für die Mobilitätswende ist mehr Öffentlicher Verkehr erforderlich. Der Ausbau von Kapazitäten und
Verbindungen ist die Voraussetzung dafür, dass mehr Wege klimaverträglich zurückgelegt werden können. Gleichzeitig ist dies der wichtigste Hebel für ein attraktives Angebot, das genutzt wird.“
Die VCÖ-Publikation "Mobilitätswende braucht mehr Öffentlichen Verkehr" im Wert von 30 Euro können Sie hier kostenlos downloaden. Die Printversion und weitere VCÖ-Publikationen (kostenlos als PDF und kostenpflichtig in Print) finden Sie im Online-Shop des VCÖ.