VCÖ-Factsheet: Klimakrise nur mit wenig Flugverkehr zu bewältigen
Der Flugverkehr hat bis zu Beginn des Jahres 2020 stark zugenommen und ist im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln besonders klimaschädlich. Dennoch wird Flugverkehr in der EU und in Österreich stark subventioniert. Um die Erderhitzung bremsen zu können, ist der Flugverkehr auf ein ökologisch verträgliches Maß zu begrenzen.
Die Treibhausgas-Emissionen des Flugverkehrs in Europa haben sich in den vergangenen 30 Jahren auf über 180 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Das rasante Wachstum macht den Flugverkehr zu einem gewaltigen Klimaproblem. Szenarien, die vor der Covid-19-Pandemie erstellt wurden, prognostizierten eine Verdopplung der weltweiten Anzahl an Fluggästen bis zum Jahr 2040. Viele Flüge in Europa und auch in Östrreich sind kurz und in Bahndistanz. Kurzstreckenflüge weisen pro Kilometer einen besonders hohen CO2-Ausstoß auf.
Steuerprivilegien für Flugverkehr beenden
32 Prozent der Fluggäste, die im Jahr 2019 von Wien ihr Endziel anflogen, hatten einen Kurzstreckenflug von weniger als 800 Kilometer. Die Flugkonzerne zahlen für den Flugtreibstoff Kerosin keine Mineralölsteuer. Wird die Mineralölsteuer für Eurosuper als Basis genommen, wurde der Flugverkehr im Jahr 2019 allein in Österreich mit rund 560 Millionen Euro steuerlich begünstigt. Bis zur Einführung einer Kerosinsteuer auf EU-Ebene ist die Flugticketabgabe in Österreich – speziell auf Kurzstreckenflüge – deutlich zu erhöhen.
Rasantes Wachstum trotz Krisen
In der Vergangenheit hatten Einschnitte wie die globale Finanzkrise im Jahr 2008 oder die Terroranschläge von 9/11 im Jahr 2001 insgesamt nur kurzfristig Einfluss auf das rasante Wachstum des Flugverkehrs. Ob der Flugverkehr nach vollständiger Bewältigung der Covid-19-Pandemie wieder zum klimaschädlichen Wachstumspfad zurückkehrt, hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang die Politik lenkende Maßnahmen setzt.
Viele fliegen nur kurze Strecken
Mit über 1,1 Milliarden Liter wurde im Jahr 2019 so viel Kerosin wie noch nie in Österreich getankt. In der Folge stiegen die CO2-Emissionen um rund 14 Prozent auf fast drei Millionen Tonnen. Das Flugzeug gilt als Verkehrsmittel für lange Distanzen. Doch der Anteil der Kurzstreckenflüge ist auch in Österreich hoch. Von 32 Prozent der Passagiere, die im Jahr 2019 von Wien-Schwechat abflogen, war ihr endgültiges Reiseziel weniger als 800 Kilometer entfernt. Insgesamt machten rund fünf Millionen Fluggäste einen Kurzstreckenflug. Davon hatten rund 638.000 Passagiere eine Flugdistanz von weniger als 400 Kilometer an ihr endgültiges Reiseziel. Weitere 1,54 Millionen Passagiere steuerten mit dem Flugzeug ein Ziel an, das nur zwischen 400 und 600 Kilometer von Wien entfernt ist. Laut Umweltbundesamt verursachen die Inlandflüge in Österreich pro Personenkilometer rund 50 Mal mehr klimaschädliche Emissionen als die Bahn.
Wenige fliegen viel, viele fliegen wenig oder gar nicht
Das Flugzeug wird von einer kleinen Minderheit sehr viel genutzt und von der großen Mehrheit selten oder gar nicht. Im Jahr 2019 gab es in Österreich doppelt so viele Personen, die noch nie geflogen sind, als Personen, die viel fliegen. 37 Prozent von Österreichs Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren flogen noch nie. 45 Prozent machen einmal im Jahr eine Flugreise oder seltener. Und nur 18 Prozent der Bevölkerung fliegen viel. 15 Prozent flogen im Jahr 2019 mehrmals, zwei Prozent mehrmals im Monat und ein Prozent mehrmals die Woche.
