VCÖ-Umfrage: Fachleute erwarten auch für 2021 stark verändertes Reiseverhalten - weniger Flugreisen und Kreuzfahrten, mehr Radtourismus, Auto- und Bahnreisen
Reiseverhalten nur mit Lenkungsmaßnahmen auf Klimakurs zu bringen
VCÖ (Wien, 16. Juli 2020) – Die Covid-19-Pandemie wird auch das Urlaubsreiseverhalten im nächsten Jahr stark verändern. Mehr Urlaubsreisen im Inland, deutlich weniger Reisen außerhalb Europas. Das ist das Ergebnis des VCÖ-Barometers, bei dem 125 Fachleute aus Forschung, Wissenschaft, Verwaltung, Interessensvertretungen und Zivilgesellschaft befragt wurden. Drei Viertel rechnen, dass der Radtourismus in Österreich auch langfristig an Bedeutung gewinnen wird. Regulierung und finanzielle Maßnahmen werden am wirksamsten eingeschätzt, damit das Reiseverhalten von Österreichs Bevölkerung langfristig klimaverträglicher wird. Ohne Lenkungsmaßnahmen rechnen die Fachleute, dass bereits im Jahr 2025 der Flugverkehr das Niveau von vor Covid-19 erreichen wird.
An der VCÖ-Umfrage nahmen 125 Expertinnen und Experten teil, unter anderem vom AIT, Arbeiterkammer, der Universität für Bodenkultur, der FH St. Pölten, Hochschule Luzern, IHS, IIASA, Institut für Freizeit- und Tourismusforschung, Joanneum Research, Technische Universität Kaiserslautern, Umweltbundesamt, Universität Innsbruck, Universität Wien, WIFO, Wirtschaftskammer und Wirtschaftsuniversität Wien. Insgesamt waren 98 Organisationen aus den Bereichen Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Interessensvertretungen und Zivilgesellschaft vertreten.
Auch für das kommende Jahr 2021 wird ein verändertes Reiseverhalten erwartet. Jeweils 78 Prozent der Fachleute rechnen für das kommende Jahr mit weniger Kreuzfahrten und Flugreisen, hingegen 81 Prozent erwarten einen Anstieg beim Radtourismus, 73 Prozent mehr Urlaubsfahrten mit dem Auto und 50 Prozent mehr Zug- bzw. Nachtzugreisen. Drei Viertel rechnen, dass der Radtourismus auch langfristig an Bedeutung gewinnen wird. „Viele in Österreich haben in den vergangenen Monaten das Radfahren für sich entdeckt. Das Potenzial für den Radtourismus ist entsprechend groß und sollte von den Tourismusregionen genutzt werden. Im nachhaltigen Qualitätstourismus steckt insgesamt auch eine große Chance für Österreichs Tourismuswirtschaft“, betont VCÖ-Experte Michael Schwendinger.
Weiteres Ergebnis des VCÖ-Barometers: 86 Prozent erwarten auch für das kommende Jahr mehr Urlaubsreisen im Inland, 75 Prozent prognostizieren längerfristig ein verstärktes Reisen im eigenen Land bzw. im benachbarten Ausland. Für das Jahr 2021 rechnen 50 Prozent, dass die Österreicherinnen und Österreicher weniger Reisen innerhalb Europas machen werden als vor Covid-19 und 86 Prozent rechnen mit einem deutlichen Rückgang bei den Reisen außerhalb Europas.
Wer meint, allein die Covid-19-Pandemie würde dazu führen, dass die klimaschädliche Zunahme des Flugverkehrs langfristig gebremst wäre, irrt aus Sicht der beim VCÖ-Barometer befragten Fachleute. Ohne Lenkungsmaßnahmen erwarten 79 Prozent der Fachleute, dass bereits im Jahr 2025 der Flugverkehr das gleich hohe Ausmaß verzeichnen wird wie vor der Coronakrise. Neun Prozent meinen, dass der Flugverkehr seinen Peak im Jahr 2019 erreicht hätte.
94 Prozent stimmten der These zu, dass die Klimakrise in Zukunft nur dann das Reiseverhalten in relevant großen Gruppe in Richtung Nachhaltigkeit beeinflussen wird, wenn ausreichende Rahmenbedingungen wie beispielsweise CO2-Bepreisung gesetzt werden. 84 Prozent rechnen damit, dass das Reisebedürfnis durch die Covid-19-Pandemie nur heuer und im kommenden Jahr gedämpft werden wird.
Im Vorjahr verursachten die Urlaubsreisen von Österreichs Bevölkerung fast vier Millionen Tonnen Treibhausgase, macht der VCÖ aufmerksam. Der VCÖ fragte auch, welche konkreten Maßnahmen es braucht, damit das Reiseverhalten von Österreichs Bevölkerung künftig klimaverträglicher wird. Finanzielle Maßnahmen, wie Kerosinsteuer, eine Mehrwertsteuer auf internationale Flugtickets und eine deutliche Erhöhung der Flugticketabgabe werden von 71 bis 82 Prozent der Befragten als sehr wichtige Maßnahme gesehen. Zwei Drittel sehen eine Regulierung für Kurzstreckenflüge als sehr wichtig an. Mehr autofreie Angebote für die Anreise und vor Ort, den Ausbau der Schieneninfrastruktur in Europa, mehr Nachtreisezug-Angebote sowie häufigere grenzüberschreitende Verbindungen werden von 48 bis 56 Prozent als sehr wichtig gesehen. Jeder Dritte hält den Ausbau der touristischen Fahrrad-Infrastruktur für sehr wichtig. Eine geringe Wirkung wird technologischen Maßnahmen zugesprochen.
Ergebnis VCÖ-Barometer #1 Reisen: https://vcoe.at/barometer/reisen-im-verhaeltnis-zur-klimakrise