Emissionsfreies Fliegen nicht im Sicht
Flüge innerhalb der EU sind im Emissionshandelssystem eingebunden. Allerdings werden der Großteil der Emissionszertifikate den Fluggesellschaften kostenlos zugeteilt. Die wichtigste internationale Vereinbarung, um den Klimaeffekt des Flugverkehrs einzudämmen, ist Corsia. Diese zielt allerdings nur auf CO2-neutrales Wachstum ab dem Jahr 2020 ab. Dazu kommt, dass Corsia nur den Klimaeffekt von CO2 berücksichtigt. Der übrige wissenschaftlich belegte Klimaeffekt der Flugemissionen (Ozon, Kondensstreifen, Zirrusbewölkung etc.), der mindestens doppelt so groß ist, wird von der Internationalen Luftfahrtorganisation (Icao) außer Acht gelassen. Ein Fokus wird derzeit auf den Austausch von fossilem Kerosin durch AgroTreibstoffe oder synthetisches Kerosin gelegt. Doch Agro-Treibstoffe brauchen große Flächen oder sind als Abfall-Produkte in geringen Mengen vorhanden. Für synthetisches Kerosin, das aus Strom hergestellt wird (E-Fuels), fehlen derzeit sowohl die Verarbeitungsbetriebe als auch der dafür nötige Ausbau an Windkraft, Wasserkraft und Solarenergie. Corsia beruht vor allem auf „Offsets“, also der Kompensation von Emissionen außerhalb des Flugverkehrssektors. Nur zwei Prozent aller UN-Kompensationsprojekte bewirken neue CO2-Reduktion und halten, was sie versprechen. 85 Prozent der Projekte tun dies mit Sicherheit nicht.
Flugverkehr ist zu niedrig besteuert
In Staaten wie den USA oder Brasilien sind die Steuern auf den Flugverkehr höher als in der EU, insbesondere bei Inlandflügen. Neben den USA gibt es unter anderem auch in Kanada, Japan, Australien, Thailand und Saudi-Arabien für Inlandflüge eine Kerosinsteuer. Die EU-Kommission zeigt in einer Studie, dass die Einführung einer Kerosinsteuer den EU-Staaten jährlich Einnahmen von rund 27 Milliarden Euro bringen würde. Dabei wird eine Steuer von 33 Cent pro Liter Kerosin zugrunde gelegt, was um 15 Cent niedriger ist als die Mineralölsteuer auf Benzin in Österreich. Die CO2-Emissionen des Flugverkehrs würden in der EU durch eine Kerosinsteuer um elf Prozent sinken. Im internationalen Flugverkehr wird keine Mehrwertsteuer eingehoben, weder auf Kerosin noch auf Flugtickets oder Flughafengebühren. In einigen Staaten gibt es eine Flugabgabe auf Flugtickets, diese ist allerdings vor allem bei den Inlandflügen meist sehr niedrig, obwohl es hier klimaverträglichere Alternativen zum Flugzeug gibt.
Billig-Airline-Boom kostet viele Arbeitsplätze
Sehr niedrige Landegebühren haben viele Billigfluglinien zum Flughafen Wien gelockt. Die Sitzplatzkapazitäten haben sich zwischen den Jahren 2017 und 2019 auf 4,5 Millionen mehr als verdoppelt. Die AUA geriet dadurch bereits vor der Covid19-Pandemie im Jahr 2019 in massive wirtschaftliche Turbulenzen, die Zahl der Beschäftigten sollte deshalb um bis zu 800 reduziert werden. Zum Schaden von Österreichs Arbeitsmarkt, denn viele Billigfluglinien haben keinen Kollektivvertrag, sondern Dumping-Löhne und haben ihre Beschäftigten nicht in Österreich angemeldet. Staatshilfen müssen daher auch mit einem Ende der Billig-Airline-Strategie des Flughafens Wien einhergehen.
Staatshilfe nur mit Klimabedingungen
Eine finanzielle Staatsbeteiligung an einer Fluggesellschaft braucht aktive Mitsprache. Für Staatshilfe ist eine Verknüpfung mit ökologischen und sozialen Kriterien notwendig. Dazu zählt die deutliche Reduktion von Kurzstreckenflügen, sowie das Vorlegen einer Unternehmensstrategie für eine Dekarbonisierung im Einklang mit dem Klimaabkommen von Paris. Bis zur Einführung einer Kerosinsteuer auf EU-Ebene ist zudem die Flugticketabgabe in Österreich – speziell auf Kurzstreckenflüge – deutlich zu erhöhen. Die von der Bundesregierung Österreichs geplante Vereinheitlichung der Flugticketabgabe auf zwölf Euro ist ungenügend.
Ende für Privilegien des Flugverkehrs
Kein anderer Verkehrsträger verzeichnete in den vergangenen Jahrzehnten eine so extreme Zunahme wie der klimaschädliche Flugverkehr. Obwohl der Flugverkehr hohe ökologische und soziale Kosten verursacht, ist das Fliegen praktisch steuerfrei. Zusammen mit prekären Arbeitsverhältnissen in einigen Bereichen der Flugbranche, insbesondere bei Billigfluglinien, sind die staatlichen Subventionen der Hauptgrund für die günstigen Flugtickets und damit auch für die enormen Wachstumsraten. Um die Klimabelastung durch das Fliegen zu reduzieren, ist die Abschaffung der Steuerbefreiung im Flugverkehr eine wichtige Voraussetzung. Es braucht sowohl eine Kerosinbesteuerung als auch eine CO2-Bepreisung und bis das international umgesetzt ist, eine deutliche Erhöhung der Flugticketabgabe.
Weniger Flüge, mehr Bahn und Videokonferenzen
Es gibt keine realistischen Strategien, wonach Fliegen in absehbarer Zeit klimaverträglich werden kann. Das Kompensieren der Klimaschäden des Flugverkehrs durch Klimaschutz-Projekte garantiert nicht eine Gesamtreduktion der Treibhausgas-Emissionen. Auch technologische Lösungen sind entweder noch nicht umsetzbar (wie Batterieantrieb im Flugverkehr) oder sind auf Grund der notwendigen Mengen an erneuerbarer Energie derzeit nicht realisierbar. Um den Flugverkehr auf Klimakurs zu bringen, ist somit eine deutliche Reduktion der Flugbewegungen, etwa durch Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn und den verstärkten Einsatz von Videokonferenzen statt geschäftlichen Flugreisen notwendig.
Quellen: VCÖ-Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“: „Klimafaktor Reisen“, Wien 2020.
VCÖ-Empfehlungen
Der Klimakurs im Flugverkehr heißt Reduktion
- Ziele und Zeitpläne mit konkreten Maßnahmen für den Ausstieg aus fossilen Treibstoffen festlegen.
- Fluggesellschaften sind zur Erarbeitung von Unternehmensstrategien für eine Dekarbonisierung im Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens zu verpflichten.
- Keine weiteren Investitionen in den Kapazitätsausbau vorhandener Flughäfen sowie in regionale Flughäfen vornehmen.
- Attraktive und schnelle internationale Bahnverbindungen stärker ausbauen.
- Tourismusmarketing verändern, um längere Aufenthaltsdauer der Gäste und kürzere Reisedistanzen attraktiver zu machen.
Steuerbefreiung für Flugkonzerne abschaffen
- Die aus Klimaschutz-Perspektive kontraproduktive Subventionierung des Flugverkehrs stoppen.
- Die Befreiung des Flugtreibstoffes Kerosin von der Mineralölsteuer beenden.
- CO2-Bepreisung auch auf Kerosin einführen.
- Flugticketabgabe auf mindesten 50 Euro für Kurzstrecken erhöhen.
- Die Mehrwertsteuerbefreiung auf internationale Flugtickets abschaffen.
Ulla Rasmussen, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft
„Klimaverträgliches Fliegen ist in absehbarer Zeit nicht möglich. Zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens führt kein Weg an einer Reduktion der Luftfahrt vorbei. Kurzstreckenflüge sind verstärkt auf die Bahn und internationale Arbeitstreffen vermehrt auf Videokonferenzen zu verlagern. Steuerbefreiungen für den Flugverkehr sind abzuschaffen.“
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